Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Von der Barmhertzigkeit Gottes. Obschon ein Mutter bißweilen ihres eintzigen Sohns vergesse; so wird dochder Herr/ wie er von sich selbsten bezeugt/ unserer zumahlen nicht vergessen:apud Blos. in Consol. Pusill. fol. 225. dann so groß ist dessen Barmhertzigkeit; daß auch ein außgetruckneter Hanff oder Flachs in einem grossen Fewer nicht könne sogesch wind entzü ndet werden/ als er einem Rew tragenden und auffrichtig bekehrten Sünder alle seine Missethaten zu vergeben bereit ist: dieweilen keine Zeit/ noch ein an- deres Mittel die Gütigkeit des Allerhöchsten/ und den bußfertigen Sünder scheidet. Hernach aber entstehet zwischen Gott und einem büssenden Menschen eine so vollkommene Verträulichkeit/ als wann er niemahlen gesündiget hätte: und so gut ist der Herr/ daß er auch das jenige/ so er einmahl verziehen; dem Menschen niemahlen vorwerffen/ oder durch einige Straff gedencken wolle; wann er nemblich in Besserung seines Lebens verharret. 6. Daß aber diesem also seye/ versicheret uns genugsamb die eylfertige Be- 7. Es ist einsmahls gewesen ein adliche Tochter/ welche nach einer began- schliessen D 2
Von der Barmhertzigkeit Gottes. Obſchon ein Mutter bißweilen ihres eintzigen Sohns vergeſſe; ſo wird dochder Herr/ wie er von ſich ſelbſten bezeugt/ unſerer zumahlen nicht vergeſſen:apud Bloſ. in Conſol. Puſill. fol. 225. dann ſo groß iſt deſſen Barmhertzigkeit; daß auch ein außgetruckneter Hanff oder Flachs in einem groſſen Fewer nicht koͤnne ſogeſch wind entzuͤ ndet werden/ als er einem Rew tragenden und auffrichtig bekehrten Suͤnder alle ſeine Miſſethaten zu vergeben bereit iſt: dieweilen keine Zeit/ noch ein an- deres Mittel die Guͤtigkeit des Allerhoͤchſten/ und den bußfertigen Suͤnder ſcheidet. Hernach aber entſtehet zwiſchen Gott und einem buͤſſenden Menſchen eine ſo vollkommene Vertraͤulichkeit/ als wann er niemahlen geſuͤndiget haͤtte: und ſo gut iſt der Herr/ daß er auch das jenige/ ſo er einmahl verziehen; dem Menſchen niemahlen vorwerffen/ oder durch einige Straff gedencken wolle; wann er nemblich in Beſſerung ſeines Lebens verharret. 6. Daß aber dieſem alſo ſeye/ verſicheret uns genugſamb die eylfertige Be- 7. Es iſt einsmahls geweſen ein adliche Tochter/ welche nach einer began- ſchlieſſen D 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0055" n="27"/><fw place="top" type="header">Von der Barmhertzigkeit Gottes.</fw><lb/> Obſchon ein Mutter bißweilen ihres eintzigen Sohns vergeſſe; ſo wird doch<lb/> der Herr/ wie er von ſich ſelbſten bezeugt/ unſerer zumahlen nicht vergeſſen:<note place="right"><hi rendition="#aq">apud<lb/> Bloſ. in<lb/> Conſol.<lb/> Puſill.<lb/> fol.</hi> 225.</note><lb/> dann ſo groß iſt deſſen Barmhertzigkeit; daß auch ein außgetruckneter Hanff<lb/> oder Flachs in einem groſſen Fewer nicht koͤnne ſogeſch wind entzuͤ ndet<lb/> werden/ als er einem Rew tragenden und auffrichtig bekehrten Suͤnder alle<lb/> ſeine Miſſethaten zu vergeben bereit iſt: dieweilen keine Zeit/ noch ein an-<lb/> deres Mittel die Guͤtigkeit des Allerhoͤchſten/ und den bußfertigen Suͤnder<lb/> ſcheidet. Hernach aber entſtehet zwiſchen Gott und einem buͤſſenden Menſchen<lb/> eine ſo vollkommene Vertraͤulichkeit/ als wann er niemahlen geſuͤndiget haͤtte:<lb/> und ſo gut iſt der Herr/ daß er auch das jenige/ ſo er einmahl verziehen; dem<lb/> Menſchen niemahlen vorwerffen/ oder durch einige Straff gedencken wolle;<lb/> wann er nemblich in Beſſerung ſeines Lebens verharret.</p><lb/> <p>6. Daß aber dieſem alſo ſeye/ verſicheret uns genugſamb die eylfertige Be-<lb/> kehrung der H. Mariaͤ Magdalenaͤ; welche/ ob zwar ſehr groſſe Laſter be-<lb/> gangen hatte/ ſo bald ſie zu dem Herrn kommen/ und ihm ſeine Fuͤß gewaſchen/<lb/> aller ihrer Suͤnden vollkommenen Nachlaß erhalten hat; und folgends in ſo<lb/> groſſe Gemeinſchafft mit Chriſto gerathen/ daß ſie von ſelbigem auch mehr<lb/> dann die Apoſtelen ſelbſt geliebet worden: derhalben er auch nach ſeiner Auffer-<lb/> ſtehung ſich zum erſten ſeiner Magdalenen gezeigt hat: und da ſie umb weitere<lb/> Buß zu thun in die Wuͤſte ſich begeben hatte/ iſt ſie mit ſo vielen himmliſchen<lb/> Troͤſtungen erfreuet worden/ daß ſie taͤglich ſiebenmahl biß zum Himmel ver-<lb/> zuͤcket/ denen unzahlbarn Choren der Engelen beygewohnet/ und von CHriſto<lb/> ſelbſt uͤber hundertmahl beſuchet/ und mit hoͤfflichen Luſtbarkeiten erquickt wor-<lb/> den. Damit aber die rechte Warheit deſſen/ ſo geſagt iſt/ etwas klaͤrlicher her-<lb/> vor ſcheine/ als wollen wir eine Geſchicht hinzu ſetzen.</p><lb/> <p>7. Es iſt einsmahls geweſen ein adliche Tochter/ welche nach einer began-<lb/> genen Blut-Schand mit ihrem eigenen Vatter/ das Angeſicht ihrer Eltern<lb/> auß Schamhafftigkeit nicht ertragen koͤnnen: deſſenthalben hat ſie erſtlich die<lb/> Mutter/ und hernach den Vatter mit Gifft umbs Leben gebracht: und weilen<lb/> ſie von der Gnade Gottes verzweiffelt/ iſt ſie in den Suͤnden halßſtarrig ver-<lb/> blieben. Endlich hat ſich zugetragen/ daß ſie nach angehoͤrten dieſen Worten<lb/> von der Cantzel; daß nemblich die Barmhertzigkeit Gottes groͤſſer ſeye als die<lb/> Suͤnden der Menſchen/ dergeſtalt bewegt worden/ daß ſie alsbald mit groſſem<lb/> Leydweſen ihre Suͤnden gebeichtet; nachdeme zur Kirchen gangen/ allwo ſich<lb/> dieſe Buͤſſerin zur Erden niedergeworffen/ und auß hefftiger und hertzlicher<lb/> Rew und Leyd daſelbſten den Geiſt auffgegeben. Der Beichtsvatter hat hier-<lb/> auffdas anweſende volck erſucht/ ſie moͤchten doch fuͤr der verſtorbnen Perſonẽ<lb/> Seel Gott bitten <supplied>:</supplied> immittelſt aber iſt durch eine Stim võ Himmel erſchallet: ich bedarff<lb/> eweres Gebetts nicht/ ſondern ihr habt des meinigen mehr vonnoͤthen. Worauß nun zu<lb/> <fw place="bottom" type="sig">D 2</fw><fw place="bottom" type="catch">ſchlieſſen</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [27/0055]
Von der Barmhertzigkeit Gottes.
Obſchon ein Mutter bißweilen ihres eintzigen Sohns vergeſſe; ſo wird doch
der Herr/ wie er von ſich ſelbſten bezeugt/ unſerer zumahlen nicht vergeſſen:
dann ſo groß iſt deſſen Barmhertzigkeit; daß auch ein außgetruckneter Hanff
oder Flachs in einem groſſen Fewer nicht koͤnne ſogeſch wind entzuͤ ndet
werden/ als er einem Rew tragenden und auffrichtig bekehrten Suͤnder alle
ſeine Miſſethaten zu vergeben bereit iſt: dieweilen keine Zeit/ noch ein an-
deres Mittel die Guͤtigkeit des Allerhoͤchſten/ und den bußfertigen Suͤnder
ſcheidet. Hernach aber entſtehet zwiſchen Gott und einem buͤſſenden Menſchen
eine ſo vollkommene Vertraͤulichkeit/ als wann er niemahlen geſuͤndiget haͤtte:
und ſo gut iſt der Herr/ daß er auch das jenige/ ſo er einmahl verziehen; dem
Menſchen niemahlen vorwerffen/ oder durch einige Straff gedencken wolle;
wann er nemblich in Beſſerung ſeines Lebens verharret.
apud
Bloſ. in
Conſol.
Puſill.
fol. 225.
6. Daß aber dieſem alſo ſeye/ verſicheret uns genugſamb die eylfertige Be-
kehrung der H. Mariaͤ Magdalenaͤ; welche/ ob zwar ſehr groſſe Laſter be-
gangen hatte/ ſo bald ſie zu dem Herrn kommen/ und ihm ſeine Fuͤß gewaſchen/
aller ihrer Suͤnden vollkommenen Nachlaß erhalten hat; und folgends in ſo
groſſe Gemeinſchafft mit Chriſto gerathen/ daß ſie von ſelbigem auch mehr
dann die Apoſtelen ſelbſt geliebet worden: derhalben er auch nach ſeiner Auffer-
ſtehung ſich zum erſten ſeiner Magdalenen gezeigt hat: und da ſie umb weitere
Buß zu thun in die Wuͤſte ſich begeben hatte/ iſt ſie mit ſo vielen himmliſchen
Troͤſtungen erfreuet worden/ daß ſie taͤglich ſiebenmahl biß zum Himmel ver-
zuͤcket/ denen unzahlbarn Choren der Engelen beygewohnet/ und von CHriſto
ſelbſt uͤber hundertmahl beſuchet/ und mit hoͤfflichen Luſtbarkeiten erquickt wor-
den. Damit aber die rechte Warheit deſſen/ ſo geſagt iſt/ etwas klaͤrlicher her-
vor ſcheine/ als wollen wir eine Geſchicht hinzu ſetzen.
7. Es iſt einsmahls geweſen ein adliche Tochter/ welche nach einer began-
genen Blut-Schand mit ihrem eigenen Vatter/ das Angeſicht ihrer Eltern
auß Schamhafftigkeit nicht ertragen koͤnnen: deſſenthalben hat ſie erſtlich die
Mutter/ und hernach den Vatter mit Gifft umbs Leben gebracht: und weilen
ſie von der Gnade Gottes verzweiffelt/ iſt ſie in den Suͤnden halßſtarrig ver-
blieben. Endlich hat ſich zugetragen/ daß ſie nach angehoͤrten dieſen Worten
von der Cantzel; daß nemblich die Barmhertzigkeit Gottes groͤſſer ſeye als die
Suͤnden der Menſchen/ dergeſtalt bewegt worden/ daß ſie alsbald mit groſſem
Leydweſen ihre Suͤnden gebeichtet; nachdeme zur Kirchen gangen/ allwo ſich
dieſe Buͤſſerin zur Erden niedergeworffen/ und auß hefftiger und hertzlicher
Rew und Leyd daſelbſten den Geiſt auffgegeben. Der Beichtsvatter hat hier-
auffdas anweſende volck erſucht/ ſie moͤchten doch fuͤr der verſtorbnen Perſonẽ
Seel Gott bitten : immittelſt aber iſt durch eine Stim võ Himmel erſchallet: ich bedarff
eweres Gebetts nicht/ ſondern ihr habt des meinigen mehr vonnoͤthen. Worauß nun zu
ſchlieſſen
D 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |