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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Viertzigste Geistliche Lection
dem sich selbiger bey der Begräbnuß wider alles vermuten gantz hell und
klar erzeiget: daß er also von allen glückselig geschätzt worden/ dieweilen er
mit grossen Einkömbsten und Reichtumben/ mit adlichem Herkommen/ mit
schöner Gestalt deß Leibs/ und allem Glück in seinem Leben versehen: nach
demselben auch mit so herrlicher Begräbnuß und von dem Himmel selbst ge-
ehret worden; der auch in seinem Todts-Bett nach empfangenen H. H. Sa-
cramenten/ mit Vergiessung der Zähren seine Seel dem lieben Gott so an-
dächtiglich befohlen hat. O wie seelig/ sagte jederman/ muß dieser fromme
Canonicus gestorben seyu/ den die Göttliche Gnaden im Leben im
Todt/ und nach demselben dergestalt ersüllet haben! Aber/ aber/ anders richtet
Gott/ und anders die Menschen. Nach wenig Tagen ist dieser Canonicus
einem seiner getrewen Freunden erschienen/ und hat ihm bedeutet/ daß er ewig
verdambt seye: und ob er zwarn gebeichtet/ und mit den H. H. Sacramenten
versehen worden/ hat er doch kein wahre Berewung und Fürsatz der Besse-
rung gehabt. Und obschon ich sagt der Todte/ mir vorgenommen von den
Sünden abzulassen: so hab ich dannoch in meinem Hertzen eine Neigung
empfunden/ welche mich/ wann ich wäre wider umb gesund worden/ zum vo-
rigen bösen Leben mehr/ als zur Besserung gebracht hätte: dan ich bildete
mir ein/ daß ich ohne die gewöhnliche Begierligkeiten und ohne Vergnü-
gung in den Ehren und Wollüsten nicht leben könte. Jn diesen Gedancken
bin ich gestorben/ und ewig verdambt worden.

16. Wolte GOtt! Wolte GOtt! daß der letzter wegen Mangel der
gnugsamen Bereuung schon verdambt seye/ und nicht mehrere Menschen
dieserthalben zur Höllen gestürtzet würden. Ob wohl einige Sünder am
End ihres Lebens eine wahre Reu und Leyd haben/ so können sie doch selbi-
ge/ wegen der eingewurtzelten bösen Gewonheiten/ leichtlich verlieren/ dar-
zu der böse Feind meisterlich zu helffen pfleget. Also hat dieser listige Vo-
geleinen Sterbenden betrogen/ welcher seine Sünden rechtmässiglich ge-
Historia.
Franc.
[Pa]zzoli-
us.
beicht hatte. Dieser Sterbende hatte vorhin eine Beyschlafferin unzuläs-
siger Weiß bey sich gehabt/ die er in seiner Kranckheit abgeschafft/ damit er
sich mit allem Ernst zu GOtt wenden mögte. Der Teuffel gibt ihm ein/
er thue übel/ daß er seiner Freundin also leicht vergesse: diesem Cingeben
gibt der Krancke bey sich selbsten zur Antwort: wolte GOtt ich hätte sie nie-
mal gekennet! Nicht also: sagt der Teuffel. Sie liebt dich von Hertzen/
und du haltest von selbiger so wenig? Was hab ich nun anders/ gibt sich der
Krancke zur Antwort/ daß ich die lose Fidel so unkeuscher Weiß getiebt hab/
als daß ich und sie billig solten verdambt werden. Zum drittenmahl gibt sich

der

Die Viertzigſte Geiſtliche Lection
dem ſich ſelbiger bey der Begraͤbnuß wider alles vermuten gantz hell und
klar erzeiget: daß er alſo von allen gluͤckſelig geſchaͤtzt worden/ dieweilen er
mit groſſen Einkoͤmbſten und Reichtumben/ mit adlichem Herkommen/ mit
ſchoͤner Geſtalt deß Leibs/ und allem Gluͤck in ſeinem Leben verſehen: nach
demſelben auch mit ſo herrlicher Begraͤbnuß und von dem Himmel ſelbſt ge-
ehret worden; der auch in ſeinem Todts-Bett nach empfangenen H. H. Sa-
cramenten/ mit Vergieſſung der Zaͤhren ſeine Seel dem lieben Gott ſo an-
daͤchtiglich befohlen hat. O wie ſeelig/ ſagte jederman/ muß dieſer fromme
Canonicus geſtorben ſeyu/ den die Goͤttliche Gnaden im Leben im
Todt/ und nach demſelben dergeſtalt erſuͤllet haben! Aber/ aber/ anders richtet
Gott/ und anders die Menſchen. Nach wenig Tagen iſt dieſer Canonicus
einem ſeiner getrewen Freunden erſchienen/ und hat ihm bedeutet/ daß er ewig
verdambt ſeye: und ob er zwarn gebeichtet/ und mit den H. H. Sacramenten
verſehen worden/ hat er doch kein wahre Berewung und Fuͤrſatz der Beſſe-
rung gehabt. Und obſchon ich ſagt der Todte/ mir vorgenommen von den
Suͤnden abzulaſſen: ſo hab ich dannoch in meinem Hertzen eine Neigung
empfunden/ welche mich/ wann ich waͤre wider umb geſund worden/ zum vo-
rigen boͤſen Leben mehr/ als zur Beſſerung gebracht haͤtte: dan ich bildete
mir ein/ daß ich ohne die gewoͤhnliche Begierligkeiten und ohne Vergnuͤ-
gung in den Ehren und Wolluͤſten nicht leben koͤnte. Jn dieſen Gedancken
bin ich geſtorben/ und ewig verdambt worden.

16. Wolte GOtt! Wolte GOtt! daß der letzter wegen Mangel der
gnugſamen Bereuung ſchon verdambt ſeye/ und nicht mehrere Menſchen
dieſerthalben zur Hoͤllen geſtuͤrtzet wuͤrden. Ob wohl einige Suͤnder am
End ihres Lebens eine wahre Reu und Leyd haben/ ſo koͤnnen ſie doch ſelbi-
ge/ wegen der eingewurtzelten boͤſen Gewonheiten/ leichtlich verlieren/ dar-
zu der boͤſe Feind meiſterlich zu helffen pfleget. Alſo hat dieſer liſtige Vo-
geleinen Sterbenden betrogen/ welcher ſeine Suͤnden rechtmaͤſſiglich ge-
Hiſtoria.
Franc.
[Pa]zzoli-
us.
beicht hatte. Dieſer Sterbende hatte vorhin eine Beyſchlafferin unzulaͤſ-
ſiger Weiß bey ſich gehabt/ die er in ſeiner Kranckheit abgeſchafft/ damit er
ſich mit allem Ernſt zu GOtt wenden moͤgte. Der Teuffel gibt ihm ein/
er thue uͤbel/ daß er ſeiner Freundin alſo leicht vergeſſe: dieſem Cingeben
gibt der Krancke bey ſich ſelbſten zur Antwort: wolte GOtt ich haͤtte ſie nie-
mal gekennet! Nicht alſo: ſagt der Teuffel. Sie liebt dich von Hertzen/
und du halteſt von ſelbiger ſo wenig? Was hab ich nun anders/ gibt ſich der
Krancke zur Antwort/ daß ich die loſe Fidel ſo unkeuſcher Weiß getiebt hab/
als daß ich und ſie billig ſolten verdambt werden. Zum drittenmahl gibt ſich

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[522/0550] Die Viertzigſte Geiſtliche Lection dem ſich ſelbiger bey der Begraͤbnuß wider alles vermuten gantz hell und klar erzeiget: daß er alſo von allen gluͤckſelig geſchaͤtzt worden/ dieweilen er mit groſſen Einkoͤmbſten und Reichtumben/ mit adlichem Herkommen/ mit ſchoͤner Geſtalt deß Leibs/ und allem Gluͤck in ſeinem Leben verſehen: nach demſelben auch mit ſo herrlicher Begraͤbnuß und von dem Himmel ſelbſt ge- ehret worden; der auch in ſeinem Todts-Bett nach empfangenen H. H. Sa- cramenten/ mit Vergieſſung der Zaͤhren ſeine Seel dem lieben Gott ſo an- daͤchtiglich befohlen hat. O wie ſeelig/ ſagte jederman/ muß dieſer fromme Canonicus geſtorben ſeyu/ den die Goͤttliche Gnaden im Leben im Todt/ und nach demſelben dergeſtalt erſuͤllet haben! Aber/ aber/ anders richtet Gott/ und anders die Menſchen. Nach wenig Tagen iſt dieſer Canonicus einem ſeiner getrewen Freunden erſchienen/ und hat ihm bedeutet/ daß er ewig verdambt ſeye: und ob er zwarn gebeichtet/ und mit den H. H. Sacramenten verſehen worden/ hat er doch kein wahre Berewung und Fuͤrſatz der Beſſe- rung gehabt. Und obſchon ich ſagt der Todte/ mir vorgenommen von den Suͤnden abzulaſſen: ſo hab ich dannoch in meinem Hertzen eine Neigung empfunden/ welche mich/ wann ich waͤre wider umb geſund worden/ zum vo- rigen boͤſen Leben mehr/ als zur Beſſerung gebracht haͤtte: dan ich bildete mir ein/ daß ich ohne die gewoͤhnliche Begierligkeiten und ohne Vergnuͤ- gung in den Ehren und Wolluͤſten nicht leben koͤnte. Jn dieſen Gedancken bin ich geſtorben/ und ewig verdambt worden. 16. Wolte GOtt! Wolte GOtt! daß der letzter wegen Mangel der gnugſamen Bereuung ſchon verdambt ſeye/ und nicht mehrere Menſchen dieſerthalben zur Hoͤllen geſtuͤrtzet wuͤrden. Ob wohl einige Suͤnder am End ihres Lebens eine wahre Reu und Leyd haben/ ſo koͤnnen ſie doch ſelbi- ge/ wegen der eingewurtzelten boͤſen Gewonheiten/ leichtlich verlieren/ dar- zu der boͤſe Feind meiſterlich zu helffen pfleget. Alſo hat dieſer liſtige Vo- geleinen Sterbenden betrogen/ welcher ſeine Suͤnden rechtmaͤſſiglich ge- beicht hatte. Dieſer Sterbende hatte vorhin eine Beyſchlafferin unzulaͤſ- ſiger Weiß bey ſich gehabt/ die er in ſeiner Kranckheit abgeſchafft/ damit er ſich mit allem Ernſt zu GOtt wenden moͤgte. Der Teuffel gibt ihm ein/ er thue uͤbel/ daß er ſeiner Freundin alſo leicht vergeſſe: dieſem Cingeben gibt der Krancke bey ſich ſelbſten zur Antwort: wolte GOtt ich haͤtte ſie nie- mal gekennet! Nicht alſo: ſagt der Teuffel. Sie liebt dich von Hertzen/ und du halteſt von ſelbiger ſo wenig? Was hab ich nun anders/ gibt ſich der Krancke zur Antwort/ daß ich die loſe Fidel ſo unkeuſcher Weiß getiebt hab/ als daß ich und ſie billig ſolten verdambt werden. Zum drittenmahl gibt ſich der Hiſtoria. Franc. Pazzoli- us.

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 522. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/550>, abgerufen am 22.11.2024.