Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Von dem Gebett. zum End vollkommentlich zu sich nehmen. Es widerfahret aberleyder GOttes manchem/ was sich mit jenem Carteuser zu Londen hat zugetragen/ daß ihnen nemblich der sämbtliche GOttes-Dienst zu schwähr fallet/ und die Gezeiten zu langsamb gesungen werden; derhalben sich offt- mahlen deß Chors entziehen/ und bald unter diesem/ bald unter jenem Praetext gar zu viel halten auff Lob-Gesang/ Te Lucis ante Terminum. Wann nun solche mit obgedachtem Carteuser/ Nahmens Georgio alle von GOtt gleichmässig solten gezuchtiget werden; so würde man den meisten Theil der Clöster mit nicht wenig verzweifflenden Narren erfüllet sehen. Dieser gute Georgius pflechte auß einem Verdruß deß langwirigen GOttes-Historia. Dienst/ auß den Chor hinauß/ ins Capitul Hauß/ oder anderwerts hin zu gehen: nun tragt sichs endlich zu/ daß/ indem er vorm Schluß der Vesper nach ge- wöhnlichem Brauch auß den Chor zum Capitel-Hauß eintrettet/ die Bildnus deß am Creutz/ und zum Eingang deß Capitels hangenden Jesu dem verdrieß- lichen München das Angesicht ab/ und an stat dessen den Rücken wendet; in selbigem Augenblick wird er gantz närrisch/ fallet auch zu gleich in eine Verzweiflung/ in welcher er ein gantzes Jahrlang verbleibet/ biß er durch das Gebett seiner Mit-Brüder vonsothaner doppelten Straff befreyet/ und den Anfang seines solchen ellenden Stands zu erzehlen bestand wird. Die- weilen aber auff solche Warnungen nicht allein keine Besserung folget; sonderen die Bößheit bey diesem Geistlichen die oberhand nimbt; als wird er endlich durch das algemeine Capitul deß Ordens verwiesen/ und dezeuget mit seinem Exempel/ welcher Straff sich die Geistliche unterwerffen/ so da auß einem Verdruß dem GOttes-Dienst sich zu entziehen/ Gewonheit machen. Gleich wie nun der jenige für einen unverschämbten Menschen zu halten ist/ welcher das angefaugene Gespräch mit seinem GOtt und Herren frevent- lich zertrennet; also kan selbiger die Persohn deß Verräthers Judae, so da vom Nachtmahl deß Herren zeitlicher ist auffgestanden und darvon gangen/ am besten vertretten. 15. Wohl und abermahl wohl hat dan der H. Pachomius in seiner Regul An- M m m 3
Von dem Gebett. zum End vollkommentlich zu ſich nehmen. Es widerfahret aberleyder GOttes manchem/ was ſich mit jenem Carteuſer zu Londen hat zugetragen/ daß ihnen nemblich der ſaͤmbtliche GOttes-Dienſt zu ſchwaͤhr fallet/ und die Gezeiten zu langſamb geſungen werden; derhalben ſich offt- mahlen deß Chors entziehen/ und bald unter dieſem/ bald unter jenem Prætext gar zu viel halten auff Lob-Geſang/ Te Lucis ante Terminum. Wann nun ſolche mit obgedachtem Carteuſer/ Nahmens Georgio alle von GOtt gleichmaͤſſig ſolten gezuchtiget werden; ſo wuͤrde man den meiſten Theil der Cloͤſter mit nicht wenig verzweifflenden Narren erfuͤllet ſehen. Dieſer gute Georgius pflechte auß einem Verdruß deß langwirigen GOttes-Hiſtoria. Dienſt/ auß dẽ Chor hinauß/ ins Capitul Hauß/ oder anderwerts hin zu gehen: nun tragt ſichs endlich zu/ daß/ indem er vorm Schluß der Veſper nach ge- woͤhnlichem Brauch auß dẽ Chor zum Capitel-Hauß eintrettet/ die Bildnus deß am Creutz/ und zum Eingang deß Capitels hangenden Jeſu dem verdrieß- lichen Muͤnchen das Angeſicht ab/ und an ſtat deſſen den Ruͤcken wendet; in ſelbigem Augenblick wird er gantz naͤrriſch/ fallet auch zu gleich in eine Verzweiflung/ in welcher er ein gantzes Jahrlang verbleibet/ biß er durch das Gebett ſeiner Mit-Bruͤder vonſothaner doppelten Straff befreyet/ und den Anfang ſeines ſolchen ellenden Stands zu erzehlen beſtand wird. Die- weilen aber auff ſolche Warnungen nicht allein keine Beſſerung folget; ſonderen die Boͤßheit bey dieſem Geiſtlichen die oberhand nimbt; als wird er endlich durch das algemeine Capitul deß Ordens verwieſen/ und dezeuget mit ſeinem Exempel/ welcher Straff ſich die Geiſtliche unterwerffen/ ſo da auß einem Verdruß dem GOttes-Dienſt ſich zu entziehen/ Gewonheit machen. Gleich wie nun der jenige fuͤr einen unverſchaͤmbten Menſchen zu halten iſt/ welcher das angefaugene Geſpraͤch mit ſeinem GOtt und Herren frevent- lich zertrennet; alſo kan ſelbiger die Perſohn deß Verraͤthers Judæ, ſo da vom Nachtmahl deß Herren zeitlicher iſt auffgeſtanden und darvon gangen/ am beſten vertretten. 15. Wohl und abermahl wohl hat dan der H. Pachomius in ſeiner Regul An- M m m 3
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Von dem Gebett.
zum End vollkommentlich zu ſich nehmen. Es widerfahret aber
leyder GOttes manchem/ was ſich mit jenem Carteuſer zu Londen hat
zugetragen/ daß ihnen nemblich der ſaͤmbtliche GOttes-Dienſt zu ſchwaͤhr
fallet/ und die Gezeiten zu langſamb geſungen werden; derhalben ſich offt-
mahlen deß Chors entziehen/ und bald unter dieſem/ bald unter jenem Prætext
gar zu viel halten auff Lob-Geſang/ Te Lucis ante Terminum. Wann
nun ſolche mit obgedachtem Carteuſer/ Nahmens Georgio alle von GOtt
gleichmaͤſſig ſolten gezuchtiget werden; ſo wuͤrde man den meiſten Theil
der Cloͤſter mit nicht wenig verzweifflenden Narren erfuͤllet ſehen. Dieſer
gute Georgius pflechte auß einem Verdruß deß langwirigen GOttes-
Dienſt/ auß dẽ Chor hinauß/ ins Capitul Hauß/ oder anderwerts hin zu gehen:
nun tragt ſichs endlich zu/ daß/ indem er vorm Schluß der Veſper nach ge-
woͤhnlichem Brauch auß dẽ Chor zum Capitel-Hauß eintrettet/ die Bildnus
deß am Creutz/ und zum Eingang deß Capitels hangenden Jeſu dem verdrieß-
lichen Muͤnchen das Angeſicht ab/ und an ſtat deſſen den Ruͤcken wendet;
in ſelbigem Augenblick wird er gantz naͤrriſch/ fallet auch zu gleich in eine
Verzweiflung/ in welcher er ein gantzes Jahrlang verbleibet/ biß er durch das
Gebett ſeiner Mit-Bruͤder vonſothaner doppelten Straff befreyet/ und den
Anfang ſeines ſolchen ellenden Stands zu erzehlen beſtand wird. Die-
weilen aber auff ſolche Warnungen nicht allein keine Beſſerung folget;
ſonderen die Boͤßheit bey dieſem Geiſtlichen die oberhand nimbt; als wird er
endlich durch das algemeine Capitul deß Ordens verwieſen/ und dezeuget
mit ſeinem Exempel/ welcher Straff ſich die Geiſtliche unterwerffen/ ſo da auß
einem Verdruß dem GOttes-Dienſt ſich zu entziehen/ Gewonheit machen.
Gleich wie nun der jenige fuͤr einen unverſchaͤmbten Menſchen zu halten iſt/
welcher das angefaugene Geſpraͤch mit ſeinem GOtt und Herren frevent-
lich zertrennet; alſo kan ſelbiger die Perſohn deß Verraͤthers Judæ, ſo da
vom Nachtmahl deß Herren zeitlicher iſt auffgeſtanden und darvon gangen/
am beſten vertretten.
Hiſtoria.
15. Wohl und abermahl wohl hat dan der H. Pachomius in ſeiner Regul
verordnet/ daß keiner ohne Erlaubnuß auß dem Chor gehe. Dieweilen
aber die Oberen von dieſem Geſetz befreyet ſeynd/ in dem ſie von keinem
Crlaubnuß begehren moͤgen; geſchichts wohl/ daß ſelbige nach ihrem belie-
ben zum GOttes-Dienſt ab und zugehen: deren Urtheil bey der Goͤtt-
lichen Rechnungs-Cammer ſich dermahlen eins finden wird; wie auß folgen-
der Hiſtori zu ſehen iſt. Coſmas à S. Martino iſt geweſen ein Novitzen-
Meiſter bey den Capucineren; nachdem er geſtorben/ iſt er dem P. Vincentio
An-
Bouet.
1592.
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Zitationshilfe: | Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/489>, abgerufen am 16.07.2024. |