Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Die Achtzehende Geistliche Lection hierüber kombt ihm zu Ohren die Stimm eines bitterlich weinenden undseuffzenden Menschen/ so annebens mit diesen jämmerlichen Klag-Reden loßgebrochen: O Wehe/ O wehe mir armen Seelen! ach was Schmer- tzen/ ach was bittere Tormenten leyde ich! O mein gerechter Richter/ wann wirstu doch dieser so unerträglichen und Hertz-brennenden Peinen dermahlen eins ein End machen! Ach meine Brüder/ ach meine Brüder/ ach mögte euch zugelassen werden zu wissen/ was grausame Qualen ich ausstche/ O Brüder mein! und zugleich hat diese Stimm den P. Silvium angeredet/ und gesagt: komme herbey mein lieber Silvius/ komme herbey/ und fürchte dich nicht: ich bin die Seel deines neulich gestorbenen Bru- ders in Christo/ der mich hiehin gesendet hat. Silvius trettet hinzu/ und sichet nichts/ als einen Schatten zur Seiten deß Evangelii. Die Seel aber beklagt sich gantz erbärmlich/ daß sie wegen der Sünden der Zungen unglaubliche Peynen leyde; dahero selbige den P. Silvium umb dreyssig H. H. Messen ersucht hat/ und ist alsbald verschwunden. 8. O wie viele andere haben deß unbehutsamen Redens halber dergleichen mercket
Die Achtzehende Geiſtliche Lection hieruͤber kombt ihm zu Ohren die Stimm eines bitterlich weinenden undſeuffzenden Menſchen/ ſo annebens mit dieſen jaͤmmerlichen Klag-Reden loßgebrochen: O Wehe/ O wehe mir armen Seelen! ach was Schmer- tzen/ ach was bittere Tormenten leyde ich! O mein gerechter Richter/ wann wirſtu doch dieſer ſo unertraͤglichen und Hertz-brennenden Peinen dermahlen eins ein End machen! Ach meine Bruͤder/ ach meine Bruͤder/ ach moͤgte euch zugelaſſen werden zu wiſſen/ was grauſame Qualen ich ausſtche/ O Bruͤder mein! und zugleich hat dieſe Stimm den P. Silvium angeredet/ und geſagt: komme herbey mein lieber Silvius/ komme herbey/ und fuͤrchte dich nicht: ich bin die Seel deines neulich geſtorbenen Bru- ders in Chriſto/ der mich hiehin geſendet hat. Silvius trettet hinzu/ und ſichet nichts/ als einen Schatten zur Seiten deß Evangelii. Die Seel aber beklagt ſich gantz erbaͤrmlich/ daß ſie wegen der Suͤnden der Zungen unglaubliche Peynen leyde; dahero ſelbige den P. Silvium umb dreyſſig H. H. Meſſen erſucht hat/ und iſt alsbald verſchwunden. 8. O wie viele andere haben deß unbehutſamen Redens halber dergleichen mercket
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Die Achtzehende Geiſtliche Lection
hieruͤber kombt ihm zu Ohren die Stimm eines bitterlich weinenden und
ſeuffzenden Menſchen/ ſo annebens mit dieſen jaͤmmerlichen Klag-Reden
loßgebrochen: O Wehe/ O wehe mir armen Seelen! ach was Schmer-
tzen/ ach was bittere Tormenten leyde ich! O mein gerechter Richter/
wann wirſtu doch dieſer ſo unertraͤglichen und Hertz-brennenden Peinen
dermahlen eins ein End machen! Ach meine Bruͤder/ ach meine Bruͤder/
ach moͤgte euch zugelaſſen werden zu wiſſen/ was grauſame Qualen ich
ausſtche/ O Bruͤder mein! und zugleich hat dieſe Stimm den P. Silvium
angeredet/ und geſagt: komme herbey mein lieber Silvius/ komme herbey/
und fuͤrchte dich nicht: ich bin die Seel deines neulich geſtorbenen Bru-
ders in Chriſto/ der mich hiehin geſendet hat. Silvius trettet hinzu/ und
ſichet nichts/ als einen Schatten zur Seiten deß Evangelii. Die Seel
aber beklagt ſich gantz erbaͤrmlich/ daß ſie wegen der Suͤnden der Zungen
unglaubliche Peynen leyde; dahero ſelbige den P. Silvium umb dreyſſig
H. H. Meſſen erſucht hat/ und iſt alsbald verſchwunden.
8. O wie viele andere haben deß unbehutſamen Redens halber dergleichen
klaͤgliche Zeugnuß abgelegt! die wir zu Verhuͤtung der verdrießlichen
Weitlaͤuffigkeit allhier vorbeygehen/ und nur die eintzige heilige und ſorg-
faͤltige Mutter Thereſiam dir vor Augen ſtellen; deren zaͤrtliche Erbar-
mungs-Neigung gegen ihre Tochter in Chriſto ſich dermaſſen erſtrecket/
daß ſie nicht allein in ihren Lebzeiten dieſelbige deß Stillſchweigns unauff-
hoͤrlich erinneret/ ſondern auch nach ihrem Gottſeeligen Hintrit/ und nun-
mehr der himmliſchen Freuden theilhafftig/ die geiſtliche Schweſtern/ da
ſie zu verbottener Zeit geredet/ vermittelſt dreyer Schlaͤgen auff das Thor
ermahnet/ und zu ſchweigen befohlen hat; villeicht derhalben/ damit ſie die
ſchwaͤhre Straffen deß unnoͤthigen und verbottenen Geſchwaͤtzes ſich nit
uͤber den Hals legen moͤgten. Jch ſage/ ſchwaͤre Straffen; dieweilen
nach Zeugnuß deß H. Bernardi/ Boſſen unter den weltlichen Boſſen
ſeynd; im Munde aber eines Prieſters (und warumb auch nicht einer
GOtt- verlobten Perſon?) ſeynd ſie Laͤſterungen. Du haſt/ ſagt er/
deinen Mund gewidmet dem Evangelio/ derentwegen dir nicht zulaͤſſig iſt/
denſelben auffzuſperren dem unnuͤtzigen Plauderen; vielweniger magſtu/
nicht ohne Suͤnd der Gottslaͤſterung/ auß dieſem Ubel eine Gewonheit
machen. Ein ſehr heiliger und GOtt-gefaͤlliger Mann/ Nahmens Se-
verus Sulpitius wird in ſeinem hohen Alter von den boͤſen Kaͤtzeren verlei-
tet; bald aber widerumb zum wahren Glauben gebracht; und da er ver-
mercket
Ribera
in vit. L.
5. c. 4.
Genn. ad
de Viris
Illuſt c. 19
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