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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Vom Geistlichen Stand.
grössere Freud und Vergnügen seines Hertzens empfinde/ als die Welt-Kin-
der in allen ihren Wollüsten und Ergetzlichkeiten. Dahero sagt der H. Ber-Serm. de
de De-
dic.
Temp.

nardus/ die weltliche Leut sehen unsere Creutzer; sie sehen aber unsere Salbun-
gen und unsern Trost nicht. Sie sehen die Schärffe deß eusserlichen Habits/
die blosse Füß/ die bleiche Gesichter: sie sehen aber nit die innerliche Salbung.
Da man hingegen an ihnen sehet die Salbung/ die eusserliche Freuden/ die
delicate und schleckerhaffte Speisen/ die weiche und gemächliche Better/ die
kostbare und zarte Kleydungen: man siehet aber an ihnen nicht allzeit die in-
nerliche Stich deß Hertzens/ die grosse Forcht der Rechenschafft/ so dem höch-
sten Richter muß gegeben werden; die immerwährende Sorgen/ die grosse
Angst der Seelen/ den Greuel deß Tods und andere dergleichen. Jhr habt
nun erfahren/ sagt er zu seinen Geistlichen; und wisset/ daß unser Creutz war-
lich gesalbet/ und daß durch die Gnad deß helffenden Geists/ unsere Buß süß
und annemblich/ und also zu sagen/ unsere allersüsseste Bitterkeit seye.

11. Daß aber dieses in aller Warheit also beschaffen seye/ bezeugt uns dieHieron.
Plat. de
stat. Rel.
L. 3. c. 16.
Historia.

folgende Histori. Rabaudus ein Fürst in Franckreich ist durch ein herrlichs
Miracul zum H. Cistertzienser Orden beruffen worden: da selbigem nun die
Schärffe deß geistlichen Lebens schwär gefallen/ dieweilen er in der Welt de-
licater erzogen worden/ hat ihm der Prälat einige bessere Speisen absonderlich
reichen lassen. Es hat sich aber einsmals zugetragen/ da er mit seinen Mit-
Brüdern zu Tisch gesessen/ und selbige nur mit trocknem Brod und Bonnen
gespeiset worden. Jn währender dieser Mahlzeit hat er gesehen/ daß zwey alte
Männer/ deren einer mit glantzendem und kahlen Haupt/ zwey Schlüsse-
len am Hals: der ander in geistlichem Habit/ eine Crystallene Büchs in der
Hand getragen/ in dem Refectorio herumb gangen/ und einem jeden geist-
lichen eine Speiß auß der Büchsen vorgelegt haben; ihn aber/ nemblich den
Rabaudum seynd sie vorbey gangen/ und haben selbigen nur allein ernstlich
und zörnig angesehen. Rabaudus aber hat sich erkühnet/ auß seines bey sich
sitzenden geistlichen Bruders Schüßlein diese vorgelegte Speiß zu versu-
chen; und hat erfahren/ daß er die Tagseines Lebens so angenehme Speiß
niemahlen gessen habe. Da ihm nun solches widerfahren/ hat er dem Prälaten
den Verlauff dieses Gesichts erzehlet; und darauff von selbigem verstanden/
daß dieser bey der Alten einer der H. Petrus/ als ein Patron; der ander aber der
H. Honoratus, als ein Stiffter deß Gottes-Hausses gewesen. Es hat auch der
Prälat hinzugesetzt/ daß ihme/ dem Rabaudo derhalben die Speiß von denen
Alten nicht seye vorgelegt worden/ dieweilen er in der allgemeinen Strenge
mit den andern zu leben sich weigere. Nachdem dieses Rabaudus gehöret/ hat
er sich vestiglich vorgenommen/ aller Schärffe deß Ordens sich mit andern
zu unterwerffen; und hat in der That befunden/ daß die vorhin vermeinte

uner-
J i i 2

Vom Geiſtlichen Stand.
groͤſſere Freud und Vergnuͤgen ſeines Hertzens empfinde/ als die Welt-Kin-
der in allen ihren Wolluͤſten und Ergetzlichkeiten. Dahero ſagt der H. Ber-Serm. de
de De-
dic.
Temp.

nardus/ die weltliche Leut ſehen unſere Creutzer; ſie ſehen aber unſere Salbun-
gen und unſern Troſt nicht. Sie ſehen die Schaͤrffe deß euſſerlichen Habits/
die bloſſe Fuͤß/ die bleiche Geſichter: ſie ſehen aber nit die innerliche Salbung.
Da man hingegen an ihnen ſehet die Salbung/ die euſſerliche Freuden/ die
delicate und ſchleckerhaffte Speiſen/ die weiche und gemaͤchliche Better/ die
koſtbare und zarte Kleydungen: man ſiehet aber an ihnen nicht allzeit die in-
nerliche Stich deß Hertzens/ die groſſe Forcht der Rechenſchafft/ ſo dem hoͤch-
ſten Richter muß gegeben werden; die immerwaͤhrende Sorgen/ die groſſe
Angſt der Seelen/ den Greuel deß Tods und andere dergleichen. Jhr habt
nun erfahren/ ſagt er zu ſeinen Geiſtlichen; und wiſſet/ daß unſer Creutz war-
lich geſalbet/ und daß durch die Gnad deß helffenden Geiſts/ unſere Buß ſuͤß
und annemblich/ und alſo zu ſagen/ unſere allerſuͤſſeſte Bitterkeit ſeye.

11. Daß aber dieſes in aller Warheit alſo beſchaffen ſeye/ bezeugt uns dieHieron.
Plat. de
ſtat. Rel.
L. 3. c. 16.
Hiſtoria.

folgende Hiſtori. Rabaudus ein Fuͤrſt in Franckreich iſt durch ein herrlichs
Miracul zum H. Ciſtertzienſer Orden beruffen worden: da ſelbigem nun die
Schaͤrffe deß geiſtlichen Lebens ſchwaͤr gefallen/ dieweilen er in der Welt de-
licater erzogen worden/ hat ihm der Praͤlat einige beſſere Speiſen abſonderlich
reichen laſſen. Es hat ſich aber einsmals zugetragen/ da er mit ſeinen Mit-
Bruͤdern zu Tiſch geſeſſen/ und ſelbige nur mit trocknem Brod und Bonnen
geſpeiſet worden. Jn waͤhrender dieſer Mahlzeit hat er geſehen/ daß zwey alte
Maͤnner/ deren einer mit glantzendem und kahlen Haupt/ zwey Schluͤſſe-
len am Hals: der ander in geiſtlichem Habit/ eine Cryſtallene Buͤchs in der
Hand getragen/ in dem Refectorio herumb gangen/ und einem jeden geiſt-
lichen eine Speiß auß der Buͤchſen vorgelegt haben; ihn aber/ nemblich den
Rabaudum ſeynd ſie vorbey gangen/ und haben ſelbigen nur allein ernſtlich
und zoͤrnig angeſehen. Rabaudus aber hat ſich erkuͤhnet/ auß ſeines bey ſich
ſitzenden geiſtlichen Bruders Schuͤßlein dieſe vorgelegte Speiß zu verſu-
chen; und hat erfahren/ daß er die Tagſeines Lebens ſo angenehme Speiß
niemahlen geſſen habe. Da ihm nun ſolches widerfahren/ hat er dem Praͤlaten
den Verlauff dieſes Geſichts erzehlet; und darauff von ſelbigem verſtanden/
daß dieſer bey der Alten einer der H. Petrus/ als ein Patron; der ander aber der
H. Honoratus, als ein Stiffter deß Gottes-Hauſſes geweſen. Es hat auch der
Praͤlat hinzugeſetzt/ daß ihme/ dem Rabaudo derhalben die Speiß von denen
Alten nicht ſeye vorgelegt worden/ dieweilen er in der allgemeinen Strenge
mit den andern zu leben ſich weigere. Nachdem dieſes Rabaudus gehoͤret/ hat
er ſich veſtiglich vorgenommen/ aller Schaͤrffe deß Ordens ſich mit andern
zu unterwerffen; und hat in der That befunden/ daß die vorhin vermeinte

uner-
J i i 2
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[435/0463] Vom Geiſtlichen Stand. groͤſſere Freud und Vergnuͤgen ſeines Hertzens empfinde/ als die Welt-Kin- der in allen ihren Wolluͤſten und Ergetzlichkeiten. Dahero ſagt der H. Ber- nardus/ die weltliche Leut ſehen unſere Creutzer; ſie ſehen aber unſere Salbun- gen und unſern Troſt nicht. Sie ſehen die Schaͤrffe deß euſſerlichen Habits/ die bloſſe Fuͤß/ die bleiche Geſichter: ſie ſehen aber nit die innerliche Salbung. Da man hingegen an ihnen ſehet die Salbung/ die euſſerliche Freuden/ die delicate und ſchleckerhaffte Speiſen/ die weiche und gemaͤchliche Better/ die koſtbare und zarte Kleydungen: man ſiehet aber an ihnen nicht allzeit die in- nerliche Stich deß Hertzens/ die groſſe Forcht der Rechenſchafft/ ſo dem hoͤch- ſten Richter muß gegeben werden; die immerwaͤhrende Sorgen/ die groſſe Angſt der Seelen/ den Greuel deß Tods und andere dergleichen. Jhr habt nun erfahren/ ſagt er zu ſeinen Geiſtlichen; und wiſſet/ daß unſer Creutz war- lich geſalbet/ und daß durch die Gnad deß helffenden Geiſts/ unſere Buß ſuͤß und annemblich/ und alſo zu ſagen/ unſere allerſuͤſſeſte Bitterkeit ſeye. Serm. de de De- dic. Temp. 11. Daß aber dieſes in aller Warheit alſo beſchaffen ſeye/ bezeugt uns die folgende Hiſtori. Rabaudus ein Fuͤrſt in Franckreich iſt durch ein herrlichs Miracul zum H. Ciſtertzienſer Orden beruffen worden: da ſelbigem nun die Schaͤrffe deß geiſtlichen Lebens ſchwaͤr gefallen/ dieweilen er in der Welt de- licater erzogen worden/ hat ihm der Praͤlat einige beſſere Speiſen abſonderlich reichen laſſen. Es hat ſich aber einsmals zugetragen/ da er mit ſeinen Mit- Bruͤdern zu Tiſch geſeſſen/ und ſelbige nur mit trocknem Brod und Bonnen geſpeiſet worden. Jn waͤhrender dieſer Mahlzeit hat er geſehen/ daß zwey alte Maͤnner/ deren einer mit glantzendem und kahlen Haupt/ zwey Schluͤſſe- len am Hals: der ander in geiſtlichem Habit/ eine Cryſtallene Buͤchs in der Hand getragen/ in dem Refectorio herumb gangen/ und einem jeden geiſt- lichen eine Speiß auß der Buͤchſen vorgelegt haben; ihn aber/ nemblich den Rabaudum ſeynd ſie vorbey gangen/ und haben ſelbigen nur allein ernſtlich und zoͤrnig angeſehen. Rabaudus aber hat ſich erkuͤhnet/ auß ſeines bey ſich ſitzenden geiſtlichen Bruders Schuͤßlein dieſe vorgelegte Speiß zu verſu- chen; und hat erfahren/ daß er die Tagſeines Lebens ſo angenehme Speiß niemahlen geſſen habe. Da ihm nun ſolches widerfahren/ hat er dem Praͤlaten den Verlauff dieſes Geſichts erzehlet; und darauff von ſelbigem verſtanden/ daß dieſer bey der Alten einer der H. Petrus/ als ein Patron; der ander aber der H. Honoratus, als ein Stiffter deß Gottes-Hauſſes geweſen. Es hat auch der Praͤlat hinzugeſetzt/ daß ihme/ dem Rabaudo derhalben die Speiß von denen Alten nicht ſeye vorgelegt worden/ dieweilen er in der allgemeinen Strenge mit den andern zu leben ſich weigere. Nachdem dieſes Rabaudus gehoͤret/ hat er ſich veſtiglich vorgenommen/ aller Schaͤrffe deß Ordens ſich mit andern zu unterwerffen; und hat in der That befunden/ daß die vorhin vermeinte uner- Hieron. Plat. de ſtat. Rel. L. 3. c. 16. Hiſtoria. J i i 2

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/463>, abgerufen am 22.11.2024.