Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Die Ein und Zwantzigste Geistliche Lection Besitzung ist zu schalten und zu walten. Und obschon niemanden zugelas-sen wird in solchem üblichen Zweiffel ein Werck anzufangen/ so ist doch der Unterthan verbunden/ sothanen üblichen Zweiffel in der Materi deß Gehor- sams hindannen zu setzen. Also lehret der gelehrte Molina. Solt es aber gewiß seyn/ daß das jenige/ so die Obrigkeit befilcht/ ungerecht oder auch eine läßliche Sünd/ oder den Nächsten unverschulder Dingen schädlich oder ärgerlich seye; in solchem Fall haben Platz die Wort der Apostolischen Geschichten am 5. Cap. Man muß GOtt mehr gehorsamb seyn/ dann den Menschen. Damit aber der Unterthan durch allzugrosses Vertrauen auff seinen Verstand/ nicht fehle/ thut er wohl/ wann er den Rath einiger Alteren vorhero einnehme. Wann Zweytens einem von der Obrigkeit ein solches Ambt aufferlegt werde/ dadurch er einen merckli- chen Schaden deß Leibs oder der Seelen leyde/ oder in die Gefahr seinen GOtt und HErrn zubeleidigen sich stürtzen werde; so muß er seine Schwach- heit der Obrigkeit offenbahren/ und denselben demütiglich ersuchen/ auff daß er in Aufferlegung dergleichen Aembtern seiner verschöne. Wird aber keine andere Verhindernuß/ als nur einige Ablassung von den gewönlichen andächtigen Ubungen zu förchten seyn/ in solchem Fall ists besser/ daß man seiner Obrigkeit gehorche; zumahlen ein sehr andächtiges und GOtt-ge- fälliges Werck ist es/ seiner Obrigkeit den Gehorsamb leisten. 20. Schließlich ist wohl zu mercken/ daß das Gelübt deß Gehorsambs zu nom-
Die Ein und Zwantzigſte Geiſtliche Lection Beſitzung iſt zu ſchalten und zu walten. Und obſchon niemanden zugelaſ-ſen wird in ſolchem uͤblichen Zweiffel ein Werck anzufangen/ ſo iſt doch der Unterthan verbunden/ ſothanen uͤblichen Zweiffel in der Materi deß Gehor- ſams hindannen zu ſetzen. Alſo lehret der gelehrte Molina. Solt es aber gewiß ſeyn/ daß das jenige/ ſo die Obrigkeit befilcht/ ungerecht oder auch eine laͤßliche Suͤnd/ oder den Naͤchſten unverſchulder Dingen ſchaͤdlich oder aͤrgerlich ſeye; in ſolchem Fall haben Platz die Wort der Apoſtoliſchen Geſchichten am 5. Cap. Man muß GOtt mehr gehorſamb ſeyn/ dann den Menſchen. Damit aber der Unterthan durch allzugroſſes Vertrauen auff ſeinen Verſtand/ nicht fehle/ thut er wohl/ wann er den Rath einiger Alteren vorhero einnehme. Wann Zweytens einem von der Obrigkeit ein ſolches Ambt aufferlegt werde/ dadurch er einen merckli- chen Schaden deß Leibs oder der Seelen leyde/ oder in die Gefahr ſeinen GOtt und HErrn zubeleidigen ſich ſtuͤrtzen werde; ſo muß er ſeine Schwach- heit der Obrigkeit offenbahren/ und denſelben demuͤtiglich erſuchen/ auff daß er in Aufferlegung dergleichen Aembtern ſeiner verſchoͤne. Wird aber keine andere Verhindernuß/ als nur einige Ablaſſung von den gewoͤnlichen andaͤchtigen Ubungen zu foͤrchten ſeyn/ in ſolchem Fall iſts beſſer/ daß man ſeiner Obrigkeit gehorche; zumahlen ein ſehr andaͤchtiges und GOtt-ge- faͤlliges Werck iſt es/ ſeiner Obrigkeit den Gehorſamb leiſten. 20. Schließlich iſt wohl zu mercken/ daß das Geluͤbt deß Gehorſambs zu nom-
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Die Ein und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
Beſitzung iſt zu ſchalten und zu walten. Und obſchon niemanden zugelaſ-
ſen wird in ſolchem uͤblichen Zweiffel ein Werck anzufangen/ ſo iſt doch der
Unterthan verbunden/ ſothanen uͤblichen Zweiffel in der Materi deß Gehor-
ſams hindannen zu ſetzen. Alſo lehret der gelehrte Molina. Solt es aber
gewiß ſeyn/ daß das jenige/ ſo die Obrigkeit befilcht/ ungerecht oder auch
eine laͤßliche Suͤnd/ oder den Naͤchſten unverſchulder Dingen ſchaͤdlich
oder aͤrgerlich ſeye; in ſolchem Fall haben Platz die Wort der Apoſtoliſchen
Geſchichten am 5. Cap. Man muß GOtt mehr gehorſamb ſeyn/
dann den Menſchen. Damit aber der Unterthan durch allzugroſſes
Vertrauen auff ſeinen Verſtand/ nicht fehle/ thut er wohl/ wann er den
Rath einiger Alteren vorhero einnehme. Wann Zweytens einem von
der Obrigkeit ein ſolches Ambt aufferlegt werde/ dadurch er einen merckli-
chen Schaden deß Leibs oder der Seelen leyde/ oder in die Gefahr ſeinen
GOtt und HErrn zubeleidigen ſich ſtuͤrtzen werde; ſo muß er ſeine Schwach-
heit der Obrigkeit offenbahren/ und denſelben demuͤtiglich erſuchen/ auff
daß er in Aufferlegung dergleichen Aembtern ſeiner verſchoͤne. Wird aber
keine andere Verhindernuß/ als nur einige Ablaſſung von den gewoͤnlichen
andaͤchtigen Ubungen zu foͤrchten ſeyn/ in ſolchem Fall iſts beſſer/ daß man
ſeiner Obrigkeit gehorche; zumahlen ein ſehr andaͤchtiges und GOtt-ge-
faͤlliges Werck iſt es/ ſeiner Obrigkeit den Gehorſamb leiſten.
20. Schließlich iſt wohl zu mercken/ daß das Geluͤbt deß Gehorſambs zu
ſelbiger Zeit allein verdienſtlich ſeye/ wann der Unterthan den Auffgetra-
genen Befelch nur zur eintzigen Ehren und Lob GOttes/ und nicht auß
natuͤrlicher Neigung deß Fleiſches verrichtet. Darauß dann augenſchein-
lich erfolget/ daß der jenige/ ſo ſich deß Verdienſt wilt theilhafftig machen/
vor GOtt ſich erklaͤre und proteſtire/ das er angeſchaffte Werck nicht auß
einer ſinlichen Neigung/ ſonderen zu lauterem Lob GOttes und zu ſchuldi-
gem gehorſamblichen Gnuͤgen ſeines Oberen auff ſich nehme. Dahero ſagt
der H. Gregorius in Beſchreybung der Natur deß Gehorſambs alſo: Der
Gehorſamb muß in den widerwaͤrtigen Dingen auß dem
Seinigen etwas haben (nemblich eine groſſe freudige Hurtigkeit und
Liebe zu gehorchen) und muß in den glůcklichen und wohlfaͤr-
tigen Sachen auß dem Seinigen nichts haben; dieweilen
ſelbige nicht wegen der eigenen Ergaͤtzligkeit/ ſondern
umb den Willen GOttes allein můſſen geliebt und ange-
nom-
L. 35. mor
c. 13.
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