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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von der Einsambkeit.
angefangen/ und zwarn einer auß ihnen hat sich vorgenommen in dieser Tu-
gend sich meisterlich zu üben/ daß er nemblich allen Fleiß anwendete/ die strei-
tende und uneinige Partheyen zum Frieden und Einigkeit zu bringen: Der
andere hat sich vorgenommen/ den Krancken auß Liebe Gottes zu dienen/ und
dieselbe mit aller möglichen Nothwendigkeit zu versehen: der dritte hat erwäh-
let/ von allen Menschen verlassen in der Einsambkeit zu ruhen. Nun lasset uns
von dem letzten schreiten zu dem ersten/ und sehen/ wie es demselbigen in sei-
nem Handel ergehe: diesen finden wir übel zu frieden und verzweifflend an
seiner Arbeit/ weilen er nach aller angewendten Mühe die Zanckende nach
seinem Wunsch nicht vergleichen kan; derhalben verfügt er sich zu seinem
zweyten Bruder/ und findet denselben gleicher Gestalt in seinem Vorhaben
wancken/ weil er mit allem seinem Fleiß den Krancken zur Gnüge nicht auff-
warten konte: diese beyde gehen hin zum dritten/ und erzehlen demselben ih-
re Bekümmernüß/ bitten auch annebenst/ er wolle doch ihnen bedeuten/ wor-
inn er zugenommen habe: dieser antwortet nicht alsbald/ sondern giesset ein
trübes Wasser in ein Becken/ und nachdem selbiges vermög deß Still-
stehens klar worden/ sagt er zu ihnen/ sichet meine Brüder/ wie hat sich das
Wasser nun gekläret/ daß ihr auch in selbigem ewere Angesichter gleich in ei-
nem Spiegel beschawen möget. Die unter Menschen wohnen/ schen ihre
Sünden nicht; wann sie sich aber in die Ruhe und Einsambkeit gesetzt ha-
ben/ können sie selbige leichtlich wahrnehmen: Dahero unter andern Lob-
Sprüchen/ so der Einsambkeit von den H. H. Vättern zugeeignet werden/
ist diese der bequemlichsten einer/ welchen der Heil. Petrus Damianus dersel-
ben gibt/ und sagt: Die Einsambkeit ist ein Spiegel der See-
len.

7. Mit ihrem unaußsprechlichen Nutzen haben dieses alles erfahren die
H. H. Altvätter/ unter denen der H. Macarius dem unruhigen und wancken-
den guten Palladio gerathen/ er solle seinen Gedanckensagen; Jch will
umb CHristi willen die Wände dieser Zellen bewahren:

Wann derhalben nach Meinung dieses H. Vatters auch verdienstlich ist/
auß Liebe GOttes die Wänd der Zellen in Ruhe anschen; wie viel grössern
Lohn hat dann nicht zu gewarten der jenige/ so in derselben mit betten/ be-
trachten/ geistliche Bücher lesen/ und nützliche Ding zu schreiben fleissig ver-
harret. Viele seynd mit jenem Geistlichen der irrenden Meinung; daß/
wann sie in ausserlichen Diensten nicht beschäfftiget seyen/ thuen sie nicht das
Ambt eines München: Diese nehmen/ wann sie wollen/ mit selbigem Geist-
lichen/ so sich dieserthalben bey einem der H. H. Vättern angeklagt/ den

Rath
H h

Von der Einſambkeit.
angefangen/ und zwarn einer auß ihnen hat ſich vorgenommen in dieſer Tu-
gend ſich meiſterlich zu uͤben/ daß er nemblich allen Fleiß anwendete/ die ſtrei-
tende und uneinige Partheyen zum Frieden und Einigkeit zu bringen: Der
andere hat ſich vorgenommen/ den Krancken auß Liebe Gottes zu dienen/ und
dieſelbe mit aller moͤglichen Nothwendigkeit zu verſehen: der dritte hat erwaͤh-
let/ von allen Menſchen verlaſſen in der Einſambkeit zu ruhen. Nun laſſet uns
von dem letzten ſchreiten zu dem erſten/ und ſehen/ wie es demſelbigen in ſei-
nem Handel ergehe: dieſen finden wir uͤbel zu frieden und verzweifflend an
ſeiner Arbeit/ weilen er nach aller angewendten Muͤhe die Zanckende nach
ſeinem Wunſch nicht vergleichen kan; derhalben verfuͤgt er ſich zu ſeinem
zweyten Bruder/ und findet denſelben gleicher Geſtalt in ſeinem Vorhaben
wancken/ weil er mit allem ſeinem Fleiß den Krancken zur Gnuͤge nicht auff-
warten konte: dieſe beyde gehen hin zum dritten/ und erzehlen demſelben ih-
re Bekuͤmmernuͤß/ bitten auch annebenſt/ er wolle doch ihnen bedeuten/ wor-
inn er zugenommen habe: dieſer antwortet nicht alsbald/ ſondern gieſſet ein
truͤbes Waſſer in ein Becken/ und nachdem ſelbiges vermoͤg deß Still-
ſtehens klar worden/ ſagt er zu ihnen/ ſichet meine Bruͤder/ wie hat ſich das
Waſſer nun geklaͤret/ daß ihr auch in ſelbigem ewere Angeſichter gleich in ei-
nem Spiegel beſchawen moͤget. Die unter Menſchen wohnen/ ſchen ihre
Suͤnden nicht; wann ſie ſich aber in die Ruhe und Einſambkeit geſetzt ha-
ben/ koͤnnen ſie ſelbige leichtlich wahrnehmen: Dahero unter andern Lob-
Spruͤchen/ ſo der Einſambkeit von den H. H. Vaͤttern zugeeignet werden/
iſt dieſe der bequemlichſten einer/ welchen der Heil. Petrus Damianus derſel-
ben gibt/ und ſagt: Die Einſambkeit iſt ein Spiegel der See-
len.

7. Mit ihrem unaußſprechlichen Nutzen haben dieſes alles erfahren die
H. H. Altvaͤtter/ unter denen der H. Macarius dem unruhigen und wancken-
den guten Palladio gerathen/ er ſolle ſeinen Gedanckenſagen; Jch will
umb CHriſti willen die Waͤnde dieſer Zellen bewahren:

Wann derhalben nach Meinung dieſes H. Vatters auch verdienſtlich iſt/
auß Liebe GOttes die Waͤnd der Zellen in Ruhe anſchen; wie viel groͤſſern
Lohn hat dann nicht zu gewarten der jenige/ ſo in derſelben mit betten/ be-
trachten/ geiſtliche Buͤcher leſen/ und nuͤtzliche Ding zu ſchreiben fleiſſig ver-
harret. Viele ſeynd mit jenem Geiſtlichen der irrenden Meinung; daß/
wann ſie in auſſerlichen Dienſten nicht beſchaͤfftiget ſeyen/ thuen ſie nicht das
Ambt eines Muͤnchen: Dieſe nehmen/ wann ſie wollen/ mit ſelbigem Geiſt-
lichen/ ſo ſich dieſerthalben bey einem der H. H. Vaͤttern angeklagt/ den

Rath
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[241/0269] Von der Einſambkeit. angefangen/ und zwarn einer auß ihnen hat ſich vorgenommen in dieſer Tu- gend ſich meiſterlich zu uͤben/ daß er nemblich allen Fleiß anwendete/ die ſtrei- tende und uneinige Partheyen zum Frieden und Einigkeit zu bringen: Der andere hat ſich vorgenommen/ den Krancken auß Liebe Gottes zu dienen/ und dieſelbe mit aller moͤglichen Nothwendigkeit zu verſehen: der dritte hat erwaͤh- let/ von allen Menſchen verlaſſen in der Einſambkeit zu ruhen. Nun laſſet uns von dem letzten ſchreiten zu dem erſten/ und ſehen/ wie es demſelbigen in ſei- nem Handel ergehe: dieſen finden wir uͤbel zu frieden und verzweifflend an ſeiner Arbeit/ weilen er nach aller angewendten Muͤhe die Zanckende nach ſeinem Wunſch nicht vergleichen kan; derhalben verfuͤgt er ſich zu ſeinem zweyten Bruder/ und findet denſelben gleicher Geſtalt in ſeinem Vorhaben wancken/ weil er mit allem ſeinem Fleiß den Krancken zur Gnuͤge nicht auff- warten konte: dieſe beyde gehen hin zum dritten/ und erzehlen demſelben ih- re Bekuͤmmernuͤß/ bitten auch annebenſt/ er wolle doch ihnen bedeuten/ wor- inn er zugenommen habe: dieſer antwortet nicht alsbald/ ſondern gieſſet ein truͤbes Waſſer in ein Becken/ und nachdem ſelbiges vermoͤg deß Still- ſtehens klar worden/ ſagt er zu ihnen/ ſichet meine Bruͤder/ wie hat ſich das Waſſer nun geklaͤret/ daß ihr auch in ſelbigem ewere Angeſichter gleich in ei- nem Spiegel beſchawen moͤget. Die unter Menſchen wohnen/ ſchen ihre Suͤnden nicht; wann ſie ſich aber in die Ruhe und Einſambkeit geſetzt ha- ben/ koͤnnen ſie ſelbige leichtlich wahrnehmen: Dahero unter andern Lob- Spruͤchen/ ſo der Einſambkeit von den H. H. Vaͤttern zugeeignet werden/ iſt dieſe der bequemlichſten einer/ welchen der Heil. Petrus Damianus derſel- ben gibt/ und ſagt: Die Einſambkeit iſt ein Spiegel der See- len. 7. Mit ihrem unaußſprechlichen Nutzen haben dieſes alles erfahren die H. H. Altvaͤtter/ unter denen der H. Macarius dem unruhigen und wancken- den guten Palladio gerathen/ er ſolle ſeinen Gedanckenſagen; Jch will umb CHriſti willen die Waͤnde dieſer Zellen bewahren: Wann derhalben nach Meinung dieſes H. Vatters auch verdienſtlich iſt/ auß Liebe GOttes die Waͤnd der Zellen in Ruhe anſchen; wie viel groͤſſern Lohn hat dann nicht zu gewarten der jenige/ ſo in derſelben mit betten/ be- trachten/ geiſtliche Buͤcher leſen/ und nuͤtzliche Ding zu ſchreiben fleiſſig ver- harret. Viele ſeynd mit jenem Geiſtlichen der irrenden Meinung; daß/ wann ſie in auſſerlichen Dienſten nicht beſchaͤfftiget ſeyen/ thuen ſie nicht das Ambt eines Muͤnchen: Dieſe nehmen/ wann ſie wollen/ mit ſelbigem Geiſt- lichen/ ſo ſich dieſerthalben bey einem der H. H. Vaͤttern angeklagt/ den Rath H h

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/269>, abgerufen am 28.11.2024.