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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von dem Gehorsamb.
Mit dieser Arbeit gehen beyde zu einem unpartheischen Richter/ und lassen
dieselbe urtheilen; vernehmen aber/ daß der jenige/ so den Himmel mit schö-
ner Ordnung der Sternen und Planeten vorgestellet/ den andern über-
troffen habe. Uber solches Urtheil verwundert sich der Zweyte/ und sagt;
daß er in Entwerffung der eintzigen Sonnen allein alles gemahlet habe/
was sich am Himmel schen lasset; daß aber dieses alles unsichtbar seye/ müsse
man dem überauß grossen und gewaltigen Sonnen-Licht zuschreiben/ Krafft
dessen alle Sternen und Planeten verdeckt und verduncklet bleiben. Also
ist diesem zweyten Mähler der Preiß sambt dem auffgesetzten Lohn zu theil
worden. Alle/ sagtder Apostel Paulus/ streiten und bemühen sich/ einer
aber bekombt das Kleynod. Wer ist der Eine anders/ als der da gehorsamb
ist der Keusche laufft zwarn/ es laufft auch der demüthige/ gleicher Gestalt
laufft der Arme umb Christi Willen/ und lauffen andere mit vielen Tugen-
den gezierte nicht weniger: diesen allen aber laufft vor der Gehorsambe/ und
zwarn also/ daß er vor andern das Leben der Seelen erwische: und ob wohln
ein solcher für einen Besitzer der anderen Tugenden nicht angeschen werde;
so hat er doch ungezweifflet alle an sich einschließlich/ indemer den Vorzug
durch den Gehorsamb gewinnet/ der als eine Sonne in der Seelen strahlet.
Dieweilen dann der Gehorsamb eine Tugend ist/ durch welche wir die so
wohlmenschliche als Göttliche Befelch und Gebott vollbringen/ weil sie zu
halten gebotten seynd/ derhalben wird ein wahrer gehorsamer Mensch/ indem
er allen Gebotten unsträfflich nachkommet/ alle Tugenden gar leichtlich er-
halten. Und weilen die Tugenden von der genauen Vollbringung aller
Gebotten herrühret; so muß der jenige nothwendiglich mit allerhand Tugen-
den gezieret seyn/ welcher den Gebotten mit Freuden gehorchet. Dann
der Christo den Gehorsamb leistet/ indem er sagt: Lernet von mir/Matt. 11.
29.

dann ich bin sanfft- und demuthig von Hertzen/ der wird
alsbald haben die Demuth. Und dieses kan von allen andern Tugen-
den solcher Gestalt gesagtwerden. Und weil auch der Gehorsamb in der Ver-
leuchnung deß eigenen Willes gegründet ist/ so wird der wahre Gehorsamb
auffs wenigst nicht tödtlich sündigen/ zumahlen ein solche Verläugnung
mit der Sünde zugleich nit stehen kan/ die nur von dem eigenen Willen ihren
Ursprung hat: Dahero hat recht geredet der H. Geist durch den Mund
deß weisen Mans: Bewahre das Gesetz und den Rath/ dasProv. 3.
wird deiner Seele Leben seyn.

2. Höre nun/ mein Christliche Seel/ und mercke wohl/ was von dieser
Kron der Tugenden die H. H. Vätter halten; unter denen wir dem H. Vat-

ter
H h 3

Von dem Gehorſamb.
Mit dieſer Arbeit gehen beyde zu einem unpartheiſchen Richter/ und laſſen
dieſelbe urtheilen; vernehmen aber/ daß der jenige/ ſo den Himmel mit ſchoͤ-
ner Ordnung der Sternen und Planeten vorgeſtellet/ den andern uͤber-
troffen habe. Uber ſolches Urtheil verwundert ſich der Zweyte/ und ſagt;
daß er in Entwerffung der eintzigen Sonnen allein alles gemahlet habe/
was ſich am Himmel ſchen laſſet; daß aber dieſes alles unſichtbar ſeye/ muͤſſe
man dem uͤberauß groſſen und gewaltigen Sonnen-Licht zuſchreiben/ Krafft
deſſen alle Sternen und Planeten verdeckt und verduncklet bleiben. Alſo
iſt dieſem zweyten Maͤhler der Preiß ſambt dem auffgeſetzten Lohn zu theil
worden. Alle/ ſagtder Apoſtel Paulus/ ſtreiten und bemuͤhen ſich/ einer
aber bekombt das Kleynod. Wer iſt der Eine anders/ als der da gehorſamb
iſt der Keuſche laufft zwarn/ es laufft auch der demuͤthige/ gleicher Geſtalt
laufft der Arme umb Chriſti Willen/ und lauffen andere mit vielen Tugen-
den gezierte nicht weniger: dieſen allen aber laufft vor der Gehorſambe/ und
zwarn alſo/ daß er vor andern das Leben der Seelen erwiſche: und ob wohln
ein ſolcher fuͤr einen Beſitzer der anderen Tugenden nicht angeſchen werde;
ſo hat er doch ungezweifflet alle an ſich einſchließlich/ indemer den Vorzug
durch den Gehorſamb gewinnet/ der als eine Sonne in der Seelen ſtrahlet.
Dieweilen dann der Gehorſamb eine Tugend iſt/ durch welche wir die ſo
wohlmenſchliche als Goͤttliche Befelch und Gebott vollbringen/ weil ſie zu
halten gebotten ſeynd/ derhalben wird ein wahrer gehorſamer Menſch/ indem
er allen Gebotten unſtraͤfflich nachkommet/ alle Tugenden gar leichtlich er-
halten. Und weilen die Tugenden von der genauen Vollbringung aller
Gebotten herruͤhret; ſo muß der jenige nothwendiglich mit allerhand Tugen-
den gezieret ſeyn/ welcher den Gebotten mit Freuden gehorchet. Dann
der Chriſto den Gehorſamb leiſtet/ indem er ſagt: Lernet von mir/Matt. 11.
29.

dann ich bin ſanfft- und demůthig von Hertzen/ der wird
alsbald haben die Demuth. Und dieſes kan von allen andern Tugen-
den ſolcher Geſtalt geſagtwerden. Und weil auch der Gehorſamb in der Ver-
leuchnung deß eigenen Willes gegruͤndet iſt/ ſo wird der wahre Gehorſamb
auffs wenigſt nicht toͤdtlich ſuͤndigen/ zumahlen ein ſolche Verlaͤugnung
mit der Suͤnde zugleich nit ſtehen kan/ die nur von dem eigenen Willen ihren
Urſprung hat: Dahero hat recht geredet der H. Geiſt durch den Mund
deß weiſen Mans: Bewahre das Geſetz und den Rath/ dasProv. 3.
wird deiner Seele Leben ſeyn.

2. Hoͤre nun/ mein Chriſtliche Seel/ und mercke wohl/ was von dieſer
Kron der Tugenden die H. H. Vaͤtter halten; unter denen wir dem H. Vat-

ter
H h 3
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[245/0273] Von dem Gehorſamb. Mit dieſer Arbeit gehen beyde zu einem unpartheiſchen Richter/ und laſſen dieſelbe urtheilen; vernehmen aber/ daß der jenige/ ſo den Himmel mit ſchoͤ- ner Ordnung der Sternen und Planeten vorgeſtellet/ den andern uͤber- troffen habe. Uber ſolches Urtheil verwundert ſich der Zweyte/ und ſagt; daß er in Entwerffung der eintzigen Sonnen allein alles gemahlet habe/ was ſich am Himmel ſchen laſſet; daß aber dieſes alles unſichtbar ſeye/ muͤſſe man dem uͤberauß groſſen und gewaltigen Sonnen-Licht zuſchreiben/ Krafft deſſen alle Sternen und Planeten verdeckt und verduncklet bleiben. Alſo iſt dieſem zweyten Maͤhler der Preiß ſambt dem auffgeſetzten Lohn zu theil worden. Alle/ ſagtder Apoſtel Paulus/ ſtreiten und bemuͤhen ſich/ einer aber bekombt das Kleynod. Wer iſt der Eine anders/ als der da gehorſamb iſt der Keuſche laufft zwarn/ es laufft auch der demuͤthige/ gleicher Geſtalt laufft der Arme umb Chriſti Willen/ und lauffen andere mit vielen Tugen- den gezierte nicht weniger: dieſen allen aber laufft vor der Gehorſambe/ und zwarn alſo/ daß er vor andern das Leben der Seelen erwiſche: und ob wohln ein ſolcher fuͤr einen Beſitzer der anderen Tugenden nicht angeſchen werde; ſo hat er doch ungezweifflet alle an ſich einſchließlich/ indemer den Vorzug durch den Gehorſamb gewinnet/ der als eine Sonne in der Seelen ſtrahlet. Dieweilen dann der Gehorſamb eine Tugend iſt/ durch welche wir die ſo wohlmenſchliche als Goͤttliche Befelch und Gebott vollbringen/ weil ſie zu halten gebotten ſeynd/ derhalben wird ein wahrer gehorſamer Menſch/ indem er allen Gebotten unſtraͤfflich nachkommet/ alle Tugenden gar leichtlich er- halten. Und weilen die Tugenden von der genauen Vollbringung aller Gebotten herruͤhret; ſo muß der jenige nothwendiglich mit allerhand Tugen- den gezieret ſeyn/ welcher den Gebotten mit Freuden gehorchet. Dann der Chriſto den Gehorſamb leiſtet/ indem er ſagt: Lernet von mir/ dann ich bin ſanfft- und demůthig von Hertzen/ der wird alsbald haben die Demuth. Und dieſes kan von allen andern Tugen- den ſolcher Geſtalt geſagtwerden. Und weil auch der Gehorſamb in der Ver- leuchnung deß eigenen Willes gegruͤndet iſt/ ſo wird der wahre Gehorſamb auffs wenigſt nicht toͤdtlich ſuͤndigen/ zumahlen ein ſolche Verlaͤugnung mit der Suͤnde zugleich nit ſtehen kan/ die nur von dem eigenen Willen ihren Urſprung hat: Dahero hat recht geredet der H. Geiſt durch den Mund deß weiſen Mans: Bewahre das Geſetz und den Rath/ das wird deiner Seele Leben ſeyn. Matt. 11. 29. Prov. 3. 2. Hoͤre nun/ mein Chriſtliche Seel/ und mercke wohl/ was von dieſer Kron der Tugenden die H. H. Vaͤtter halten; unter denen wir dem H. Vat- ter H h 3

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/273>, abgerufen am 24.11.2024.