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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Zwey und Dreyssigste Geistliche Lection
Specul.
Exempl.
dist. 9 ex-
empl. 46.
Historia.
man mit dieser Histori beweisen kan. Ein Abt so den Nahmen eines Heiligen
hatte/ als er offt gehöret/ daß an einem Orth viele Todtschläge begangen
würden/ und daß kein Reisender dar sicher durch kommen könte/ ja auch daß
allda der allergrausambste Haubt und Führer der Mörder wohnete/ deßwegen
hat der Abt kostbahre Kleider angelegt/ ist auff ein herrliches Pferd gesessen/
und hat zu dem Orth/ in welchem so viel Mordthaten geschehen/ geeilet: der
geistliche Mann ist kaum zu dem Ort kommen/ die Räuber waren also bald da/
welche den gefangenen Gast zu ihrem Haubt führen: als der Abt für dessen Ge-
sicht kommen/ hat er gefragt/ was er wolte/ und warumb sie an ihn die Hände
gelegt hätten? dem der Mörder geantwortet/ er wolte sein Pferd und seine Klei-
der haben/ und wo er ihm diese nicht geschwind geben würde/ wolte er mit den-
selben ihm auch das Leben abnehmen: der Abt/ wie er eines lüstigen und Leut-
seeligen Gemüts war/ sagt; du begehrst von mir eine billige Sache/ weil diese
Ding nicht allein Gott zugehören/ sondern auch in der That gemein seynd/
deßwegen/ weil ich sie nun viele Jahre gebraucht habe/ achte ichs für das bil-
ligste/ daß du sie jetzund auch gebrauchest: dann so werden sie warhafftig ge-
mein/ wann mans Wechsel weiß gebrauchet: Jm übrigen möchte ich dieß
gar gern wissen/ auff welche Weiß du das Kleid gebrauchen wollest/ weilen
es sich gantz nicht schicket/ daß du ein solch Kleid tragest: über diese einfältige
Antwort hat der Mörder gelachet; und gesagt/ man kan verkauffen/ was man
nicht tragen kan: also ernehre ich mich und mein Geschlecht. Darüber hat
der Abt geseufftzet und gesagt: Mein Sohn/ was thuest du? warumb/ bitte
ich dich/ suchest du mit solcher grossen Arbeit anderst nichts als Speiß und
Tranck/ und wenig Tücher/ mit welchen du gekleidet wirst: wann es nur
umb die Kost und Kleidung zu thun ist/ siehe ich lade dich ein/ ich will dich in
mein Hauß führen/ und alles dieses umbsonst geben: der Mörder aber
hat gesagt/ daß er sich bedancke/ dann sein Magen wäre zu den Bohnen
nicht gewohnet: der Abt sprach wieder zu ihm: komme mit mir/ ich
verspreche dirstheuer/ daß ich dir die außerlesenste Speisen von Fleisch und
Fisch vorsetzen wolle/ auch ein delicates Brod/ und köstliche Weine geben/
es solle auch ein weiches Feder-Bett nicht mangeln. Dardurch ist der Mör-
der von dem Abt überwunden worden/ und ist ihm als ein Wolff einem
Schaaff gefolget: daher hat der Abt den Mörder in ein groß Gemach gefüh-
ret/ hat ihme einen gewissen auß seinen Geistlichen verordnet/ welcher als ein
leibeigener Knecht ihm auffs fleissigste dienete: dan er machte ihm das Bett/
kehrte die Kammer auß/ und brachte ihm zu gewissen Zeiten Wein und treff-
lich zugerichtete Speisen.

Jm

Die Zwey und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
Specul.
Exempl.
diſt. 9 ex-
empl. 46.
Hiſtoria.
man mit dieſer Hiſtori beweiſen kan. Ein Abt ſo den Nahmen eines Heiligen
hatte/ als er offt gehoͤret/ daß an einem Orth viele Todtſchlaͤge begangen
wuͤrden/ und daß kein Reiſender dar ſicher durch kommen koͤnte/ ja auch daß
allda der allergrauſambſte Haubt und Fuͤhrer der Moͤrder wohnete/ deßwegen
hat der Abt koſtbahre Kleider angelegt/ iſt auff ein herrliches Pferd geſeſſen/
und hat zu dem Orth/ in welchem ſo viel Mordthaten geſchehen/ geeilet: der
geiſtliche Mann iſt kaum zu dem Ort kom̃en/ die Raͤuber waren alſo bald da/
welche den gefangenẽ Gaſt zu ihrem Haubt fuͤhren: als der Abt fuͤr deſſen Ge-
ſicht kommen/ hat er gefragt/ was er wolte/ und warumb ſie an ihn die Haͤnde
gelegt haͤttẽ? dem der Moͤrder geantwortet/ er wolte ſein Pferd und ſeine Klei-
der haben/ und wo er ihm dieſe nicht geſchwind geben wuͤrde/ wolte er mit den-
ſelben ihm auch das Leben abnehmen: der Abt/ wie er eines luͤſtigen und Leut-
ſeeligen Gemuͤts war/ ſagt; du begehrſt von mir eine billige Sache/ weil dieſe
Ding nicht allein Gott zugehoͤren/ ſondern auch in der That gemein ſeynd/
deßwegen/ weil ich ſie nun viele Jahre gebraucht habe/ achte ichs fuͤr das bil-
ligſte/ daß du ſie jetzund auch gebraucheſt: dann ſo werden ſie warhafftig ge-
mein/ wann mans Wechſel weiß gebrauchet: Jm uͤbrigen moͤchte ich dieß
gar gern wiſſen/ auff welche Weiß du das Kleid gebrauchen wolleſt/ weilen
es ſich gantz nicht ſchicket/ daß du ein ſolch Kleid trageſt: uͤber dieſe einfaͤltige
Antwort hat der Moͤrder gelachet; und geſagt/ man kan verkauffen/ was man
nicht tragen kan: alſo ernehre ich mich und mein Geſchlecht. Daruͤber hat
der Abt geſeufftzet und geſagt: Mein Sohn/ was thueſt du? warumb/ bitte
ich dich/ ſucheſt du mit ſolcher groſſen Arbeit anderſt nichts als Speiß und
Tranck/ und wenig Tuͤcher/ mit welchen du gekleidet wirſt: wann es nur
umb die Koſt und Kleidung zu thun iſt/ ſiehe ich lade dich ein/ ich will dich in
mein Hauß fuͤhren/ und alles dieſes umbſonſt geben: der Moͤrder aber
hat geſagt/ daß er ſich bedancke/ dann ſein Magen waͤre zu den Bohnen
nicht gewohnet: der Abt ſprach wieder zu ihm: komme mit mir/ ich
verſpreche dirstheuer/ daß ich dir die außerleſenſte Speiſen von Fleiſch und
Fiſch vorſetzen wolle/ auch ein delicates Brod/ und koͤſtliche Weine geben/
es ſolle auch ein weiches Feder-Bett nicht mangeln. Dardurch iſt der Moͤr-
der von dem Abt uͤberwunden worden/ und iſt ihm als ein Wolff einem
Schaaff gefolget: daher hat der Abt den Moͤrder in ein groß Gemach gefuͤh-
ret/ hat ihme einen gewiſſen auß ſeinen Geiſtlichen verordnet/ welcher als ein
leibeigener Knecht ihm auffs fleiſſigſte dienete: dan er machte ihm das Bett/
kehrte die Kammer auß/ und brachte ihm zu gewiſſen Zeiten Wein und treff-
lich zugerichtete Speiſen.

Jm
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[396/0424] Die Zwey und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection man mit dieſer Hiſtori beweiſen kan. Ein Abt ſo den Nahmen eines Heiligen hatte/ als er offt gehoͤret/ daß an einem Orth viele Todtſchlaͤge begangen wuͤrden/ und daß kein Reiſender dar ſicher durch kommen koͤnte/ ja auch daß allda der allergrauſambſte Haubt und Fuͤhrer der Moͤrder wohnete/ deßwegen hat der Abt koſtbahre Kleider angelegt/ iſt auff ein herrliches Pferd geſeſſen/ und hat zu dem Orth/ in welchem ſo viel Mordthaten geſchehen/ geeilet: der geiſtliche Mann iſt kaum zu dem Ort kom̃en/ die Raͤuber waren alſo bald da/ welche den gefangenẽ Gaſt zu ihrem Haubt fuͤhren: als der Abt fuͤr deſſen Ge- ſicht kommen/ hat er gefragt/ was er wolte/ und warumb ſie an ihn die Haͤnde gelegt haͤttẽ? dem der Moͤrder geantwortet/ er wolte ſein Pferd und ſeine Klei- der haben/ und wo er ihm dieſe nicht geſchwind geben wuͤrde/ wolte er mit den- ſelben ihm auch das Leben abnehmen: der Abt/ wie er eines luͤſtigen und Leut- ſeeligen Gemuͤts war/ ſagt; du begehrſt von mir eine billige Sache/ weil dieſe Ding nicht allein Gott zugehoͤren/ ſondern auch in der That gemein ſeynd/ deßwegen/ weil ich ſie nun viele Jahre gebraucht habe/ achte ichs fuͤr das bil- ligſte/ daß du ſie jetzund auch gebraucheſt: dann ſo werden ſie warhafftig ge- mein/ wann mans Wechſel weiß gebrauchet: Jm uͤbrigen moͤchte ich dieß gar gern wiſſen/ auff welche Weiß du das Kleid gebrauchen wolleſt/ weilen es ſich gantz nicht ſchicket/ daß du ein ſolch Kleid trageſt: uͤber dieſe einfaͤltige Antwort hat der Moͤrder gelachet; und geſagt/ man kan verkauffen/ was man nicht tragen kan: alſo ernehre ich mich und mein Geſchlecht. Daruͤber hat der Abt geſeufftzet und geſagt: Mein Sohn/ was thueſt du? warumb/ bitte ich dich/ ſucheſt du mit ſolcher groſſen Arbeit anderſt nichts als Speiß und Tranck/ und wenig Tuͤcher/ mit welchen du gekleidet wirſt: wann es nur umb die Koſt und Kleidung zu thun iſt/ ſiehe ich lade dich ein/ ich will dich in mein Hauß fuͤhren/ und alles dieſes umbſonſt geben: der Moͤrder aber hat geſagt/ daß er ſich bedancke/ dann ſein Magen waͤre zu den Bohnen nicht gewohnet: der Abt ſprach wieder zu ihm: komme mit mir/ ich verſpreche dirstheuer/ daß ich dir die außerleſenſte Speiſen von Fleiſch und Fiſch vorſetzen wolle/ auch ein delicates Brod/ und koͤſtliche Weine geben/ es ſolle auch ein weiches Feder-Bett nicht mangeln. Dardurch iſt der Moͤr- der von dem Abt uͤberwunden worden/ und iſt ihm als ein Wolff einem Schaaff gefolget: daher hat der Abt den Moͤrder in ein groß Gemach gefuͤh- ret/ hat ihme einen gewiſſen auß ſeinen Geiſtlichen verordnet/ welcher als ein leibeigener Knecht ihm auffs fleiſſigſte dienete: dan er machte ihm das Bett/ kehrte die Kammer auß/ und brachte ihm zu gewiſſen Zeiten Wein und treff- lich zugerichtete Speiſen. Specul. Exempl. diſt. 9 ex- empl. 46. Hiſtoria. Jm

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/424>, abgerufen am 22.11.2024.