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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Acht und Zwantzigste Geistliche Lection
ner Jüngling gezeiget/ der ihn mit diesen Worten angeredet: Wann ich
dich einer höhern Ehr/ und viel grösseren Freuden versicherte/ woltestu mir
wohl folgen? Jch will dir folgen/ sagt der Bräutigamb/ wann deinen Wor-
ten zu glauben ist. Der Engel in Gestalt eines Jünglings antwortet/ und
sagt: Jch verspreche und verpfände dir die himmlische Freuden/ und ewig-
währende Herrligkeit/ wann du diesen irrdischen Wollüsten mit einem he-
roischen Gemüth den Rucken kehren wilst. Der vermählte Fürst ist so bald
mit dem Werck als mit den Worten fertig/ folget dem Engel nach/ und ver-
spricht ihm/ daß er von ihm nicht weichen wolle. Nimbt auch von allen seinen
Schätzen nichts/ als ein höltzenes Trinck-Geschirr mit sich/ und folget dem
vorgehenden vermeinten Jüngling mit Freuden auff dem Fuß nach; von
dem er in eine sehr wilde/ und von den Menschen weit abgelegene Wüsten ge-
führt/ und ihm befohlen worden/ daß er alda verbleiben/ dem Dienst GOttes/
und dem Heyl seiner Seeln obligen/ und im übrigen für nichts sorgen solte.
Nach empfangenem solchen Befelch/ und Verschwindung deß Engels/
sangt der neue Einsidler ein frommes/ und mehr Englisch/ als menschliches
Leben an/ in dem er mit unauffhörlichem Gebett/ mit stetem Fasten und an-
dern sehr strengen Buß-Wercken sich der Göttlichen Majestät zu einem
außerwählten Diener/ und angenehmen Freund auffopffert. Jn diesem sei-
nem Gottseeligen Wandel fallen ihm einsmahls die Gedancken ein; wer
ihm doch an der Belohnung/ so er wegen seines strengen Lebens von Gott
zu hoffen hatte/ mögte gleich geschätzet werden? der Fürwitz treibt ihn auch
so weit/ daß er solches von GOtt zu vernehmen sich erkühnet; und bekombt
folgends von selbigem zur Antwort/ daß ihm der Bischoff zu Cölln in der Be-
lohnung werde gleich gehalten werden. Dieses kombt meinem guten Eremi-
ten seltzsamb vor/ daß er nicht grösseren Lohn/ als ein Bischoff/ der da in al-
lem Uberfluß lebte/ empfangen solte: begehrt derhalben/ GOtt mögte ihm die-
sen Bischoff zeigen: welches dann auch durch den obbemeldten Engel/ durch
dem er vormahln in die Wüsten geführet/ werckstellig gemacht worden. Da
nun der Einsidler in der Stadt Cölln auff einem Festag deß Bischoffs ge-
haltenes hohes Ambt angehöret/ und nachgehends demselben in seine Hoff-
Stadt gefolget; sicht er/ daß selbiger zum Mittag-Mahl einige vornehme der
Stadt/ an einer/ mit allerhand kostbahren Speisen besetzten Taffel tractiret.
Hierüber entsetzt sich mein guter Einsidler/ und gedenckt bey ihm selbst: soll
ich dann bey meinem GOtt nicht besser stehen/ als dieser Bischoff/ der ich
nichts hab/ als ein eintziges hültzernes verächtliches Trinck - Geschirr? der
ich mit einem Stücklein harten Brods/ und mit ungesaltzenen und unge-
schmackigen Kräutern zur Noth den Hunger stille? der ich in Fasten/ Bet-

ten/

Die Acht und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
ner Juͤngling gezeiget/ der ihn mit dieſen Worten angeredet: Wann ich
dich einer hoͤhern Ehr/ und viel groͤſſeren Freuden verſicherte/ wolteſtu mir
wohl folgen? Jch will dir folgen/ ſagt der Braͤutigamb/ wann deinen Wor-
ten zu glauben iſt. Der Engel in Geſtalt eines Juͤnglings antwortet/ und
ſagt: Jch verſpreche und verpfaͤnde dir die himmliſche Freuden/ und ewig-
waͤhrende Herrligkeit/ wann du dieſen irrdiſchen Wolluͤſten mit einem he-
roiſchen Gemuͤth den Rucken kehren wilſt. Der vermaͤhlte Fuͤrſt iſt ſo bald
mit dem Werck als mit den Worten fertig/ folget dem Engel nach/ und ver-
ſpricht ihm/ daß er von ihm nicht weichen wolle. Nimbt auch von allen ſeinen
Schaͤtzen nichts/ als ein hoͤltzenes Trinck-Geſchirr mit ſich/ und folget dem
vorgehenden vermeinten Juͤngling mit Freuden auff dem Fuß nach; von
dem er in eine ſehr wilde/ und von den Menſchen weit abgelegene Wuͤſten ge-
fuͤhrt/ und ihm befohlen worden/ daß er alda verbleiben/ dem Dienſt GOttes/
und dem Heyl ſeiner Seeln obligen/ und im uͤbrigen fuͤr nichts ſorgen ſolte.
Nach empfangenem ſolchen Befelch/ und Verſchwindung deß Engels/
ſangt der neue Einſidler ein frommes/ und mehr Engliſch/ als menſchliches
Leben an/ in dem er mit unauffhoͤrlichem Gebett/ mit ſtetem Faſten und an-
dern ſehr ſtrengen Buß-Wercken ſich der Goͤttlichen Majeſtaͤt zu einem
außerwaͤhlten Diener/ und angenehmen Freund auffopffert. Jn dieſem ſei-
nem Gottſeeligen Wandel fallen ihm einsmahls die Gedancken ein; wer
ihm doch an der Belohnung/ ſo er wegen ſeines ſtrengen Lebens von Gott
zu hoffen hatte/ moͤgte gleich geſchaͤtzet werden? der Fuͤrwitz treibt ihn auch
ſo weit/ daß er ſolches von GOtt zu vernehmen ſich erkuͤhnet; und bekombt
folgends von ſelbigem zur Antwort/ daß ihm der Biſchoff zu Coͤlln in der Be-
lohnung werde gleich gehalten werden. Dieſes kombt meinem guten Eremi-
ten ſeltzſamb vor/ daß er nicht groͤſſeren Lohn/ als ein Biſchoff/ der da in al-
lem Uberfluß lebte/ empfangen ſolte: begehrt derhalben/ GOtt moͤgte ihm die-
ſen Biſchoff zeigen: welches dann auch durch den obbemeldten Engel/ durch
dem er vormahln in die Wuͤſten gefuͤhret/ werckſtellig gemacht worden. Da
nun der Einſidler in der Stadt Coͤlln auff einem Feſtag deß Biſchoffs ge-
haltenes hohes Ambt angehoͤret/ und nachgehends demſelben in ſeine Hoff-
Stadt gefolget; ſicht er/ daß ſelbiger zum Mittag-Mahl einige vornehme der
Stadt/ an einer/ mit allerhand koſtbahren Speiſen beſetzten Taffel tractiret.
Hieruͤber entſetzt ſich mein guter Einſidler/ und gedenckt bey ihm ſelbſt: ſoll
ich dann bey meinem GOtt nicht beſſer ſtehen/ als dieſer Biſchoff/ der ich
nichts hab/ als ein eintziges huͤltzernes veraͤchtliches Trinck - Geſchirr? der
ich mit einem Stuͤcklein harten Brods/ und mit ungeſaltzenen und unge-
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[358/0386] Die Acht und Zwantzigſte Geiſtliche Lection ner Juͤngling gezeiget/ der ihn mit dieſen Worten angeredet: Wann ich dich einer hoͤhern Ehr/ und viel groͤſſeren Freuden verſicherte/ wolteſtu mir wohl folgen? Jch will dir folgen/ ſagt der Braͤutigamb/ wann deinen Wor- ten zu glauben iſt. Der Engel in Geſtalt eines Juͤnglings antwortet/ und ſagt: Jch verſpreche und verpfaͤnde dir die himmliſche Freuden/ und ewig- waͤhrende Herrligkeit/ wann du dieſen irrdiſchen Wolluͤſten mit einem he- roiſchen Gemuͤth den Rucken kehren wilſt. Der vermaͤhlte Fuͤrſt iſt ſo bald mit dem Werck als mit den Worten fertig/ folget dem Engel nach/ und ver- ſpricht ihm/ daß er von ihm nicht weichen wolle. Nimbt auch von allen ſeinen Schaͤtzen nichts/ als ein hoͤltzenes Trinck-Geſchirr mit ſich/ und folget dem vorgehenden vermeinten Juͤngling mit Freuden auff dem Fuß nach; von dem er in eine ſehr wilde/ und von den Menſchen weit abgelegene Wuͤſten ge- fuͤhrt/ und ihm befohlen worden/ daß er alda verbleiben/ dem Dienſt GOttes/ und dem Heyl ſeiner Seeln obligen/ und im uͤbrigen fuͤr nichts ſorgen ſolte. Nach empfangenem ſolchen Befelch/ und Verſchwindung deß Engels/ ſangt der neue Einſidler ein frommes/ und mehr Engliſch/ als menſchliches Leben an/ in dem er mit unauffhoͤrlichem Gebett/ mit ſtetem Faſten und an- dern ſehr ſtrengen Buß-Wercken ſich der Goͤttlichen Majeſtaͤt zu einem außerwaͤhlten Diener/ und angenehmen Freund auffopffert. Jn dieſem ſei- nem Gottſeeligen Wandel fallen ihm einsmahls die Gedancken ein; wer ihm doch an der Belohnung/ ſo er wegen ſeines ſtrengen Lebens von Gott zu hoffen hatte/ moͤgte gleich geſchaͤtzet werden? der Fuͤrwitz treibt ihn auch ſo weit/ daß er ſolches von GOtt zu vernehmen ſich erkuͤhnet; und bekombt folgends von ſelbigem zur Antwort/ daß ihm der Biſchoff zu Coͤlln in der Be- lohnung werde gleich gehalten werden. Dieſes kombt meinem guten Eremi- ten ſeltzſamb vor/ daß er nicht groͤſſeren Lohn/ als ein Biſchoff/ der da in al- lem Uberfluß lebte/ empfangen ſolte: begehrt derhalben/ GOtt moͤgte ihm die- ſen Biſchoff zeigen: welches dann auch durch den obbemeldten Engel/ durch dem er vormahln in die Wuͤſten gefuͤhret/ werckſtellig gemacht worden. Da nun der Einſidler in der Stadt Coͤlln auff einem Feſtag deß Biſchoffs ge- haltenes hohes Ambt angehoͤret/ und nachgehends demſelben in ſeine Hoff- Stadt gefolget; ſicht er/ daß ſelbiger zum Mittag-Mahl einige vornehme der Stadt/ an einer/ mit allerhand koſtbahren Speiſen beſetzten Taffel tractiret. Hieruͤber entſetzt ſich mein guter Einſidler/ und gedenckt bey ihm ſelbſt: ſoll ich dann bey meinem GOtt nicht beſſer ſtehen/ als dieſer Biſchoff/ der ich nichts hab/ als ein eintziges huͤltzernes veraͤchtliches Trinck - Geſchirr? der ich mit einem Stuͤcklein harten Brods/ und mit ungeſaltzenen und unge- ſchmackigen Kraͤutern zur Noth den Hunger ſtille? der ich in Faſten/ Bet- ten/

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/386>, abgerufen am 24.11.2024.