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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Vom gutem Exempel.

Jm übrigen/ als der Mörder sich lüstig sättigte/ satzte sich auff der Erden
der Geistliche auß Befehl deß Abts darbey/ und nahme seine Speiß in
Gegenwart deß Gasts zu sich/ welches alles nichts als ein wenig Brod und
Wasser war. Als nun der Mörder diese Weiß hart zu sitzen und sparsam
zu essen gesehen/ hat er nicht unterlassen zu fragen/ was dann die Ursach wä-
re/ daß er sich so abtödete/ villeicht hastu einmahl einen Menschen um-
gebracht/ villeicht hastn nun deinen Lüsten gefolget/ oder hast dich mit Ehe-
brüchen ergetzet/ und andere Ehe-Bette und Ehe besudelt/ daß du nun mit
elenden Weitzen täglich dich erhalten muß? deme der Geistliche bescheident-
lich geantwortet: GOtt verhüte es/ daß mir ein solches Laster bewust seyn
solte/ aber in dieser Buß und Casteyung deß Leibs übe ich mich deßwegen/
damit ich im Todt einen gnädigen GOtt haben möge. Mit diesem Wort
ist der Mörder so durchstochen worden/ daß er ist in sich gangen/ und hat mit
tieffen Seuffzen gesagt: ich aber der aller gottloseste Mensch/ welcher so
viel Diebstahl/ so viel Raub/ so viel Ehebrüche und Todtschläge begangen/
daß sie nicht zu zehlen seynd/ hab mich niemahls von Speisen enthalten/ und
weiß auch nicht/ was Hunger leyden oder sich mit Hunger abtödten sey; ich
hab mich allezeit mit kostbahren Speisen gesättiget/ wie will ich dann den
mit so vielen schwähren Sünden beleidigten GOtt gnädig haben? Wehe
mir allerelendesten! Als er dieses gesagt/ ist er zum Abt gelauffen/ und hat
sich für seinen Füssen niedergeworffen/ und mit vielen Thränen benetzet
gebetten/ daß er hinführo nicht anders als die andere München mögte tra-
ctiret werden/ ja wenig darnach hat er seinen Leib so abgetödtet/ daß er die
andern alle mit dem Fasten übertraffe/ und der durchs Exempel ist gebessert
worden/ ist ein Exempel worden deren/ die gebessert werden solten.

5. Hierauß dann leicht zu schliessen ist/ was für Kräfften ein gutes Ex-Surius in
Vita.

empel habe. Damit aber diese Warheit befestiget werde/ wil ich ein anders
darbey setzen. Als einsmals der H. Bischoff Narcissus bey Afra/ eine
Hur/ ungefehr eingekehret/ hat sie also bald/ weil sie gemeinet er wäre
Schand- Thaten halber gekommen/ ein gutes Abendmahl zurichten lassen/
mit hurischem Geschmück sich gezieret/ und zu schändlichen Wercken
bereitet. Als der H. Bischoff ferner Speise zu nehmen gegangen war/ und
erstlich sich mit dem gantzen Leib/ Gesicht und Augen zum Gebett bereitete/
ist die Hur durch dieses Exempel also bewegt worden/ daß sie sich alsobald
zu seinen Füssen niedergeworffen/ und die Sünd ihrer Unverschambheit
gebeichtet hat/ und nachdem sie hernach heilig gelebt/ ist sie mit dem Mar-
ters-Kräntzlein sambt dreyen Mägdlein gekröhnet worden. Es ist dero-

wegen
D d d 3
Vom gutem Exempel.

Jm uͤbrigen/ als der Moͤrder ſich luͤſtig ſaͤttigte/ ſatzte ſich auff der Erden
der Geiſtliche auß Befehl deß Abts darbey/ und nahme ſeine Speiß in
Gegenwart deß Gaſts zu ſich/ welches alles nichts als ein wenig Brod und
Waſſer war. Als nun der Moͤrder dieſe Weiß hart zu ſitzen und ſparſam
zu eſſen geſehen/ hat er nicht unterlaſſen zu fragen/ was dann die Urſach waͤ-
re/ daß er ſich ſo abtoͤdete/ villeicht haſtu einmahl einen Menſchen um-
gebracht/ villeicht haſtn nun deinen Luͤſten gefolget/ oder haſt dich mit Ehe-
bruͤchen ergetzet/ und andere Ehe-Bette und Ehe beſudelt/ daß du nun mit
elenden Weitzen taͤglich dich erhalten muß? deme der Geiſtliche beſcheident-
lich geantwortet: GOtt verhuͤte es/ daß mir ein ſolches Laſter bewuſt ſeyn
ſolte/ aber in dieſer Buß und Caſteyung deß Leibs uͤbe ich mich deßwegen/
damit ich im Todt einen gnaͤdigen GOtt haben moͤge. Mit dieſem Wort
iſt der Moͤrder ſo durchſtochen worden/ daß er iſt in ſich gangen/ und hat mit
tieffen Seuffzen geſagt: ich aber der aller gottloſeſte Menſch/ welcher ſo
viel Diebſtahl/ ſo viel Raub/ ſo viel Ehebruͤche und Todtſchlaͤge begangen/
daß ſie nicht zu zehlen ſeynd/ hab mich niemahls von Speiſen enthalten/ und
weiß auch nicht/ was Hunger leyden oder ſich mit Hunger abtoͤdten ſey; ich
hab mich allezeit mit koſtbahren Speiſen geſaͤttiget/ wie will ich dann den
mit ſo vielen ſchwaͤhren Suͤnden beleidigten GOtt gnaͤdig haben? Wehe
mir allerelendeſten! Als er dieſes geſagt/ iſt er zum Abt gelauffen/ und hat
ſich fuͤr ſeinen Fuͤſſen niedergeworffen/ und mit vielen Thraͤnen benetzet
gebetten/ daß er hinfuͤhro nicht anders als die andere Muͤnchen moͤgte tra-
ctiret werden/ ja wenig darnach hat er ſeinen Leib ſo abgetoͤdtet/ daß er die
andern alle mit dem Faſten uͤbertraffe/ und der durchs Exempel iſt gebeſſert
worden/ iſt ein Exempel worden deren/ die gebeſſert werden ſolten.

5. Hierauß dann leicht zu ſchlieſſen iſt/ was fuͤr Kraͤfften ein gutes Ex-Surius in
Vita.

empel habe. Damit aber dieſe Warheit befeſtiget werde/ wil ich ein anders
darbey ſetzen. Als einsmals der H. Biſchoff Narciſſus bey Afra/ eine
Hur/ ungefehr eingekehret/ hat ſie alſo bald/ weil ſie gemeinet er waͤre
Schand- Thaten halber gekommen/ ein gutes Abendmahl zurichten laſſen/
mit huriſchem Geſchmuͤck ſich gezieret/ und zu ſchaͤndlichen Wercken
bereitet. Als der H. Biſchoff ferner Speiſe zu nehmen gegangen war/ und
erſtlich ſich mit dem gantzen Leib/ Geſicht und Augen zum Gebett bereitete/
iſt die Hur durch dieſes Exempel alſo bewegt worden/ daß ſie ſich alſobald
zu ſeinen Fuͤſſen niedergeworffen/ und die Suͤnd ihrer Unverſchambheit
gebeichtet hat/ und nachdem ſie hernach heilig gelebt/ iſt ſie mit dem Mar-
ters-Kraͤntzlein ſambt dreyen Maͤgdlein gekroͤhnet worden. Es iſt dero-

wegen
D d d 3
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[397/0425] Vom gutem Exempel. Jm uͤbrigen/ als der Moͤrder ſich luͤſtig ſaͤttigte/ ſatzte ſich auff der Erden der Geiſtliche auß Befehl deß Abts darbey/ und nahme ſeine Speiß in Gegenwart deß Gaſts zu ſich/ welches alles nichts als ein wenig Brod und Waſſer war. Als nun der Moͤrder dieſe Weiß hart zu ſitzen und ſparſam zu eſſen geſehen/ hat er nicht unterlaſſen zu fragen/ was dann die Urſach waͤ- re/ daß er ſich ſo abtoͤdete/ villeicht haſtu einmahl einen Menſchen um- gebracht/ villeicht haſtn nun deinen Luͤſten gefolget/ oder haſt dich mit Ehe- bruͤchen ergetzet/ und andere Ehe-Bette und Ehe beſudelt/ daß du nun mit elenden Weitzen taͤglich dich erhalten muß? deme der Geiſtliche beſcheident- lich geantwortet: GOtt verhuͤte es/ daß mir ein ſolches Laſter bewuſt ſeyn ſolte/ aber in dieſer Buß und Caſteyung deß Leibs uͤbe ich mich deßwegen/ damit ich im Todt einen gnaͤdigen GOtt haben moͤge. Mit dieſem Wort iſt der Moͤrder ſo durchſtochen worden/ daß er iſt in ſich gangen/ und hat mit tieffen Seuffzen geſagt: ich aber der aller gottloſeſte Menſch/ welcher ſo viel Diebſtahl/ ſo viel Raub/ ſo viel Ehebruͤche und Todtſchlaͤge begangen/ daß ſie nicht zu zehlen ſeynd/ hab mich niemahls von Speiſen enthalten/ und weiß auch nicht/ was Hunger leyden oder ſich mit Hunger abtoͤdten ſey; ich hab mich allezeit mit koſtbahren Speiſen geſaͤttiget/ wie will ich dann den mit ſo vielen ſchwaͤhren Suͤnden beleidigten GOtt gnaͤdig haben? Wehe mir allerelendeſten! Als er dieſes geſagt/ iſt er zum Abt gelauffen/ und hat ſich fuͤr ſeinen Fuͤſſen niedergeworffen/ und mit vielen Thraͤnen benetzet gebetten/ daß er hinfuͤhro nicht anders als die andere Muͤnchen moͤgte tra- ctiret werden/ ja wenig darnach hat er ſeinen Leib ſo abgetoͤdtet/ daß er die andern alle mit dem Faſten uͤbertraffe/ und der durchs Exempel iſt gebeſſert worden/ iſt ein Exempel worden deren/ die gebeſſert werden ſolten. 5. Hierauß dann leicht zu ſchlieſſen iſt/ was fuͤr Kraͤfften ein gutes Ex- empel habe. Damit aber dieſe Warheit befeſtiget werde/ wil ich ein anders darbey ſetzen. Als einsmals der H. Biſchoff Narciſſus bey Afra/ eine Hur/ ungefehr eingekehret/ hat ſie alſo bald/ weil ſie gemeinet er waͤre Schand- Thaten halber gekommen/ ein gutes Abendmahl zurichten laſſen/ mit huriſchem Geſchmuͤck ſich gezieret/ und zu ſchaͤndlichen Wercken bereitet. Als der H. Biſchoff ferner Speiſe zu nehmen gegangen war/ und erſtlich ſich mit dem gantzen Leib/ Geſicht und Augen zum Gebett bereitete/ iſt die Hur durch dieſes Exempel alſo bewegt worden/ daß ſie ſich alſobald zu ſeinen Fuͤſſen niedergeworffen/ und die Suͤnd ihrer Unverſchambheit gebeichtet hat/ und nachdem ſie hernach heilig gelebt/ iſt ſie mit dem Mar- ters-Kraͤntzlein ſambt dreyen Maͤgdlein gekroͤhnet worden. Es iſt dero- wegen Surius in Vita. D d d 3

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/425>, abgerufen am 22.11.2024.