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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Acht und Dreyssigste Geistliche Lection
ten zu betrachten dich unterstehen werdest? Derhalben lese/ betrachte/ schrei-
be/ und höre gern reden von dem Leyden deines Herren/ in dem du versichert
bist/ daß dir die wenige Arbeit so reichlich vergolten werde.

Der Andere Theil.
Ludolp.
de Saxon.
in vit.
Chri.

6. DA einsmals ein sicher Einsidler zu wissen verlanget/ mit wel-
chen Ubungen er sich bey der Göttlichen Majestet am besten
verdienstlich machen könte; hat sich demselben Christus nackend/
am gantzen Leib verwundet/ und mit einem schwären Creutz beladen gezeiget/
und gesagt; daß ihm nichts liebers und angenehmers von seinen Dieneren
widerfahren könne/ als wann sie ihm in Tragung deß Creutzes behülfflich
seyen: dieses aber würden sie thuen/ wann sie durch die Gedächtnuß seiner
Schmertzen ihm folgten/ und einen Theil derselben in die Emfindligkeit
Chron.
Min. L. 1.
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105.
ihres Hertzen gleichsamb einschliessen würden. Nachdem der H. Franciscus
ebenfals zu wissen begierich gewesen/ welche Diensten seinem Gott am liebsten
seyn mögten/ hat er das Messen- Buch dreymal auffgeschlagen/ und jedes-
mahl das Leyden Christi gefunden. Da die H. Maria Magdalena in
Sylvest.
in Ros.
aur. 1. a.
der Wüsten Gott eifferich gebetten/ er mögte ihr doch zeigen/ worinnen sie
sich am fürnehmsten beschäfftigen solte; hat ihr der Ertz-Engel Michael
ein sehr schönes Creutz zum Eingang der Höhlen dergestalt gepflantzet/ da-
mit sie selbiges immer vor Augen sehe/ und sich also deren am selbigem voll-
brachten Geheimnuß erinnern solle. Auß dem allen dann gnugsamb er-
hellet/ daß die Betrachtung vom Leyden Christi alle andere Ubungen weit ü-
bertreffe: dahero geschehen ist/ daß sie die Heiligen GOttes vor allem in Be-
schauung deß Leydenden JEsu geübet haben: denen die allerseeligste Jung-
frau Maria mit ihrem Exempel ist vorgangen/ welche mehrmahlen von sich
selbsten gesagt hat: Jm Grab meines Sohns waren meine Gedancken und
mein Hertz allzeit. Die Fuß-Stapffen dieser Jungfräulichen Mutter ist
die Clara de Monte Falco deß H. Augustiner Ordens beharrlich einge-
tretten/ indem sie so schlaffend als wachend mit dem gecreutzigsten JESU
zu schaffen gehabt. Unter andern mahlen/ da sie an sothaner ihrer Ubung
gröblich durchstochen worden/ ist ihr ein Jüngling mit einem Creutz erschie-
nen/ und gesagt: mein tochter Clara/ ich hab ein vestes Ort gesucht/ dahin
ich dieses Creutz pflantzen mögte/ und/ siche/ ich hab darzu dein Hertz gefun-
den: daselbst will ich es hefften; du solst derhalben an diesem Creutz sterben/
wofern du meine Tochter und Erb seyn wilst. Von dieser Zeit an ist das

Ge-

Die Acht und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
ten zu betrachten dich unterſtehen werdeſt? Derhalben leſe/ betrachte/ ſchrei-
be/ und hoͤre gern reden von dem Leyden deines Herren/ in dem du verſichert
biſt/ daß dir die wenige Arbeit ſo reichlich vergolten werde.

Der Andere Theil.
Ludolp.
de Saxon.
in vit.
Chri.

6. DA einsmals ein ſicher Einſidler zu wiſſen verlanget/ mit wel-
chen Ubungen er ſich bey der Goͤttlichen Majeſtet am beſten
verdienſtlich machen koͤnte; hat ſich demſelben Chriſtus nackend/
am gantzen Leib verwundet/ und mit einem ſchwaͤren Creutz beladen gezeiget/
und geſagt; daß ihm nichts liebers und angenehmers von ſeinen Dieneren
widerfahren koͤnne/ als wann ſie ihm in Tragung deß Creutzes behuͤlfflich
ſeyen: dieſes aber wuͤrden ſie thuen/ wann ſie durch die Gedaͤchtnuß ſeiner
Schmertzen ihm folgten/ und einen Theil derſelben in die Emfindligkeit
Chron.
Min. L. 1.
c.
105.
ihres Hertzen gleichſamb einſchlieſſen wuͤrden. Nachdem der H. Franciſcus
ebenfals zu wiſſen begierich geweſen/ welche Dienſten ſeinem Gott am liebſten
ſeyn moͤgten/ hat er das Meſſen- Buch dreymal auffgeſchlagen/ und jedes-
mahl das Leyden Chriſti gefunden. Da die H. Maria Magdalena in
Sylveſt.
in Roſ.
aur. 1. a.
der Wuͤſten Gott eifferich gebetten/ er moͤgte ihr doch zeigen/ worinnen ſie
ſich am fuͤrnehmſten beſchaͤfftigen ſolte; hat ihr der Ertz-Engel Michael
ein ſehr ſchoͤnes Creutz zum Eingang der Hoͤhlen dergeſtalt gepflantzet/ da-
mit ſie ſelbiges immer vor Augen ſehe/ und ſich alſo deren am ſelbigem voll-
brachten Geheimnuß erinnern ſolle. Auß dem allen dann gnugſamb er-
hellet/ daß die Betrachtung vom Leyden Chriſti alle andere Ubungen weit uͤ-
bertreffe: dahero geſchehen iſt/ daß ſie die Heiligen GOttes vor allem in Be-
ſchauung deß Leydenden JEſu geuͤbet haben: denen die allerſeeligſte Jung-
frau Maria mit ihrem Exempel iſt vorgangen/ welche mehrmahlen von ſich
ſelbſten geſagt hat: Jm Grab meines Sohns waren meine Gedancken und
mein Hertz allzeit. Die Fuß-Stapffen dieſer Jungfraͤulichen Mutter iſt
die Clara de Monte Falco deß H. Auguſtiner Ordens beharrlich einge-
tretten/ indem ſie ſo ſchlaffend als wachend mit dem gecreutzigſten JESU
zu ſchaffen gehabt. Unter andern mahlen/ da ſie an ſothaner ihrer Ubung
groͤblich durchſtochen worden/ iſt ihr ein Juͤngling mit einem Creutz erſchie-
nen/ und geſagt: mein tochter Clara/ ich hab ein veſtes Ort geſucht/ dahin
ich dieſes Creutz pflantzen moͤgte/ und/ ſiche/ ich hab darzu dein Hertz gefun-
den: daſelbſt will ich es hefften; du ſolſt derhalben an dieſem Creutz ſterben/
wofern du meine Tochter und Erb ſeyn wilſt. Von dieſer Zeit an iſt das

Ge-
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[486/0514] Die Acht und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection ten zu betrachten dich unterſtehen werdeſt? Derhalben leſe/ betrachte/ ſchrei- be/ und hoͤre gern reden von dem Leyden deines Herren/ in dem du verſichert biſt/ daß dir die wenige Arbeit ſo reichlich vergolten werde. Der Andere Theil. 6. DA einsmals ein ſicher Einſidler zu wiſſen verlanget/ mit wel- chen Ubungen er ſich bey der Goͤttlichen Majeſtet am beſten verdienſtlich machen koͤnte; hat ſich demſelben Chriſtus nackend/ am gantzen Leib verwundet/ und mit einem ſchwaͤren Creutz beladen gezeiget/ und geſagt; daß ihm nichts liebers und angenehmers von ſeinen Dieneren widerfahren koͤnne/ als wann ſie ihm in Tragung deß Creutzes behuͤlfflich ſeyen: dieſes aber wuͤrden ſie thuen/ wann ſie durch die Gedaͤchtnuß ſeiner Schmertzen ihm folgten/ und einen Theil derſelben in die Emfindligkeit ihres Hertzen gleichſamb einſchlieſſen wuͤrden. Nachdem der H. Franciſcus ebenfals zu wiſſen begierich geweſen/ welche Dienſten ſeinem Gott am liebſten ſeyn moͤgten/ hat er das Meſſen- Buch dreymal auffgeſchlagen/ und jedes- mahl das Leyden Chriſti gefunden. Da die H. Maria Magdalena in der Wuͤſten Gott eifferich gebetten/ er moͤgte ihr doch zeigen/ worinnen ſie ſich am fuͤrnehmſten beſchaͤfftigen ſolte; hat ihr der Ertz-Engel Michael ein ſehr ſchoͤnes Creutz zum Eingang der Hoͤhlen dergeſtalt gepflantzet/ da- mit ſie ſelbiges immer vor Augen ſehe/ und ſich alſo deren am ſelbigem voll- brachten Geheimnuß erinnern ſolle. Auß dem allen dann gnugſamb er- hellet/ daß die Betrachtung vom Leyden Chriſti alle andere Ubungen weit uͤ- bertreffe: dahero geſchehen iſt/ daß ſie die Heiligen GOttes vor allem in Be- ſchauung deß Leydenden JEſu geuͤbet haben: denen die allerſeeligſte Jung- frau Maria mit ihrem Exempel iſt vorgangen/ welche mehrmahlen von ſich ſelbſten geſagt hat: Jm Grab meines Sohns waren meine Gedancken und mein Hertz allzeit. Die Fuß-Stapffen dieſer Jungfraͤulichen Mutter iſt die Clara de Monte Falco deß H. Auguſtiner Ordens beharrlich einge- tretten/ indem ſie ſo ſchlaffend als wachend mit dem gecreutzigſten JESU zu ſchaffen gehabt. Unter andern mahlen/ da ſie an ſothaner ihrer Ubung groͤblich durchſtochen worden/ iſt ihr ein Juͤngling mit einem Creutz erſchie- nen/ und geſagt: mein tochter Clara/ ich hab ein veſtes Ort geſucht/ dahin ich dieſes Creutz pflantzen moͤgte/ und/ ſiche/ ich hab darzu dein Hertz gefun- den: daſelbſt will ich es hefften; du ſolſt derhalben an dieſem Creutz ſterben/ wofern du meine Tochter und Erb ſeyn wilſt. Von dieſer Zeit an iſt das Ge- Chron. Min. L. 1. c. 105. Sylveſt. in Roſ. aur. 1. a.

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/514>, abgerufen am 22.11.2024.