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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von dem geistlichen Gespräch.
Leibs dem Gespräch beywohne. Nach vollendetem Gespräch soll er sein
Gewissen erforschen/ ob er diese vorgesetzte Stück beobachtet habe/ oder
nicht: und er wird finden/ daß er demselben gebührend nachgelebt habe; so
ist er für solche ihm verliehene Gnad seinem GOtt und HErrn zu dancken
verpflichtet: hat sich aber das Widerspiel zugetragen; so soll er mit gezim-
mender Reu und Leyd über solche begangene Fehler/ einen starcken Vorsatz
machen/ hinführo behutsamer zu reden/ und zu solchem Ende die Hülff deß
Allerhöchsten begehren.

7. Ob nun zwarn die übergroß- und häuffige Früchken/ so auß der ge-
nauen Beobachtung dieser angezogenen Regulen erwachsen/ kaum zu be-
schreiben seynd; so wollen wir doch deren einige in folgenden Worten anzie-
hen; dieses aber vorhero ins gemein versicheren/ daß der jenige/ der sich
vorbesagter Massen in den vorfallenden Gesprächen verhalten wird/ gar
leicht und zeitlich zur gewünschten Vollkommenheit gelangen werde. Ders
nicht glauben will/ der kans probiren. Annebens auch gewiß ist was der
heilige Chrysostomus sagt/ daß/ gleich wie ein guter appetit zum essen/ einHom. 14.
in Gen.
Hom. 8.
de Anna
& Samu-
ele.

Zeichen der Gesundheit ist; also eine Begierd und Liebe zu den geistlichen
Gesprächen/ gleichsam die gröste Zeigerinnen seyen der Seelen-Gesund-
heit. Und wiederumb; gleich wie ein Baum durch öffteres Begiessen zu
einer ansehnlichen Höhe erwachset/ also muß auch den Gipffel der Tugend
erreichen/ welcher mit der Lehr der Göttlichen Reden immer benetzet wird.
Derhalben haben sich in diesen geistlichen Gesprächen die meiste Liebhaber
der Vollkommenheit stets geübet. Wie sehr auch diese Gespräch dem lie-
ben GOTT gefallen/ hat er mit vielen Wunder-Zeichen zu erkennen ge-
ben. Deren wir eins von dem H. Benedicto und Scholastica allhier er-
zehlen. Es pflegte diese H. Jungfrau ihren Bruder den H. Benedictum
jährlichs einmahl zu besuchen; da sie nun dermahln eins zu gemeldtem H.
Mann kame/ gienge selbiger mit einiger seiner Geistlichen seiner Schwe-
ster vor das Kloster entgegen/ und nachdem er sie in ein beygelegenes Hauß
geführet/ brachten selbige den Tag mit Geist-reichen Unterredungen biß
zum Abend zu/ und da der H. Benedictus sich beurlauben wolte/ bettete ihn
die Scholastica/ er mögte doch die Nacht über bey ihr verbleiben/ und selbi-
ge mit weitern geistlichen Gesprächen zuzubringen. Er aber/ in dem sich
länger nicht wolte auffhalten lassen/ magte sich Weg-fertigzund Scholastica
legte vor Traurigkeit ihr Haupt in den Schoß/ und flenge mit vielen Zähren
an Gott inbrünstig zu bitten/ daß er ihren Bruder bey ihr die Nacht überlassen

wol-

Von dem geiſtlichen Geſpraͤch.
Leibs dem Geſpraͤch beywohne. Nach vollendetem Geſpraͤch ſoll er ſein
Gewiſſen erforſchen/ ob er dieſe vorgeſetzte Stuͤck beobachtet habe/ oder
nicht: und er wird finden/ daß er demſelben gebuͤhrend nachgelebt habe; ſo
iſt er fuͤr ſolche ihm verliehene Gnad ſeinem GOtt und HErrn zu dancken
verpflichtet: hat ſich aber das Widerſpiel zugetragen; ſo ſoll er mit gezim-
mender Reu und Leyd uͤber ſolche begangene Fehler/ einen ſtarcken Vorſatz
machen/ hinfuͤhro behutſamer zu reden/ und zu ſolchem Ende die Huͤlff deß
Allerhoͤchſten begehren.

7. Ob nun zwarn die uͤbergroß- und haͤuffige Fruͤchken/ ſo auß der ge-
nauen Beobachtung dieſer angezogenen Regulen erwachſen/ kaum zu be-
ſchreiben ſeynd; ſo wollen wir doch deren einige in folgenden Worten anzie-
hen; dieſes aber vorhero ins gemein verſicheren/ daß der jenige/ der ſich
vorbeſagter Maſſen in den vorfallenden Geſpraͤchen verhalten wird/ gar
leicht und zeitlich zur gewuͤnſchten Vollkommenheit gelangen werde. Ders
nicht glauben will/ der kans probiren. Annebens auch gewiß iſt was der
heilige Chryſoſtomus ſagt/ daß/ gleich wie ein guter appetit zum eſſen/ einHom. 14.
in Gen.
Hom. 8.
de Anna
& Samu-
ele.

Zeichen der Geſundheit iſt; alſo eine Begierd und Liebe zu den geiſtlichen
Geſpraͤchen/ gleichſam die groͤſte Zeigerinnen ſeyen der Seelen-Geſund-
heit. Und wiederumb; gleich wie ein Baum durch oͤffteres Begieſſen zu
einer anſehnlichen Hoͤhe erwachſet/ alſo muß auch den Gipffel der Tugend
erreichen/ welcher mit der Lehr der Goͤttlichen Reden immer benetzet wird.
Derhalben haben ſich in dieſen geiſtlichen Geſpraͤchen die meiſte Liebhaber
der Vollkommenheit ſtets geuͤbet. Wie ſehr auch dieſe Geſpraͤch dem lie-
ben GOTT gefallen/ hat er mit vielen Wunder-Zeichen zu erkennen ge-
ben. Deren wir eins von dem H. Benedicto und Scholaſtica allhier er-
zehlen. Es pflegte dieſe H. Jungfrau ihren Bruder den H. Benedictum
jaͤhrlichs einmahl zu beſuchen; da ſie nun dermahln eins zu gemeldtem H.
Mann kame/ gienge ſelbiger mit einiger ſeiner Geiſtlichen ſeiner Schwe-
ſter vor das Kloſter entgegen/ und nachdem er ſie in ein beygelegenes Hauß
gefuͤhret/ brachten ſelbige den Tag mit Geiſt-reichen Unterredungen biß
zum Abend zu/ und da der H. Benedictus ſich beurlauben wolte/ bettete ihn
die Scholaſtica/ er moͤgte doch die Nacht uͤber bey ihr verbleiben/ und ſelbi-
ge mit weitern geiſtlichen Geſpraͤchen zuzubringen. Er aber/ in dem ſich
laͤnger nicht wolte auffhalten laſſen/ magte ſich Weg-fertigzund Scholaſtica
legte vor Traurigkeit ihr Haupt in den Schoß/ und flenge mit vielen Zaͤhren
an Gott inbruͤnſtig zu bitten/ daß er ihren Bruder bey ihr die Nacht uͤberlaſſen

wol-
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[231/0259] Von dem geiſtlichen Geſpraͤch. Leibs dem Geſpraͤch beywohne. Nach vollendetem Geſpraͤch ſoll er ſein Gewiſſen erforſchen/ ob er dieſe vorgeſetzte Stuͤck beobachtet habe/ oder nicht: und er wird finden/ daß er demſelben gebuͤhrend nachgelebt habe; ſo iſt er fuͤr ſolche ihm verliehene Gnad ſeinem GOtt und HErrn zu dancken verpflichtet: hat ſich aber das Widerſpiel zugetragen; ſo ſoll er mit gezim- mender Reu und Leyd uͤber ſolche begangene Fehler/ einen ſtarcken Vorſatz machen/ hinfuͤhro behutſamer zu reden/ und zu ſolchem Ende die Huͤlff deß Allerhoͤchſten begehren. 7. Ob nun zwarn die uͤbergroß- und haͤuffige Fruͤchken/ ſo auß der ge- nauen Beobachtung dieſer angezogenen Regulen erwachſen/ kaum zu be- ſchreiben ſeynd; ſo wollen wir doch deren einige in folgenden Worten anzie- hen; dieſes aber vorhero ins gemein verſicheren/ daß der jenige/ der ſich vorbeſagter Maſſen in den vorfallenden Geſpraͤchen verhalten wird/ gar leicht und zeitlich zur gewuͤnſchten Vollkommenheit gelangen werde. Ders nicht glauben will/ der kans probiren. Annebens auch gewiß iſt was der heilige Chryſoſtomus ſagt/ daß/ gleich wie ein guter appetit zum eſſen/ ein Zeichen der Geſundheit iſt; alſo eine Begierd und Liebe zu den geiſtlichen Geſpraͤchen/ gleichſam die groͤſte Zeigerinnen ſeyen der Seelen-Geſund- heit. Und wiederumb; gleich wie ein Baum durch oͤffteres Begieſſen zu einer anſehnlichen Hoͤhe erwachſet/ alſo muß auch den Gipffel der Tugend erreichen/ welcher mit der Lehr der Goͤttlichen Reden immer benetzet wird. Derhalben haben ſich in dieſen geiſtlichen Geſpraͤchen die meiſte Liebhaber der Vollkommenheit ſtets geuͤbet. Wie ſehr auch dieſe Geſpraͤch dem lie- ben GOTT gefallen/ hat er mit vielen Wunder-Zeichen zu erkennen ge- ben. Deren wir eins von dem H. Benedicto und Scholaſtica allhier er- zehlen. Es pflegte dieſe H. Jungfrau ihren Bruder den H. Benedictum jaͤhrlichs einmahl zu beſuchen; da ſie nun dermahln eins zu gemeldtem H. Mann kame/ gienge ſelbiger mit einiger ſeiner Geiſtlichen ſeiner Schwe- ſter vor das Kloſter entgegen/ und nachdem er ſie in ein beygelegenes Hauß gefuͤhret/ brachten ſelbige den Tag mit Geiſt-reichen Unterredungen biß zum Abend zu/ und da der H. Benedictus ſich beurlauben wolte/ bettete ihn die Scholaſtica/ er moͤgte doch die Nacht uͤber bey ihr verbleiben/ und ſelbi- ge mit weitern geiſtlichen Geſpraͤchen zuzubringen. Er aber/ in dem ſich laͤnger nicht wolte auffhalten laſſen/ magte ſich Weg-fertigzund Scholaſtica legte vor Traurigkeit ihr Haupt in den Schoß/ und flenge mit vielen Zaͤhren an Gott inbruͤnſtig zu bitten/ daß er ihren Bruder bey ihr die Nacht uͤberlaſſen wol- Hom. 14. in Gen. Hom. 8. de Anna & Samu- ele.

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/259>, abgerufen am 04.05.2024.