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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von der guten Meynung.
gen zu späth auffthun/ und ihre Unglückseligkeit und Blindheit umbsonst be-
weinen und sagen: O wir armselige! wir haben zwar die gantze Nacht
unseres Lebens gearbeitet; wir haben offt und viel geschwitzet; wir haben
unzahlbare Trübsalen außgestanden; und was haben wir gefangen? ach
leider! nichts. Wir haben zwar ein Creutz getragen/ aber nicht wie Chri-
stus das seinige; sondern wie der Simon Cyrenaeus, ein frembdes/ weilen
wir mit einer guten und wahren Intention zu arbeiten versaumet haben: so
seynd dann billig all unsere Werck in den Wind geflogen. Damit es dir/
mein Christliche Seel/ nicht also ergehe/ und du nichts fangest; so fahre
du nach dem Befelch CHristi in die Höhe; daß ist/ steige mit deiner Mei-
nung zu GOTT/ so wirst du einen grossen Fisch-Fang der ewigen Beloh-
nungs Reichthumben thun.

Der Andere Theil.

6. WEilen aber uns in allen Tugenden unterschiedliche Staffelen und
Wirckungen durch die erfahrne Schul-Meister der Christ-Ca-
tholischen Kirchen gezeigt werden/ als könte auch einer allhier
fragen: Welche die fürtrefflichste Wirckung der guten Meinung seye? deme
wir zur Antwort geben/ daß diese die fürnehmste Wirckung seye/ wann wir
eintzig und allein das Lob GOttes/ und dessen Willen zu vollbringen/ nicht
aber unsern Nutzen suchen. Dahero der himmlische Lehr-Meister einsmals
zu seiner Jüngerin Gertrudis sagte: Jch wolte daß meine Außerwählte dar-Blos. in
mon.
spir. c.
3.

für hielten/ daß ihre gute Werck und Ubungen mir zumahlen gefallen/ wann
sie mir auff ihre Kösten dienen. Die jenige aber dienen auff ihre
Kösten/ welche/ ob sie schon den Geschmack der Andacht nicht
empfinden; dannoch ihr Gebett und andere mir gefällige Werck so trewlich
verrichten/ als sie können; und haben das Vertrawen auff meine Gütigkeit/
daß ich sothane ihre Ubungen gern annehme. Derhalben ermahnet der
gottselige Thomas a Kempis in der Persohn Christi einen jeden/ und sagt:
Mein Sohn/ du must noch viel lernen/ daß du nochL. 3. c. 11.
§. 1.

nicht wohl gelernet hast: daß ist/ daß du dein Ver-
langen gantz in mein Wohlgefallen setzest/ und nicht
dich selbst lieb habest; sondern meines Willens ein hertz-
licher Liebhaber und Nachfolger seyest.
Du must in deinem
Gebett und andern geistlichen Ubungen dein eigene Tröstung nit suchen;
sondern auff die Ehr und Lob GOTTES dein Absehen haben; damit
nemblich der Will Gottes geschehe zumahlen hieran die göttliche Majestät
ein überauß grosses Wolgefallen hat/ wie der glaubwürdige und andächtige

Eusebius
Y y 2

Von der guten Meynung.
gen zu ſpaͤth auffthun/ und ihre Ungluͤckſeligkeit und Blindheit umbſonſt be-
weinen und ſagen: O wir armſelige! wir haben zwar die gantze Nacht
unſeres Lebens gearbeitet; wir haben offt und viel geſchwitzet; wir haben
unzahlbare Truͤbſalen außgeſtanden; und was haben wir gefangen? ach
leider! nichts. Wir haben zwar ein Creutz getragen/ aber nicht wie Chri-
ſtus das ſeinige; ſondern wie der Simon Cyrenæus, ein frembdes/ weilen
wir mit einer guten und wahren Intention zu arbeiten verſaumet haben: ſo
ſeynd dann billig all unſere Werck in den Wind geflogen. Damit es dir/
mein Chriſtliche Seel/ nicht alſo ergehe/ und du nichts fangeſt; ſo fahre
du nach dem Befelch CHriſti in die Hoͤhe; daß iſt/ ſteige mit deiner Mei-
nung zu GOTT/ ſo wirſt du einen groſſen Fiſch-Fang der ewigen Beloh-
nungs Reichthumben thun.

Der Andere Theil.

6. WEilen aber uns in allen Tugenden unterſchiedliche Staffelen und
Wirckungen durch die erfahrne Schul-Meiſter der Chriſt-Ca-
tholiſchen Kirchen gezeigt werden/ als koͤnte auch einer allhier
fragen: Welche die fuͤrtrefflichſte Wirckung der guten Meinung ſeye? deme
wir zur Antwort geben/ daß dieſe die fuͤrnehmſte Wirckung ſeye/ wann wir
eintzig und allein das Lob GOttes/ und deſſen Willen zu vollbringen/ nicht
aber unſern Nutzen ſuchen. Dahero der himmliſche Lehr-Meiſter einsmals
zu ſeiner Juͤngerin Gertrudis ſagte: Jch wolte daß meine Außerwaͤhlte dar-Bloſ. in
mon.
ſpir. c.
3.

fuͤr hielten/ daß ihre gute Werck und Ubungen mir zumahlen gefallen/ wann
ſie mir auff ihre Koͤſten dienen. Die jenige aber dienen auff ihre
Koͤſten/ welche/ ob ſie ſchon den Geſchmack der Andacht nicht
empfinden; dannoch ihr Gebett und andere mir gefaͤllige Werck ſo trewlich
verrichten/ als ſie koͤnnen; und haben das Vertrawen auff meine Guͤtigkeit/
daß ich ſothane ihre Ubungen gern annehme. Derhalben ermahnet der
gottſelige Thomas à Kempis in der Perſohn Chriſti einen jeden/ und ſagt:
Mein Sohn/ du muſt noch viel lernen/ daß du nochL. 3. c. 11.
§. 1.

nicht wohl gelernet haſt: daß iſt/ daß du dein Ver-
langen gantz in mein Wohlgefallen ſetzeſt/ und nicht
dich ſelbſt lieb habeſt; ſondern meines Willens ein hertz-
licher Liebhaber und Nachfolger ſeyeſt.
Du muſt in deinem
Gebett und andern geiſtlichen Ubungen dein eigene Troͤſtung nit ſuchen;
ſondern auff die Ehr und Lob GOTTES dein Abſehen haben; damit
nemblich der Will Gottes geſchehe zumahlen hieran die goͤttliche Majeſtaͤt
ein uͤberauß groſſes Wolgefallen hat/ wie der glaubwuͤrdige und andaͤchtige

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[355/0383] Von der guten Meynung. gen zu ſpaͤth auffthun/ und ihre Ungluͤckſeligkeit und Blindheit umbſonſt be- weinen und ſagen: O wir armſelige! wir haben zwar die gantze Nacht unſeres Lebens gearbeitet; wir haben offt und viel geſchwitzet; wir haben unzahlbare Truͤbſalen außgeſtanden; und was haben wir gefangen? ach leider! nichts. Wir haben zwar ein Creutz getragen/ aber nicht wie Chri- ſtus das ſeinige; ſondern wie der Simon Cyrenæus, ein frembdes/ weilen wir mit einer guten und wahren Intention zu arbeiten verſaumet haben: ſo ſeynd dann billig all unſere Werck in den Wind geflogen. Damit es dir/ mein Chriſtliche Seel/ nicht alſo ergehe/ und du nichts fangeſt; ſo fahre du nach dem Befelch CHriſti in die Hoͤhe; daß iſt/ ſteige mit deiner Mei- nung zu GOTT/ ſo wirſt du einen groſſen Fiſch-Fang der ewigen Beloh- nungs Reichthumben thun. Der Andere Theil. 6. WEilen aber uns in allen Tugenden unterſchiedliche Staffelen und Wirckungen durch die erfahrne Schul-Meiſter der Chriſt-Ca- tholiſchen Kirchen gezeigt werden/ als koͤnte auch einer allhier fragen: Welche die fuͤrtrefflichſte Wirckung der guten Meinung ſeye? deme wir zur Antwort geben/ daß dieſe die fuͤrnehmſte Wirckung ſeye/ wann wir eintzig und allein das Lob GOttes/ und deſſen Willen zu vollbringen/ nicht aber unſern Nutzen ſuchen. Dahero der himmliſche Lehr-Meiſter einsmals zu ſeiner Juͤngerin Gertrudis ſagte: Jch wolte daß meine Außerwaͤhlte dar- fuͤr hielten/ daß ihre gute Werck und Ubungen mir zumahlen gefallen/ wann ſie mir auff ihre Koͤſten dienen. Die jenige aber dienen auff ihre Koͤſten/ welche/ ob ſie ſchon den Geſchmack der Andacht nicht empfinden; dannoch ihr Gebett und andere mir gefaͤllige Werck ſo trewlich verrichten/ als ſie koͤnnen; und haben das Vertrawen auff meine Guͤtigkeit/ daß ich ſothane ihre Ubungen gern annehme. Derhalben ermahnet der gottſelige Thomas à Kempis in der Perſohn Chriſti einen jeden/ und ſagt: Mein Sohn/ du muſt noch viel lernen/ daß du noch nicht wohl gelernet haſt: daß iſt/ daß du dein Ver- langen gantz in mein Wohlgefallen ſetzeſt/ und nicht dich ſelbſt lieb habeſt; ſondern meines Willens ein hertz- licher Liebhaber und Nachfolger ſeyeſt. Du muſt in deinem Gebett und andern geiſtlichen Ubungen dein eigene Troͤſtung nit ſuchen; ſondern auff die Ehr und Lob GOTTES dein Abſehen haben; damit nemblich der Will Gottes geſchehe zumahlen hieran die goͤttliche Majeſtaͤt ein uͤberauß groſſes Wolgefallen hat/ wie der glaubwuͤrdige und andaͤchtige Euſebius Bloſ. in mon. ſpir. c. 3. L. 3. c. 11. §. 1. Y y 2

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/383>, abgerufen am 24.11.2024.