Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Zwantzigste. Geistliche Lection
glücklich fortschreiten; so must du vor allem/ wans nicht die Noth erfordert/
deine Zell nicht verlassen; und gedencken/ daß diese deine glückselige Stelle:
seye/ so du vor tausenden dir erwählet hast/ in der du aller weltlichen Sorgen
enthaben/ deinem Gott allein und deiner Seelen zum besten dienen könnest:
ein Paradeiß der Wollüsten/ daß von dem Reegen der gottlichen Gnaden offt
befeuchtiget wird: ein geschlossenes Zimmer der göttlichen Liebe/ in dem Braut
und Bräutigam die allersüsseste liebkosende Affecten miteinander wechselen/
und du deine hertzliche Begirden/ deine Noth und Verlangen vertrewlicher/
als irgend anderswo vortragen mögest: und daß dieselbige seye ein Vorzim-
mer der himmlischen Glori/ und allerheiligste Wohnung/ in welcher du mit
niemand/ als mit deinem Gott/ der allerseligsten Jungfrauen Maria/ mit den
Außerwählten und Engelen GOttes zu handlen hast; daß also billig der
H. Bernardus deine Wohnung mit diesen güldenen Buchstaben verzeichnet:
De vit.
Solit. c.
4.
Die Zell ist ein heiliges Land/ und ein heiliger Orth; auff
dem der Herr und seine Diener öffters Sprach halten/ wie
ein Freund mit dem andern; ein Orth/ an welchem die
trewhertzige Seel mit dem Wort GOttes vielmahl zu-
sammen gefuget/ die Braut ihrem Bräutigam vermählet/
und das irrdische mit dem himmlischen/ und mit den
menschlichen die göttliche Dinge vereiniget werden.

2. Jst dann nicht/ mein Christliche Seel/ ein solches Zellulem höher zu
schätzen/ als alle prächtige Gebäw/ und alle Käyser- und Königliche Palläst
der gantzen Welt? wer soll nicht mit Frewden ein so Gnaden- und Heyl-rei-
ches Plätzlein fleissig bewohnen/ auffdem die wahre Vollkommenheit in kur-
tzer Zeit mit allem Vergnügen/ und ohne Hindernüß erlehrnet wird? derhal-
ben ein frommer einsidler seinem anbefohlnen Jünger immer zu rathen pfleg-
te/ er solte zu Erlangung der Vollkommenheit sich einbilden/ daß kein Orth
in der Welt mehr übrig wäre/ als daß zwischen denen vier Mauren seiner
Zellen gelegene Plätzlein/ und daß er nirgend anders das Heyl seiner Seelen
wircken könte/ als eben daselbsten/ allwo dem steten Einwohner von GOTT
gegeben wird/ was ausser derselben/ in schädlicher Zerstrewung der Sinnen
und Gedancken/ im Schwetzen und Plauderen/ und in der cussersten Gefahr
zu sündigen/ einem jeden billig geweigert wird; weilen nach Zeugnüß deß
loc. cit.H. Bernardi/ Die Zell ein Laden oder Winckel ist aller himm-
lischen Guter und göttlicher Wahren/ und ein unuber-
windliche Vestung wider allen Anlauff der bösen Feinden:

Dieses hat wohl erfahren der grosse Vatter Antonius/ dahero er pflegte zu

sagen/

Die Zwantzigſte. Geiſtliche Lection
gluͤcklich fortſchreiten; ſo muſt du vor allem/ wans nicht die Noth erfordert/
deine Zell nicht verlaſſen; und gedencken/ daß dieſe deine gluͤckſelige Stelle:
ſeye/ ſo du vor tauſenden dir erwaͤhlet haſt/ in der du aller weltlichen Sorgen
enthaben/ deinem Gott allein und deiner Seelen zum beſten dienen koͤnneſt:
ein Paradeiß der Wolluͤſten/ daß von dem Reegen der gottlichen Gnaden offt
befeuchtiget wird: ein geſchloſſenes Zim̃er der goͤttlichen Liebe/ in dem Braut
und Braͤutigam die allerſuͤſſeſte liebkoſende Affecten miteinander wechſelen/
und du deine hertzliche Begirden/ deine Noth und Verlangen vertrewlicher/
als irgend anderswo vortragen moͤgeſt: und daß dieſelbige ſeye ein Vorzim-
mer der himmliſchen Glori/ und allerheiligſte Wohnung/ in welcher du mit
niemand/ als mit deinem Gott/ der allerſeligſten Jungfrauen Maria/ mit den
Außerwaͤhlten und Engelen GOttes zu handlen haſt; daß alſo billig der
H. Bernardus deine Wohnung mit dieſen guͤldenen Buchſtaben verzeichnet:
De vit.
Solit. c.
4.
Die Zell iſt ein heiliges Land/ und ein heiliger Orth; auff
dem der Herr und ſeine Diener oͤffters Sprach halten/ wie
ein Freund mit dem andern; ein Orth/ an welchem die
trewhertzige Seel mit dem Wort GOttes vielmahl zu-
ſammen gefůget/ die Braut ihrem Braͤutigam vermaͤhlet/
und das irrdiſche mit dem himmliſchen/ und mit den
menſchlichen die goͤttliche Dinge vereiniget werden.

2. Jſt dann nicht/ mein Chriſtliche Seel/ ein ſolches Zellulem hoͤher zu
ſchaͤtzen/ als alle praͤchtige Gebaͤw/ und alle Kaͤyſer- und Koͤnigliche Pallaͤſt
der gantzen Welt? wer ſoll nicht mit Frewden ein ſo Gnaden- und Heyl-rei-
ches Plaͤtzlein fleiſſig bewohnen/ auffdem die wahre Vollkommenheit in kur-
tzer Zeit mit allem Vergnuͤgen/ und ohne Hindernuͤß erlehrnet wird? derhal-
ben ein frommer einſidler ſeinem anbefohlnen Juͤnger immer zu rathen pfleg-
te/ er ſolte zu Erlangung der Vollkommenheit ſich einbilden/ daß kein Orth
in der Welt mehr uͤbrig waͤre/ als daß zwiſchen denen vier Mauren ſeiner
Zellen gelegene Plaͤtzlein/ und daß er nirgend anders das Heyl ſeiner Seelen
wircken koͤnte/ als eben daſelbſten/ allwo dem ſteten Einwohner von GOTT
gegeben wird/ was auſſer derſelben/ in ſchaͤdlicher Zerſtrewung der Sinnen
und Gedancken/ im Schwetzen und Plauderen/ und in der cuſſerſten Gefahr
zu ſuͤndigen/ einem jeden billig geweigert wird; weilen nach Zeugnuͤß deß
loc. cit.H. Bernardi/ Die Zell ein Laden oder Winckel iſt aller himm-
liſchen Gůter und goͤttlicher Wahren/ und ein unůber-
windliche Veſtung wider allen Anlauff der boͤſen Feinden:

Dieſes hat wohl erfahren der groſſe Vatter Antonius/ dahero er pflegte zu

ſagen/
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0264" n="236"/><fw place="top" type="header">Die Zwantzig&#x017F;te. Gei&#x017F;tliche <hi rendition="#aq">Lection</hi></fw><lb/>
glu&#x0364;cklich fort&#x017F;chreiten; &#x017F;o mu&#x017F;t du vor allem/ wans nicht die Noth erfordert/<lb/>
deine Zell nicht verla&#x017F;&#x017F;en; und gedencken/ daß die&#x017F;e deine glu&#x0364;ck&#x017F;elige Stelle:<lb/>
&#x017F;eye/ &#x017F;o du vor tau&#x017F;enden dir erwa&#x0364;hlet ha&#x017F;t/ in der du aller weltlichen Sorgen<lb/>
enthaben/ deinem Gott allein und deiner Seelen zum be&#x017F;ten dienen ko&#x0364;nne&#x017F;t:<lb/>
ein Paradeiß der Wollu&#x0364;&#x017F;ten/ daß von dem Reegen der gottlichen Gnaden offt<lb/>
befeuchtiget wird: ein ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enes Zim&#x0303;er der go&#x0364;ttlichen Liebe/ in dem Braut<lb/>
und Bra&#x0364;utigam die aller&#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;e&#x017F;te liebko&#x017F;ende <hi rendition="#aq">Affect</hi>en miteinander wech&#x017F;elen/<lb/>
und du deine hertzliche Begirden/ deine Noth und Verlangen vertrewlicher/<lb/>
als irgend anderswo vortragen mo&#x0364;ge&#x017F;t: und daß die&#x017F;elbige &#x017F;eye ein Vorzim-<lb/>
mer der himmli&#x017F;chen Glori/ und allerheilig&#x017F;te Wohnung/ in welcher du mit<lb/>
niemand/ als mit deinem Gott/ der aller&#x017F;elig&#x017F;ten Jungfrauen Maria/ mit den<lb/>
Außerwa&#x0364;hlten und Engelen GOttes zu handlen ha&#x017F;t; daß al&#x017F;o billig der<lb/>
H. Bernardus deine Wohnung mit die&#x017F;en gu&#x0364;ldenen Buch&#x017F;taben verzeichnet:<lb/><note place="left"><hi rendition="#aq">De vit.<lb/>
Solit. c.</hi> 4.</note><hi rendition="#fr">Die Zell i&#x017F;t ein heiliges Land/ und ein heiliger Orth; auff<lb/>
dem der Herr und &#x017F;eine Diener o&#x0364;ffters Sprach halten/ wie<lb/>
ein Freund mit dem andern; ein Orth/ an welchem die<lb/>
trewhertzige Seel mit dem Wort GOttes vielmahl zu-<lb/>
&#x017F;ammen gef&#x016F;get/ die Braut ihrem Bra&#x0364;utigam verma&#x0364;hlet/<lb/>
und das irrdi&#x017F;che mit dem himmli&#x017F;chen/ und mit den<lb/>
men&#x017F;chlichen die go&#x0364;ttliche Dinge vereiniget werden.</hi></p><lb/>
          <p>2. J&#x017F;t dann nicht/ mein Chri&#x017F;tliche Seel/ ein &#x017F;olches Zellulem ho&#x0364;her zu<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;tzen/ als alle pra&#x0364;chtige Geba&#x0364;w/ und alle Ka&#x0364;y&#x017F;er- und Ko&#x0364;nigliche Palla&#x0364;&#x017F;t<lb/>
der gantzen Welt? wer &#x017F;oll nicht mit Frewden ein &#x017F;o Gnaden- und Heyl-rei-<lb/>
ches Pla&#x0364;tzlein flei&#x017F;&#x017F;ig bewohnen/ auffdem die wahre Vollkommenheit in kur-<lb/>
tzer Zeit mit allem Vergnu&#x0364;gen/ und ohne Hindernu&#x0364;ß erlehrnet wird? derhal-<lb/>
ben ein frommer ein&#x017F;idler &#x017F;einem anbefohlnen Ju&#x0364;nger immer zu rathen pfleg-<lb/>
te/ er &#x017F;olte zu Erlangung der Vollkommenheit &#x017F;ich einbilden/ daß kein Orth<lb/>
in der Welt mehr u&#x0364;brig wa&#x0364;re/ als daß zwi&#x017F;chen denen vier Mauren &#x017F;einer<lb/>
Zellen gelegene Pla&#x0364;tzlein/ und daß er nirgend anders das Heyl &#x017F;einer Seelen<lb/>
wircken ko&#x0364;nte/ als eben da&#x017F;elb&#x017F;ten/ allwo dem &#x017F;teten Einwohner von GOTT<lb/>
gegeben wird/ was au&#x017F;&#x017F;er der&#x017F;elben/ in &#x017F;cha&#x0364;dlicher Zer&#x017F;trewung der Sinnen<lb/>
und Gedancken/ im Schwetzen und Plauderen/ und in der cu&#x017F;&#x017F;er&#x017F;ten Gefahr<lb/>
zu &#x017F;u&#x0364;ndigen/ einem jeden billig geweigert wird; weilen nach Zeugnu&#x0364;ß deß<lb/><note place="left"><hi rendition="#aq">loc. cit.</hi></note>H. Bernardi/ <hi rendition="#fr">Die Zell ein Laden oder Winckel i&#x017F;t aller himm-<lb/>
li&#x017F;chen G&#x016F;ter und go&#x0364;ttlicher Wahren/ und ein un&#x016F;ber-<lb/>
windliche Ve&#x017F;tung wider allen Anlauff der bo&#x0364;&#x017F;en Feinden:</hi><lb/>
Die&#x017F;es hat wohl erfahren der gro&#x017F;&#x017F;e Vatter Antonius/ dahero er pflegte zu<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;agen/</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[236/0264] Die Zwantzigſte. Geiſtliche Lection gluͤcklich fortſchreiten; ſo muſt du vor allem/ wans nicht die Noth erfordert/ deine Zell nicht verlaſſen; und gedencken/ daß dieſe deine gluͤckſelige Stelle: ſeye/ ſo du vor tauſenden dir erwaͤhlet haſt/ in der du aller weltlichen Sorgen enthaben/ deinem Gott allein und deiner Seelen zum beſten dienen koͤnneſt: ein Paradeiß der Wolluͤſten/ daß von dem Reegen der gottlichen Gnaden offt befeuchtiget wird: ein geſchloſſenes Zim̃er der goͤttlichen Liebe/ in dem Braut und Braͤutigam die allerſuͤſſeſte liebkoſende Affecten miteinander wechſelen/ und du deine hertzliche Begirden/ deine Noth und Verlangen vertrewlicher/ als irgend anderswo vortragen moͤgeſt: und daß dieſelbige ſeye ein Vorzim- mer der himmliſchen Glori/ und allerheiligſte Wohnung/ in welcher du mit niemand/ als mit deinem Gott/ der allerſeligſten Jungfrauen Maria/ mit den Außerwaͤhlten und Engelen GOttes zu handlen haſt; daß alſo billig der H. Bernardus deine Wohnung mit dieſen guͤldenen Buchſtaben verzeichnet: Die Zell iſt ein heiliges Land/ und ein heiliger Orth; auff dem der Herr und ſeine Diener oͤffters Sprach halten/ wie ein Freund mit dem andern; ein Orth/ an welchem die trewhertzige Seel mit dem Wort GOttes vielmahl zu- ſammen gefůget/ die Braut ihrem Braͤutigam vermaͤhlet/ und das irrdiſche mit dem himmliſchen/ und mit den menſchlichen die goͤttliche Dinge vereiniget werden. De vit. Solit. c. 4. 2. Jſt dann nicht/ mein Chriſtliche Seel/ ein ſolches Zellulem hoͤher zu ſchaͤtzen/ als alle praͤchtige Gebaͤw/ und alle Kaͤyſer- und Koͤnigliche Pallaͤſt der gantzen Welt? wer ſoll nicht mit Frewden ein ſo Gnaden- und Heyl-rei- ches Plaͤtzlein fleiſſig bewohnen/ auffdem die wahre Vollkommenheit in kur- tzer Zeit mit allem Vergnuͤgen/ und ohne Hindernuͤß erlehrnet wird? derhal- ben ein frommer einſidler ſeinem anbefohlnen Juͤnger immer zu rathen pfleg- te/ er ſolte zu Erlangung der Vollkommenheit ſich einbilden/ daß kein Orth in der Welt mehr uͤbrig waͤre/ als daß zwiſchen denen vier Mauren ſeiner Zellen gelegene Plaͤtzlein/ und daß er nirgend anders das Heyl ſeiner Seelen wircken koͤnte/ als eben daſelbſten/ allwo dem ſteten Einwohner von GOTT gegeben wird/ was auſſer derſelben/ in ſchaͤdlicher Zerſtrewung der Sinnen und Gedancken/ im Schwetzen und Plauderen/ und in der cuſſerſten Gefahr zu ſuͤndigen/ einem jeden billig geweigert wird; weilen nach Zeugnuͤß deß H. Bernardi/ Die Zell ein Laden oder Winckel iſt aller himm- liſchen Gůter und goͤttlicher Wahren/ und ein unůber- windliche Veſtung wider allen Anlauff der boͤſen Feinden: Dieſes hat wohl erfahren der groſſe Vatter Antonius/ dahero er pflegte zu ſagen/ loc. cit.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/264
Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/264>, abgerufen am 04.05.2024.