Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Fünff und zwantzigste Geistliche Lection
Der Vierdte Theil.

18. WJewohl du dir/ mein Christliche Seel/ auß der bißhero verzoge-
nen Lection in deinen Versuchungs-Streiten gnugsamb helf-
fen könnest; so will ich jedoch zu deinem weitern Vortheil noch
etwas weniges hinzusetzen: nemblich/ daß der jenige/ so in Versuchung ist/
sich hüte/ daß er wegen der einfallenden Versuchungen von seinen gewöhn-
lichen geistlichen Ubungen nichts unterlasse; sondern den heylsamen Rath
der Heil. Catharinae Senensis folge; die in einem Send-Schreiben also
Blosius
in Con
sol. Pusil.
c. 39. n.
3.
spricht: Jch bitte euch/ ihr wollet ja nicht nachlassen in den angefangenen gu-
ten Wercken fortzuschreiten; es mag euch der böse Feind mit seinen schwären
Versuchungen auch plagen/ wie er immer könne: dieser Bößwicht erwecket
verschiedene Kriege/ und befleisset sich sonderbahr der heimlichen Nachstel-
lungen und Betriegungen/ krafft derer er ewere Seelen zum Verdruß/ und
unordentliche Trawrigkeit; ja auch zur Verwirrung deß Gemüths/ und
zum Verzweifflungs-Fall stürtzen möge. Es ist gewiß/ daß wann schon ein
Mensch mit allen Sünden der Welt beladen wäre; so könten diese höllische
Geister doch nicht verhinderen/ daß er die Frucht und Verdiensten deß Bluts
CHristi theilhafftig werde; wofern bey solchem der wahre Glaub und Zu-
versicht zu der unendlichen Barmhertzigkeit GOttes verbleibe: weilen die
Sünd nur in einem bösen und verkehrten Willen bestehet; so muß der
Mensch/ indem er siehet/ daß ihm Gott einen guten Willen verliehen habe;
alle verwirrung deß Gemüts hindan setzen/ in den heiligen Wercken und U-
bungen verharren/ und im Liecht der Gnaden wandern/ die er in sich verbor-
gen findet/ als ein Gaab Gottes/ welcher den guten Willen in ihm zu erhal-
ten bereit ist: er muß dem leidigen Sathan/ wann er zur Verwirrung oder
Verzweifflung rathet/ antworten: wann ich mit der Gnade Gottes nicht
versehen wäre/ so hätte ich auch keinen guten Willen/ und würde deinem
verfluchten Rath leichtlich folgen: nun aber vertrawe ich auff meinen güti-
gen Heyland/ der mich allzeit beschützen/ und wegen seiner unbegreifflichen
Barmhertzigkeit erretten wird. Von dieser heiligen Jungfrawen lernen wir/
daß die Miltigkeit GOTTES über einen Menschen/ so eines
guten Willens ist/ sehr groß seye: auch sehen wir/ was ein gros-
se Gaab GOTTES seye der gute Will. Der nun in Versuchung
steckt/ soll mit allem Fleiß daran seyn/ daß er alle Traurigkeit deß Hertzen
vertreibe; immer und allzeit eine andächtige Neigung zu Gott bey sich

erhalte/
Die Fuͤnff und zwantzigſte Geiſtliche Lection
Der Vierdte Theil.

18. WJewohl du dir/ mein Chriſtliche Seel/ auß der bißhero verzoge-
nen Lection in deinen Verſuchungs-Streiten gnugſamb helf-
fen koͤnneſt; ſo will ich jedoch zu deinem weitern Vortheil noch
etwas weniges hinzuſetzen: nemblich/ daß der jenige/ ſo in Verſuchung iſt/
ſich huͤte/ daß er wegen der einfallenden Verſuchungen von ſeinen gewoͤhn-
lichen geiſtlichen Ubungen nichts unterlaſſe; ſondern den heylſamen Rath
der Heil. Catharinæ Senenſis folge; die in einem Send-Schreiben alſo
Bloſius
in Con
ſol. Puſil.
c. 39. n.
3.
ſpricht: Jch bitte euch/ ihr wollet ja nicht nachlaſſen in den angefangenen gu-
ten Wercken fortzuſchreiten; es mag euch der boͤſe Feind mit ſeinen ſchwaͤren
Verſuchungen auch plagen/ wie er immer koͤnne: dieſer Boͤßwicht erwecket
verſchiedene Kriege/ und befleiſſet ſich ſonderbahr der heimlichen Nachſtel-
lungen und Betriegungen/ krafft derer er ewere Seelen zum Verdruß/ und
unordentliche Trawrigkeit; ja auch zur Verwirrung deß Gemuͤths/ und
zum Verzweifflungs-Fall ſtuͤrtzen moͤge. Es iſt gewiß/ daß wann ſchon ein
Menſch mit allen Suͤnden der Welt beladen waͤre; ſo koͤnten dieſe hoͤlliſche
Geiſter doch nicht verhinderen/ daß er die Frucht und Verdienſten deß Bluts
CHriſti theilhafftig werde; wofern bey ſolchem der wahre Glaub und Zu-
verſicht zu der unendlichen Barmhertzigkeit GOttes verbleibe: weilen die
Suͤnd nur in einem boͤſen und verkehrten Willen beſtehet; ſo muß der
Menſch/ indem er ſiehet/ daß ihm Gott einen guten Willen verliehen habe;
alle verwirrung deß Gemuͤts hindan ſetzen/ in den heiligen Wercken und U-
bungen verharren/ und im Liecht der Gnaden wandern/ die er in ſich verbor-
gen findet/ als ein Gaab Gottes/ welcher den guten Willen in ihm zu erhal-
ten bereit iſt: er muß dem leidigen Sathan/ wann er zur Verwirrung oder
Verzweifflung rathet/ antworten: wann ich mit der Gnade Gottes nicht
verſehen waͤre/ ſo haͤtte ich auch keinen guten Willen/ und wuͤrde deinem
verfluchten Rath leichtlich folgen: nun aber vertrawe ich auff meinen guͤti-
gen Heyland/ der mich allzeit beſchuͤtzen/ und wegen ſeiner unbegreifflichen
Barmhertzigkeit erretten wird. Von dieſer heiligen Jungfrawen lernen wir/
daß die Miltigkeit GOTTES uͤber einen Menſchen/ ſo eines
guten Willens iſt/ ſehr groß ſeye: auch ſehen wir/ was ein groſ-
ſe Gaab GOTTES ſeye der gute Will. Der nun in Verſuchung
ſteckt/ ſoll mit allem Fleiß daran ſeyn/ daß er alle Traurigkeit deß Hertzen
vertreibe; immer und allzeit eine andaͤchtige Neigung zu Gott bey ſich

erhalte/
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0350" n="322"/>
        <fw place="top" type="header">Die Fu&#x0364;nff und zwantzig&#x017F;te Gei&#x017F;tliche <hi rendition="#aq">Lection</hi></fw><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Der Vierdte Theil.</hi> </head><lb/>
          <p>18. <hi rendition="#in">W</hi>Jewohl du dir/ mein Chri&#x017F;tliche Seel/ auß der bißhero verzoge-<lb/>
nen <hi rendition="#aq">Lection</hi> in deinen <hi rendition="#fr">V</hi>er&#x017F;uchungs-Streiten gnug&#x017F;amb helf-<lb/>
fen ko&#x0364;nne&#x017F;t; &#x017F;o will ich jedoch zu deinem weitern <hi rendition="#fr">V</hi>ortheil noch<lb/>
etwas weniges hinzu&#x017F;etzen: nemblich/ daß der jenige/ &#x017F;o in <hi rendition="#fr">V</hi>er&#x017F;uchung i&#x017F;t/<lb/>
&#x017F;ich hu&#x0364;te/ daß er wegen der einfallenden Ver&#x017F;uchungen von &#x017F;einen gewo&#x0364;hn-<lb/>
lichen gei&#x017F;tlichen Ubungen nichts unterla&#x017F;&#x017F;e; &#x017F;ondern den heyl&#x017F;amen Rath<lb/>
der Heil. <hi rendition="#aq">Catharinæ Senen&#x017F;is</hi> folge; die in einem Send-Schreiben al&#x017F;o<lb/><note place="left"><hi rendition="#aq">Blo&#x017F;ius<lb/>
in Con<lb/>
&#x017F;ol. Pu&#x017F;il.<lb/>
c. 39. n.</hi> 3.</note>&#x017F;pricht: Jch bitte euch/ ihr wollet ja nicht nachla&#x017F;&#x017F;en in den angefangenen gu-<lb/>
ten Wercken fortzu&#x017F;chreiten; es mag euch der bo&#x0364;&#x017F;e Feind mit &#x017F;einen &#x017F;chwa&#x0364;ren<lb/>
Ver&#x017F;uchungen auch plagen/ wie er immer ko&#x0364;nne: die&#x017F;er Bo&#x0364;ßwicht erwecket<lb/>
ver&#x017F;chiedene Kriege/ und beflei&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ich &#x017F;onderbahr der heimlichen Nach&#x017F;tel-<lb/>
lungen und Betriegungen/ krafft derer er ewere Seelen zum Verdruß/ und<lb/>
unordentliche Trawrigkeit; ja auch zur Verwirrung deß Gemu&#x0364;ths/ und<lb/>
zum Verzweifflungs-Fall &#x017F;tu&#x0364;rtzen mo&#x0364;ge. Es i&#x017F;t gewiß/ daß wann &#x017F;chon ein<lb/>
Men&#x017F;ch mit allen Su&#x0364;nden der Welt beladen wa&#x0364;re; &#x017F;o ko&#x0364;nten die&#x017F;e ho&#x0364;lli&#x017F;che<lb/>
Gei&#x017F;ter doch nicht verhinderen/ daß er die Frucht und Verdien&#x017F;ten deß Bluts<lb/>
CHri&#x017F;ti theilhafftig werde; wofern bey &#x017F;olchem der wahre Glaub und Zu-<lb/>
ver&#x017F;icht zu der unendlichen Barmhertzigkeit GOttes verbleibe: weilen die<lb/>
Su&#x0364;nd nur in einem bo&#x0364;&#x017F;en und verkehrten Willen be&#x017F;tehet; &#x017F;o muß der<lb/>
Men&#x017F;ch/ indem er &#x017F;iehet/ daß ihm Gott einen guten <hi rendition="#fr">W</hi>illen verliehen habe;<lb/>
alle verwirrung deß Gemu&#x0364;ts hindan &#x017F;etzen/ in den heiligen <hi rendition="#fr">W</hi>ercken und U-<lb/>
bungen verharren/ und im Liecht der Gnaden wandern/ die er in &#x017F;ich verbor-<lb/>
gen findet/ als ein Gaab Gottes/ welcher den guten <hi rendition="#fr">W</hi>illen in ihm zu erhal-<lb/>
ten bereit i&#x017F;t: er muß dem leidigen Sathan/ wann er zur Verwirrung oder<lb/>
Verzweifflung rathet/ antworten: wann ich mit der Gnade Gottes nicht<lb/>
ver&#x017F;ehen wa&#x0364;re/ &#x017F;o ha&#x0364;tte ich auch keinen guten <hi rendition="#fr">W</hi>illen/ und wu&#x0364;rde deinem<lb/>
verfluchten Rath leichtlich folgen: nun aber vertrawe ich auff meinen gu&#x0364;ti-<lb/>
gen Heyland/ der mich allzeit be&#x017F;chu&#x0364;tzen/ und wegen &#x017F;einer unbegreifflichen<lb/>
Barmhertzigkeit erretten wird. Von die&#x017F;er heiligen Jungfrawen lernen wir/<lb/>
daß die Miltigkeit <hi rendition="#g">GOTTES</hi> u&#x0364;ber einen Men&#x017F;chen/ &#x017F;o eines<lb/>
guten <hi rendition="#fr">W</hi>illens i&#x017F;t/ &#x017F;ehr groß &#x017F;eye: auch &#x017F;ehen wir/ was ein gro&#x017F;-<lb/>
&#x017F;e Gaab GOTTES &#x017F;eye der gute <hi rendition="#fr">W</hi>ill. Der nun in Ver&#x017F;uchung<lb/>
&#x017F;teckt/ &#x017F;oll mit allem Fleiß daran &#x017F;eyn/ daß er alle Traurigkeit deß Hertzen<lb/>
vertreibe; immer und allzeit eine anda&#x0364;chtige Neigung zu Gott bey &#x017F;ich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">erhalte/</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[322/0350] Die Fuͤnff und zwantzigſte Geiſtliche Lection Der Vierdte Theil. 18. WJewohl du dir/ mein Chriſtliche Seel/ auß der bißhero verzoge- nen Lection in deinen Verſuchungs-Streiten gnugſamb helf- fen koͤnneſt; ſo will ich jedoch zu deinem weitern Vortheil noch etwas weniges hinzuſetzen: nemblich/ daß der jenige/ ſo in Verſuchung iſt/ ſich huͤte/ daß er wegen der einfallenden Verſuchungen von ſeinen gewoͤhn- lichen geiſtlichen Ubungen nichts unterlaſſe; ſondern den heylſamen Rath der Heil. Catharinæ Senenſis folge; die in einem Send-Schreiben alſo ſpricht: Jch bitte euch/ ihr wollet ja nicht nachlaſſen in den angefangenen gu- ten Wercken fortzuſchreiten; es mag euch der boͤſe Feind mit ſeinen ſchwaͤren Verſuchungen auch plagen/ wie er immer koͤnne: dieſer Boͤßwicht erwecket verſchiedene Kriege/ und befleiſſet ſich ſonderbahr der heimlichen Nachſtel- lungen und Betriegungen/ krafft derer er ewere Seelen zum Verdruß/ und unordentliche Trawrigkeit; ja auch zur Verwirrung deß Gemuͤths/ und zum Verzweifflungs-Fall ſtuͤrtzen moͤge. Es iſt gewiß/ daß wann ſchon ein Menſch mit allen Suͤnden der Welt beladen waͤre; ſo koͤnten dieſe hoͤlliſche Geiſter doch nicht verhinderen/ daß er die Frucht und Verdienſten deß Bluts CHriſti theilhafftig werde; wofern bey ſolchem der wahre Glaub und Zu- verſicht zu der unendlichen Barmhertzigkeit GOttes verbleibe: weilen die Suͤnd nur in einem boͤſen und verkehrten Willen beſtehet; ſo muß der Menſch/ indem er ſiehet/ daß ihm Gott einen guten Willen verliehen habe; alle verwirrung deß Gemuͤts hindan ſetzen/ in den heiligen Wercken und U- bungen verharren/ und im Liecht der Gnaden wandern/ die er in ſich verbor- gen findet/ als ein Gaab Gottes/ welcher den guten Willen in ihm zu erhal- ten bereit iſt: er muß dem leidigen Sathan/ wann er zur Verwirrung oder Verzweifflung rathet/ antworten: wann ich mit der Gnade Gottes nicht verſehen waͤre/ ſo haͤtte ich auch keinen guten Willen/ und wuͤrde deinem verfluchten Rath leichtlich folgen: nun aber vertrawe ich auff meinen guͤti- gen Heyland/ der mich allzeit beſchuͤtzen/ und wegen ſeiner unbegreifflichen Barmhertzigkeit erretten wird. Von dieſer heiligen Jungfrawen lernen wir/ daß die Miltigkeit GOTTES uͤber einen Menſchen/ ſo eines guten Willens iſt/ ſehr groß ſeye: auch ſehen wir/ was ein groſ- ſe Gaab GOTTES ſeye der gute Will. Der nun in Verſuchung ſteckt/ ſoll mit allem Fleiß daran ſeyn/ daß er alle Traurigkeit deß Hertzen vertreibe; immer und allzeit eine andaͤchtige Neigung zu Gott bey ſich erhalte/ Bloſius in Con ſol. Puſil. c. 39. n. 3.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/350
Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/350>, abgerufen am 27.11.2024.