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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Acht und Zwantzigste Geistliche Lection
wenden/ wann er einen Stecken hätte/ mit dem er die Steine in Go lt ver än
dern könte/ denselben zu bewahren. Jndem nun die gute Meinung derglei-
chen Wirckung an sich hat/ daß sie all unser Thun und Lassen in lauter Golt
der Verdiensten verwandele/ soll man dann nicht mit allem Ernst daran seyn/
daß man selbige zu allen/ oder jedoch zu den fürnehmsten Wercken hervor zie-
he? hast du nit offt war genommen/ daß die jenige/ so nach dem Zeichen schies-
sen/ nicht ehender loßbrennen/ biß sie mit einem Aug/ durch das Visier das Zei-
chen erreicht haben? Also solstu in allen Begebenheiten deine Meinung zu
Gott/ als deinem eintzigen Ziel unabläßlich richten; weilen er dieses von dir
erfordert: und gleich wie/ nach Zeugnüß deß H. Bernardi/ die Schönheit deß
S Bern.
in Sent.
Menschen im Angesicht bestehet: also kommet die Zierde aller Wirckungen
der Seelen/ auß der In ention oder Meinung her. Dahero sagt der GOtt-
liebende David: Alle Herrligkeit der Tochter deß Königs ist
Psal. 44.
v.
4.
inwendig. Zu diesem unserm Vorhaben pflegte die H. Maria Magda-
lena de Pazzis
zu sagen. Wann ich wüste/ daß ich durch ein eintziges Wort/
welches ich zu einem andern End/ als meinem Gott zu lieb/ reden solte: wans
schon nicht sündhafft wäre: zu einem Seraph n könte gemacht werden: so
wolt ichs doch nimmer reden. Dieses lerete sie auch ihren geistlichen Mitschwe-
stern; und damit sie diese Lehr nicht vergessen mögen/ fragte sie ihre unterha-
bende Kinder offtmahl und unvermuthlich/ warumb sie dieses oder jenes thä-
ten oder redeten? Wann sie vermercket/ daß ihre Geistliche ungefehr/ oder
auß Gewonheit/ ohne übernatürliche Inten[s]ion ihre Werck verrichteten;
redete sie ihnen mit diesen Worten zu: siehet ihr nicht/ daß ihr den Verdienst
verliehret? Gott hat an solchen Diensten kein Gefallen.

5. Obwohl nun alle Geistliche und GOtt verlobte Persohnen vor andern
sich diese heylsame Ubung solten angelegen seyn lassen; so werden doch/ leider
GOttes! sehr viele gefunden/ so in derselben sehr nachlässig seynd/ und kaum
einmahl im Tag vor ihren Wercken ein gute Intention machen; sondern ih-
re Arbeit/ oder auß eytelem Ehr-Geitz/ oder auß Gewonheit/ oder mit Unbe-
dachtsamkeit/ und mit einem blinden und ungestümmen Eyffer verrichten.
diese können nicht uneben verglichen werden den blinden Rossen/ so da in der
Walckte oder Foll-Mühlen zwarn den gantzen Tag lauffen/ seynd aber am
Abend noch auff selbigem Orth/ weilen sie nur herumb gelauffen seynd. Al-
so seynd die jenige auch blind/ welche kein wahre Intention oder Meynung
machen: sie schreiten auch in den Tugenden nicht fort; dann sie arbeiten
alzeit an einem Orth/ daß ist/ sie wircken ohne gute Meinung.
Diese werden in Warheit an jenem Tag deß Hinscheidens ihre Au-

gen

Die Acht und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
wenden/ wann er einen Stecken haͤtte/ mit dem er die Steine in Go lt ver aͤn
dern koͤnte/ denſelben zu bewahren. Jndem nun die gute Meinung derglei-
chen Wirckung an ſich hat/ daß ſie all unſer Thun und Laſſen in lauter Golt
der Verdienſten verwandele/ ſoll man dann nicht mit allem Ernſt daran ſeyn/
daß man ſelbige zu allen/ oder jedoch zu den fuͤrnehmſten Wercken hervor zie-
he? haſt du nit offt war genommen/ daß die jenige/ ſo nach dem Zeichen ſchieſ-
ſen/ nicht ehender loßbrennen/ biß ſie mit einem Aug/ durch das Viſier das Zei-
chen erreicht haben? Alſo ſolſtu in allen Begebenheiten deine Meinung zu
Gott/ als deinem eintzigen Ziel unablaͤßlich richten; weilen er dieſes von dir
erfordert: und gleich wie/ nach Zeugnuͤß deß H. Bernardi/ die Schoͤnheit deß
S Bern.
in Sent.
Menſchen im Angeſicht beſtehet: alſo kommet die Zierde aller Wirckungen
der Seelen/ auß der In ention oder Meinung her. Dahero ſagt der GOtt-
liebende David: Alle Herrligkeit der Tochter deß Koͤnigs iſt
Pſal. 44.
v.
4.
inwendig. Zu dieſem unſerm Vorhaben pflegte die H. Maria Magda-
lena de Pazzis
zu ſagen. Wann ich wuͤſte/ daß ich durch ein eintziges Wort/
welches ich zu einem andern End/ als meinem Gott zu lieb/ reden ſolte: wans
ſchon nicht ſuͤndhafft waͤre: zu einem Seraph n koͤnte gemacht werden: ſo
wolt ichs doch nim̃er reden. Dieſes lerete ſie auch ihren geiſtlichen Mitſchwe-
ſtern; und damit ſie dieſe Lehr nicht vergeſſen moͤgen/ fragte ſie ihre unterha-
bende Kinder offtmahl und unvermuthlich/ warumb ſie dieſes oder jenes thaͤ-
ten oder redeten? Wann ſie vermercket/ daß ihre Geiſtliche ungefehr/ oder
auß Gewonheit/ ohne uͤbernatuͤrliche Inten[ſ]ion ihre Werck verrichteten;
redete ſie ihnen mit dieſen Worten zu: ſiehet ihr nicht/ daß ihr den Verdienſt
verliehret? Gott hat an ſolchen Dienſten kein Gefallen.

5. Obwohl nun alle Geiſtliche und GOtt verlobte Perſohnen vor andern
ſich dieſe heylſame Ubung ſolten angelegen ſeyn laſſen; ſo werden doch/ leider
GOttes! ſehr viele gefunden/ ſo in derſelben ſehr nachlaͤſſig ſeynd/ und kaum
einmahl im Tag vor ihren Wercken ein gute Intention machen; ſondern ih-
re Arbeit/ oder auß eytelem Ehr-Geitz/ oder auß Gewonheit/ oder mit Unbe-
dachtſamkeit/ und mit einem blinden und ungeſtuͤmmen Eyffer verrichten.
dieſe koͤnnen nicht uneben verglichen werden den blinden Roſſen/ ſo da in der
Walckte oder Foll-Muͤhlen zwarn den gantzen Tag lauffen/ ſeynd aber am
Abend noch auff ſelbigem Orth/ weilen ſie nur herumb gelauffen ſeynd. Al-
ſo ſeynd die jenige auch blind/ welche kein wahre Intention oder Meynung
machen: ſie ſchreiten auch in den Tugenden nicht fort; dann ſie arbeiten
alzeit an einem Orth/ daß iſt/ ſie wircken ohne gute Meinung.
Dieſe werden in Warheit an jenem Tag deß Hinſcheidens ihre Au-

gen
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[354/0382] Die Acht und Zwantzigſte Geiſtliche Lection wenden/ wann er einen Stecken haͤtte/ mit dem er die Steine in Go lt ver aͤn dern koͤnte/ denſelben zu bewahren. Jndem nun die gute Meinung derglei- chen Wirckung an ſich hat/ daß ſie all unſer Thun und Laſſen in lauter Golt der Verdienſten verwandele/ ſoll man dann nicht mit allem Ernſt daran ſeyn/ daß man ſelbige zu allen/ oder jedoch zu den fuͤrnehmſten Wercken hervor zie- he? haſt du nit offt war genommen/ daß die jenige/ ſo nach dem Zeichen ſchieſ- ſen/ nicht ehender loßbrennen/ biß ſie mit einem Aug/ durch das Viſier das Zei- chen erreicht haben? Alſo ſolſtu in allen Begebenheiten deine Meinung zu Gott/ als deinem eintzigen Ziel unablaͤßlich richten; weilen er dieſes von dir erfordert: und gleich wie/ nach Zeugnuͤß deß H. Bernardi/ die Schoͤnheit deß Menſchen im Angeſicht beſtehet: alſo kommet die Zierde aller Wirckungen der Seelen/ auß der In ention oder Meinung her. Dahero ſagt der GOtt- liebende David: Alle Herrligkeit der Tochter deß Koͤnigs iſt inwendig. Zu dieſem unſerm Vorhaben pflegte die H. Maria Magda- lena de Pazzis zu ſagen. Wann ich wuͤſte/ daß ich durch ein eintziges Wort/ welches ich zu einem andern End/ als meinem Gott zu lieb/ reden ſolte: wans ſchon nicht ſuͤndhafft waͤre: zu einem Seraph n koͤnte gemacht werden: ſo wolt ichs doch nim̃er reden. Dieſes lerete ſie auch ihren geiſtlichen Mitſchwe- ſtern; und damit ſie dieſe Lehr nicht vergeſſen moͤgen/ fragte ſie ihre unterha- bende Kinder offtmahl und unvermuthlich/ warumb ſie dieſes oder jenes thaͤ- ten oder redeten? Wann ſie vermercket/ daß ihre Geiſtliche ungefehr/ oder auß Gewonheit/ ohne uͤbernatuͤrliche Intenſion ihre Werck verrichteten; redete ſie ihnen mit dieſen Worten zu: ſiehet ihr nicht/ daß ihr den Verdienſt verliehret? Gott hat an ſolchen Dienſten kein Gefallen. S Bern. in Sent. Pſal. 44. v. 4. 5. Obwohl nun alle Geiſtliche und GOtt verlobte Perſohnen vor andern ſich dieſe heylſame Ubung ſolten angelegen ſeyn laſſen; ſo werden doch/ leider GOttes! ſehr viele gefunden/ ſo in derſelben ſehr nachlaͤſſig ſeynd/ und kaum einmahl im Tag vor ihren Wercken ein gute Intention machen; ſondern ih- re Arbeit/ oder auß eytelem Ehr-Geitz/ oder auß Gewonheit/ oder mit Unbe- dachtſamkeit/ und mit einem blinden und ungeſtuͤmmen Eyffer verrichten. dieſe koͤnnen nicht uneben verglichen werden den blinden Roſſen/ ſo da in der Walckte oder Foll-Muͤhlen zwarn den gantzen Tag lauffen/ ſeynd aber am Abend noch auff ſelbigem Orth/ weilen ſie nur herumb gelauffen ſeynd. Al- ſo ſeynd die jenige auch blind/ welche kein wahre Intention oder Meynung machen: ſie ſchreiten auch in den Tugenden nicht fort; dann ſie arbeiten alzeit an einem Orth/ daß iſt/ ſie wircken ohne gute Meinung. Dieſe werden in Warheit an jenem Tag deß Hinſcheidens ihre Au- gen

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/382>, abgerufen am 24.11.2024.