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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Drey und Dreyssigste Geistliche Lection
einem andern Geschlecht seyn/ als gethan hat die seelige Clara vom Berg
Falcone auß unserm heiligen Orden: diese/ so offt sie mit einem andern/ wer
es wäre/ redete/ bedeckte allezeit die Augen/ damit sie dessen Gesicht nit sehete/
sie konte auch niemahls darzu gebracht werden/ daß sie nur mit ihrem leibli-
chen Bruder/ der auch geistlich gewesen/ mit entdecktem Gesicht/ und von der
Erden erhobenen Augen redete/ und pflegte zu sagen; sie gebrauchte die Au-
gen nicht zum Reden/ sondern die Zunge allein. Eben dieses vermahnet auch
der Hönig süsse Bernardus/ sagend: du solst niemahls eines andern Gesicht
stäts anschawen. Es ist endlich der vollkommenste Grad in dieser Abtod-
tung/ die Augen nicht von der Erden erheben/ ohne heilige Sachen anzuschen/
oder allein das jenige/ welches man auß gewisser Noth ansehen muß: und
weilen dieser Grad vollkommener ist/ als andere/ deßwegen ist er auch schwe-
rer: doch nutzet er von vielen Heiligen ins Werck gesetzet: denen unser See-
ligmacher mit Exempel vorgeleuchtet: dann als er das Brod segnen wolte/
hube er seine Augen auff/ welches nach deß ehrwürdigen Bedae Zeugnüß der
Evangelist deßwegen so absonderlich gedacht hat/ damit er anzeigete/ daß er
nicht gewohnt gewesen/ die Augen hin und wieder zu wenden/ S. Bernardus
hat vor allen dem Seeligmacher als ein Lehr - Jünger dem Meister ge-
folget/ welcher der Abtödtung der Augen also ist ergeben gewesen/ daß/ ob er
wohl auffs fleissigste in der Kirchen und seiner Zell war/ er doch nach eines
gantzen Jahrs Verlauffung nicht wuste/ ob diese Zelle gewölbt wäre/ oder
obs nur ein eingebogenes Holtz hätte? und ob in der Kirch nur ein Fenster
allein/ oder aber mehr wären? Als er auch einsmahls fast einen gantzen Teg
neben einem Fluß reisete/ und deß Abends seine Gefehrten von diesem Was-
ser reden hörete/ hat er sich über die zusammen redende sehr verwundert/ und
geläugnet/ daß er die See gesehen hätte/ und nicht wissete/ wessen Sees
sie gedachten. Diesem war nicht ungleich der Abt Palladius, welcher
zwantzig gantzer Jahr in seiner Zellen die Augen niemahls empor gehebt/
also daß er den obersten theil der Zellen angesehen/ ob er gewölbt oder mit ei-
nem gebogenen Holtz geschlossen. Diesem kan der ehrwürdige P. Thomas
Sanchez,
ein gar gelehrter und dabey ein heiliger Mann/ zugesetzet
werden/ welcher allezeit mit auff die Erden nieder geschlagenen Augen
einher gegangen/ oder am Tisch gesessen/ also daß er weder den Bey-
sitzenden/ noch den Dienenden erkennet: als er einsmahls von den Pre-
diger - Patern durchs Closter geführt worden/ lobte er zwar alles/
damit sie es nicht mercketen/ er hatte aber allezeit die Augen zuge-
schlossen.

16. So

Die Drey und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
einem andern Geſchlecht ſeyn/ als gethan hat die ſeelige Clara vom Berg
Falcone auß unſerm heiligen Orden: dieſe/ ſo offt ſie mit einem andern/ wer
es waͤre/ redete/ bedeckte allezeit die Augen/ damit ſie deſſen Geſicht nit ſehete/
ſie konte auch niemahls darzu gebracht werden/ daß ſie nur mit ihrem leibli-
chen Bruder/ der auch geiſtlich geweſen/ mit entdecktem Geſicht/ und von der
Erden erhobenen Augen redete/ und pflegte zu ſagen; ſie gebrauchte die Au-
gen nicht zum Reden/ ſondern die Zunge allein. Eben dieſes vermahnet auch
der Hoͤnig ſuͤſſe Bernardus/ ſagend: du ſolſt niemahls eines andern Geſicht
ſtaͤts anſchawen. Es iſt endlich der vollkommenſte Grad in dieſer Abtod-
tung/ die Augen nicht von der Erden erheben/ ohne heilige Sachen anzuſchen/
oder allein das jenige/ welches man auß gewiſſer Noth anſehen muß: und
weilen dieſer Grad vollkommener iſt/ als andere/ deßwegen iſt er auch ſchwe-
rer: doch nutzet er von vielen Heiligen ins Werck geſetzet: denen unſer See-
ligmacher mit Exempel vorgeleuchtet: dann als er das Brod ſegnen wolte/
hube er ſeine Augen auff/ welches nach deß ehrwuͤrdigen Bedæ Zeugnuͤß der
Evangeliſt deßwegen ſo abſonderlich gedacht hat/ damit er anzeigete/ daß er
nicht gewohnt geweſen/ die Augen hin und wieder zu wenden/ S. Bernardus
hat vor allen dem Seeligmacher als ein Lehr - Juͤnger dem Meiſter ge-
folget/ welcher der Abtoͤdtung der Augen alſo iſt ergeben geweſen/ daß/ ob er
wohl auffs fleiſſigſte in der Kirchen und ſeiner Zell war/ er doch nach eines
gantzen Jahrs Verlauffung nicht wuſte/ ob dieſe Zelle gewoͤlbt waͤre/ oder
obs nur ein eingebogenes Holtz haͤtte? und ob in der Kirch nur ein Fenſter
allein/ oder aber mehr waͤren? Als er auch einsmahls faſt einen gantzen Teg
neben einem Fluß reiſete/ und deß Abends ſeine Gefehrten von dieſem Waſ-
ſer reden hoͤrete/ hat er ſich uͤber die zuſammen redende ſehr verwundert/ und
gelaͤugnet/ daß er die See geſehen haͤtte/ und nicht wiſſete/ weſſen Sees
ſie gedachten. Dieſem war nicht ungleich der Abt Palladius, welcher
zwantzig gantzer Jahr in ſeiner Zellen die Augen niemahls empor gehebt/
alſo daß er den oberſten theil der Zellen angeſehen/ ob er gewoͤlbt oder mit ei-
nem gebogenen Holtz geſchloſſen. Dieſem kan der ehrwuͤrdige P. Thomas
Sanchez,
ein gar gelehrter und dabey ein heiliger Mann/ zugeſetzet
werden/ welcher allezeit mit auff die Erden nieder geſchlagenen Augen
einher gegangen/ oder am Tiſch geſeſſen/ alſo daß er weder den Bey-
ſitzenden/ noch den Dienenden erkennet: als er einsmahls von den Pre-
diger - Patern durchs Cloſter gefuͤhrt worden/ lobte er zwar alles/
damit ſie es nicht mercketen/ er hatte aber allezeit die Augen zuge-
ſchloſſen.

16. So
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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/440>, abgerufen am 22.11.2024.