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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Siebenzehente Geistliche Lection
mit möglicher Sorgfalt sich enthalten: dahero pflegte er die jenige hart zu
bestraffen/ so dem eitelen und müssigem Schwetzen zugethan waren. Wie
hat uns nicht unser Heyland mit seinen herrlichen Exempel vorgeleuchtet/
Matt. 26.da er von den hohen Priestern in Gegenwart Pilati über viele Sachen an-
geklagt worden/ und gleichwohl ohne Verwunderung deß Richters
sich nicht verantwortet/ der da nicht auß Noth/ sondern auß einer Tugend/
und uns allen zur heylsamen Lehr geschwiegen hat?

4. Was soll ich melden von der glorwürdigen Mutter dieses Erlösers/
so nicht allein in geringen/ sondern auch in wichtigen Dingen die Still-
schweigung unverletzt gehalten hat: dann diese allerweisseste Jungfrau ware
(wie der H. Bernardus beweiset) mit so bescheidener Tugend deß Still-
schweigens gezieret/ daß sie nichts geredet/ so sie nicht vorhin überlegt hatte.
Und obwohln diese verschwiegene Jungfrau ein warhafftiger Spiegel aller
deren ist/ so sich in dieser Tugend zu üben schuldig seynd; so hat sie dannoch
ihre grosse Lieb zu schweigen niemahln besser an Tag gegeben/ als da sie ihr
Bräutigam der H. Joseph hat verlassen wollen; Sie hat stillgeschwiegen/
und ihre Verthätigung der Göttlichen Majestät anbefohlen. Folge/
folge/ mein Christliche Seel/ das Exempel deiner werthen Mutter; und
wann du mit der Gnad deß H. Geistes verlangest erfüllet zu werden/ so lerne
vor allem das Schweigen/ nach dem Rath deß Propheten Jeremiä/ der da
Thren. 3.
v.
28.
spricht: Der wird allein sitzen und schweigen/ dann er hat
das Joch auff sich genommen.
O wie viele Unruhe und Elends
hat sich und andern nicht verursachet deine geschwätzige und frey-gelassene
Zung! und wie grosse Ruhe und innerliche Freud deß Hertzens hastu nicht
empfunden/ und wirst annoch ins künfftig empfinden/ nach dem du selbiges
Thierlein mit dem Zaum deß Stillschweigens dir unterthänig gemacht
hast!

5. Glaube den Heiligen und grossen dieneren GOttes/ so wegen der
einmahl geschmeckten Süssigkeit/ welche das Stillschweigen verursachet/
nichts so eifferig verlanget haben/ als von den Menschen abgesöndert zu
S. Dami-
an. in Vi-
ta ejus.
In Vita.
werden/ und in dieser Tugend sich zu üben. Der H. Romualdus/ ein al-
ter greisser Mann/ hat sich in eine unflätige Höhle eingesperret/ und sieben
Jahr langdas Stillschweigen unstrafflich gehalten. Mir ist nicht wun-
der/ daß die heilige Catharina Senensis zu solcher grossen Heiligkeit ge-
langet/ indem ich lese/ daß selbige drey gantze Jahr/ gleichsamb ohne

Sprach

Die Siebenzehente Geiſtliche Lection
mit moͤglicher Sorgfalt ſich enthalten: dahero pflegte er die jenige hart zu
beſtraffen/ ſo dem eitelen und muͤſſigem Schwetzen zugethan waren. Wie
hat uns nicht unſer Heyland mit ſeinen herrlichen Exempel vorgeleuchtet/
Matt. 26.da er von den hohen Prieſtern in Gegenwart Pilati uͤber viele Sachen an-
geklagt worden/ und gleichwohl ohne Verwunderung deß Richters
ſich nicht verantwortet/ der da nicht auß Noth/ ſondern auß einer Tugend/
und uns allen zur heylſamen Lehr geſchwiegen hat?

4. Was ſoll ich melden von der glorwuͤrdigen Mutter dieſes Erloͤſers/
ſo nicht allein in geringen/ ſondern auch in wichtigen Dingen die Still-
ſchweigung unverletzt gehalten hat: dann dieſe allerweiſſeſte Jungfrau ware
(wie der H. Bernardus beweiſet) mit ſo beſcheidener Tugend deß Still-
ſchweigens gezieret/ daß ſie nichts geredet/ ſo ſie nicht vorhin uͤberlegt hatte.
Und obwohln dieſe verſchwiegene Jungfrau ein warhafftiger Spiegel aller
deren iſt/ ſo ſich in dieſer Tugend zu uͤben ſchuldig ſeynd; ſo hat ſie dannoch
ihre groſſe Lieb zu ſchweigen niemahln beſſer an Tag gegeben/ als da ſie ihr
Braͤutigam der H. Joſeph hat verlaſſen wollen; Sie hat ſtillgeſchwiegen/
und ihre Verthaͤtigung der Goͤttlichen Majeſtaͤt anbefohlen. Folge/
folge/ mein Chriſtliche Seel/ das Exempel deiner werthen Mutter; und
wann du mit der Gnad deß H. Geiſtes verlangeſt erfuͤllet zu werden/ ſo lerne
vor allem das Schweigen/ nach dem Rath deß Propheten Jeremiaͤ/ der da
Thren. 3.
v.
28.
ſpricht: Der wird allein ſitzen und ſchweigen/ dann er hat
das Joch auff ſich genommen.
O wie viele Unruhe und Elends
hat ſich und andern nicht verurſachet deine geſchwaͤtzige und frey-gelaſſene
Zung! und wie groſſe Ruhe und innerliche Freud deß Hertzens haſtu nicht
empfunden/ und wirſt annoch ins kuͤnfftig empfinden/ nach dem du ſelbiges
Thierlein mit dem Zaum deß Stillſchweigens dir unterthaͤnig gemacht
haſt!

5. Glaube den Heiligen und groſſen dieneren GOttes/ ſo wegen der
einmahl geſchmeckten Suͤſſigkeit/ welche das Stillſchweigen verurſachet/
nichts ſo eifferig verlanget haben/ als von den Menſchen abgeſoͤndert zu
S. Dami-
an. in Vi-
ta ejus.
In Vita.
werden/ und in dieſer Tugend ſich zu uͤben. Der H. Romualdus/ ein al-
ter greiſſer Mann/ hat ſich in eine unflaͤtige Hoͤhle eingeſperret/ und ſieben
Jahr langdas Stillſchweigen unſtrafflich gehalten. Mir iſt nicht wun-
der/ daß die heilige Catharina Senenſis zu ſolcher groſſen Heiligkeit ge-
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[206/0234] Die Siebenzehente Geiſtliche Lection mit moͤglicher Sorgfalt ſich enthalten: dahero pflegte er die jenige hart zu beſtraffen/ ſo dem eitelen und muͤſſigem Schwetzen zugethan waren. Wie hat uns nicht unſer Heyland mit ſeinen herrlichen Exempel vorgeleuchtet/ da er von den hohen Prieſtern in Gegenwart Pilati uͤber viele Sachen an- geklagt worden/ und gleichwohl ohne Verwunderung deß Richters ſich nicht verantwortet/ der da nicht auß Noth/ ſondern auß einer Tugend/ und uns allen zur heylſamen Lehr geſchwiegen hat? Matt. 26. 4. Was ſoll ich melden von der glorwuͤrdigen Mutter dieſes Erloͤſers/ ſo nicht allein in geringen/ ſondern auch in wichtigen Dingen die Still- ſchweigung unverletzt gehalten hat: dann dieſe allerweiſſeſte Jungfrau ware (wie der H. Bernardus beweiſet) mit ſo beſcheidener Tugend deß Still- ſchweigens gezieret/ daß ſie nichts geredet/ ſo ſie nicht vorhin uͤberlegt hatte. Und obwohln dieſe verſchwiegene Jungfrau ein warhafftiger Spiegel aller deren iſt/ ſo ſich in dieſer Tugend zu uͤben ſchuldig ſeynd; ſo hat ſie dannoch ihre groſſe Lieb zu ſchweigen niemahln beſſer an Tag gegeben/ als da ſie ihr Braͤutigam der H. Joſeph hat verlaſſen wollen; Sie hat ſtillgeſchwiegen/ und ihre Verthaͤtigung der Goͤttlichen Majeſtaͤt anbefohlen. Folge/ folge/ mein Chriſtliche Seel/ das Exempel deiner werthen Mutter; und wann du mit der Gnad deß H. Geiſtes verlangeſt erfuͤllet zu werden/ ſo lerne vor allem das Schweigen/ nach dem Rath deß Propheten Jeremiaͤ/ der da ſpricht: Der wird allein ſitzen und ſchweigen/ dann er hat das Joch auff ſich genommen. O wie viele Unruhe und Elends hat ſich und andern nicht verurſachet deine geſchwaͤtzige und frey-gelaſſene Zung! und wie groſſe Ruhe und innerliche Freud deß Hertzens haſtu nicht empfunden/ und wirſt annoch ins kuͤnfftig empfinden/ nach dem du ſelbiges Thierlein mit dem Zaum deß Stillſchweigens dir unterthaͤnig gemacht haſt! Thren. 3. v. 28. 5. Glaube den Heiligen und groſſen dieneren GOttes/ ſo wegen der einmahl geſchmeckten Suͤſſigkeit/ welche das Stillſchweigen verurſachet/ nichts ſo eifferig verlanget haben/ als von den Menſchen abgeſoͤndert zu werden/ und in dieſer Tugend ſich zu uͤben. Der H. Romualdus/ ein al- ter greiſſer Mann/ hat ſich in eine unflaͤtige Hoͤhle eingeſperret/ und ſieben Jahr langdas Stillſchweigen unſtrafflich gehalten. Mir iſt nicht wun- der/ daß die heilige Catharina Senenſis zu ſolcher groſſen Heiligkeit ge- langet/ indem ich leſe/ daß ſelbige drey gantze Jahr/ gleichſamb ohne Sprach S. Dami- an. in Vi- ta ejus. In Vita.

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/234>, abgerufen am 26.04.2024.