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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die erste Geistliche Lection
einer wegen allsolcher Begierde die Herrligkeit/ oder beyfällige Marter-
Cron nicht erlange (welche allein gegeben wird den jenigen/ so in der
That für CHristo sterben/ oder hätten sterben sollen/ wann sie durch
Allmacht GOttes nicht wären erhalten worden) so wird er doch ohne
allen Zweyffel der wesentlicher und führnembster Glory der Martyrer
oder Blut-Zeugen CHristi theilhafftig werden; und zwarn solcher/ die
er erlanget hätte/ wann er würcklich wäre getödtet worden. Diese
Warheit kan füglich und klärlich auß obangezogenem Grundvest bewie-
sen werden.

9. Endlich ist allhier zu mercken/ daß ein jeder reifflich erken-
nen müsse/ daß solche Glory und Herrligkeit nicht allen denen/ so eine
Begierd/ umb CHristi willen zu sterben/ erwecken/ mitgetheilet wer-
de; sondern denen allein/ die warhafftiglich und mit auffrichtigem Her-
tzen die Ehre GOttes zu vermehren ein Verlangen tragen. Ob aber
ein solches Verlangen auffrichtig seye/ kan auß zweyen Zeichen vermer-
cket werden. Erstlich/ wann einer sich unterstehet/ nicht allein die
tödtliche/ sondern auch die läßliche Sünden mit allem Ernst zu meiden.
Zweytens/ wann er alle Trübsahlen/ sie kommen her/ wo sie im-
mer wollen/ mit einem starcken und heroischem Gemüth überstehe. Der
diese Eygenschafften nicht an sich hat; wann er schon tausendmahl umb
GOttes-Willen zu sterben verlanget; wird ihm dennoch ein geringer
Verdienst zu Theil werden: dieweilen solche Begierd oder Will nicht
auffrichtig und vest; sondern nur ein blosse und nüchtere Willung ist/
die von dem sonst danckbahren GOtt nicht vergolten wird. Daß aber
diesem also seye; bin ich vorhabens im Verfolg dieser Lection zu bewei-
sen/ und sage daß/ gleich wie die Marter selbst in sich die vollkommen-
ste Erweckung der Liebe in der that selbsten begreiffet; also muß der Will
zu sterben/ damit er recht und auffrichtig seye/ dieselbige Erweckung
der Liebe in sich haben. Wann nun die Sünden zumahlen mit dieser
Liebe nicht zugleich stehen können; so folgt handgreifflich/ daß die Be-
gierd/ das Blut zu vergiessen/ nicht könne mit der Sünde stehen;
weilen solche Begierd mit derselbigen Liebe eine einschließliche Gemein-
schafft hat. Zweytens/ weilen die Marter das gröste und vornembste
Werck der Standhafftigkeit und ein Zeichen der Starekmütigkeit ist: und
erfolglich/ wer die schwähriste Sachen umb GOttes-Willen zu leyden
lust hat/ der muß auch starckmütiglich wagen die geringere und leichte-
re Bürden; als da seynd Versuchungen/ Verfolgungen/ Schmach-
Reden/ Hunger/ Durst/ und übrige/ so wohl deß Leibs als der See-

len

Die erſte Geiſtliche Lection
einer wegen allſolcher Begierde die Herrligkeit/ oder beyfaͤllige Marter-
Cron nicht erlange (welche allein gegeben wird den jenigen/ ſo in der
That fuͤr CHriſto ſterben/ oder haͤtten ſterben ſollen/ wann ſie durch
Allmacht GOttes nicht waͤren erhalten worden) ſo wird er doch ohne
allen Zweyffel der weſentlicher und fuͤhrnembſter Glory der Martyrer
oder Blut-Zeugen CHriſti theilhafftig werden; und zwarn ſolcher/ die
er erlanget haͤtte/ wann er wuͤrcklich waͤre getoͤdtet worden. Dieſe
Warheit kan fuͤglich und klaͤrlich auß obangezogenem Grundveſt bewie-
ſen werden.

9. Endlich iſt allhier zu mercken/ daß ein jeder reifflich erken-
nen muͤſſe/ daß ſolche Glory und Herrligkeit nicht allen denen/ ſo eine
Begierd/ umb CHriſti willen zu ſterben/ erwecken/ mitgetheilet wer-
de; ſondern denen allein/ die warhafftiglich und mit auffrichtigem Her-
tzen die Ehre GOttes zu vermehren ein Verlangen tragen. Ob aber
ein ſolches Verlangen auffrichtig ſeye/ kan auß zweyen Zeichen vermer-
cket werden. Erſtlich/ wann einer ſich unterſtehet/ nicht allein die
toͤdtliche/ ſondern auch die laͤßliche Suͤnden mit allem Ernſt zu meiden.
Zweytens/ wann er alle Truͤbſahlen/ ſie kommen her/ wo ſie im-
mer wollen/ mit einem ſtarcken und heroiſchem Gemuͤth uͤberſtehe. Der
dieſe Eygenſchafften nicht an ſich hat; wann er ſchon tauſendmahl umb
GOttes-Willen zu ſterben verlanget; wird ihm dennoch ein geringer
Verdienſt zu Theil werden: dieweilen ſolche Begierd oder Will nicht
auffrichtig und veſt; ſondern nur ein bloſſe und nuͤchtere Willung iſt/
die von dem ſonſt danckbahren GOtt nicht vergolten wird. Daß aber
dieſem alſo ſeye; bin ich vorhabens im Verfolg dieſer Lection zu bewei-
ſen/ und ſage daß/ gleich wie die Marter ſelbſt in ſich die vollkommen-
ſte Erweckung der Liebe in der that ſelbſten begreiffet; alſo muß der Will
zu ſterben/ damit er recht und auffrichtig ſeye/ dieſelbige Erweckung
der Liebe in ſich haben. Wann nun die Suͤnden zumahlen mit dieſer
Liebe nicht zugleich ſtehen koͤnnen; ſo folgt handgreifflich/ daß die Be-
gierd/ das Blut zu vergieſſen/ nicht koͤnne mit der Suͤnde ſtehen;
weilen ſolche Begierd mit derſelbigen Liebe eine einſchließliche Gemein-
ſchafft hat. Zweytens/ weilen die Marter das groͤſte und vornembſte
Werck der Standhafftigkeit und ein Zeichen der Starekmuͤtigkeit iſt: und
erfolglich/ wer die ſchwaͤhriſte Sachen umb GOttes-Willen zu leyden
luſt hat/ der muß auch ſtarckmuͤtiglich wagen die geringere und leichte-
re Buͤrden; als da ſeynd Verſuchungen/ Verfolgungen/ Schmach-
Reden/ Hunger/ Durſt/ und uͤbrige/ ſo wohl deß Leibs als der See-

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[10/0038] Die erſte Geiſtliche Lection einer wegen allſolcher Begierde die Herrligkeit/ oder beyfaͤllige Marter- Cron nicht erlange (welche allein gegeben wird den jenigen/ ſo in der That fuͤr CHriſto ſterben/ oder haͤtten ſterben ſollen/ wann ſie durch Allmacht GOttes nicht waͤren erhalten worden) ſo wird er doch ohne allen Zweyffel der weſentlicher und fuͤhrnembſter Glory der Martyrer oder Blut-Zeugen CHriſti theilhafftig werden; und zwarn ſolcher/ die er erlanget haͤtte/ wann er wuͤrcklich waͤre getoͤdtet worden. Dieſe Warheit kan fuͤglich und klaͤrlich auß obangezogenem Grundveſt bewie- ſen werden. 9. Endlich iſt allhier zu mercken/ daß ein jeder reifflich erken- nen muͤſſe/ daß ſolche Glory und Herrligkeit nicht allen denen/ ſo eine Begierd/ umb CHriſti willen zu ſterben/ erwecken/ mitgetheilet wer- de; ſondern denen allein/ die warhafftiglich und mit auffrichtigem Her- tzen die Ehre GOttes zu vermehren ein Verlangen tragen. Ob aber ein ſolches Verlangen auffrichtig ſeye/ kan auß zweyen Zeichen vermer- cket werden. Erſtlich/ wann einer ſich unterſtehet/ nicht allein die toͤdtliche/ ſondern auch die laͤßliche Suͤnden mit allem Ernſt zu meiden. Zweytens/ wann er alle Truͤbſahlen/ ſie kommen her/ wo ſie im- mer wollen/ mit einem ſtarcken und heroiſchem Gemuͤth uͤberſtehe. Der dieſe Eygenſchafften nicht an ſich hat; wann er ſchon tauſendmahl umb GOttes-Willen zu ſterben verlanget; wird ihm dennoch ein geringer Verdienſt zu Theil werden: dieweilen ſolche Begierd oder Will nicht auffrichtig und veſt; ſondern nur ein bloſſe und nuͤchtere Willung iſt/ die von dem ſonſt danckbahren GOtt nicht vergolten wird. Daß aber dieſem alſo ſeye; bin ich vorhabens im Verfolg dieſer Lection zu bewei- ſen/ und ſage daß/ gleich wie die Marter ſelbſt in ſich die vollkommen- ſte Erweckung der Liebe in der that ſelbſten begreiffet; alſo muß der Will zu ſterben/ damit er recht und auffrichtig ſeye/ dieſelbige Erweckung der Liebe in ſich haben. Wann nun die Suͤnden zumahlen mit dieſer Liebe nicht zugleich ſtehen koͤnnen; ſo folgt handgreifflich/ daß die Be- gierd/ das Blut zu vergieſſen/ nicht koͤnne mit der Suͤnde ſtehen; weilen ſolche Begierd mit derſelbigen Liebe eine einſchließliche Gemein- ſchafft hat. Zweytens/ weilen die Marter das groͤſte und vornembſte Werck der Standhafftigkeit und ein Zeichen der Starekmuͤtigkeit iſt: und erfolglich/ wer die ſchwaͤhriſte Sachen umb GOttes-Willen zu leyden luſt hat/ der muß auch ſtarckmuͤtiglich wagen die geringere und leichte- re Buͤrden; als da ſeynd Verſuchungen/ Verfolgungen/ Schmach- Reden/ Hunger/ Durſt/ und uͤbrige/ ſo wohl deß Leibs als der See- len

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/38>, abgerufen am 19.04.2024.