Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

Bild:
<< vorherige Seite

Von der Geilheit.
ihr auf den Fersen nach die Reu und das Leydwesen. Nit weniger ruffet der H.In Epist.
Hieronym. mit diesen Worten überlaut: Owie saur/ O wie saur ist die Frucht
der Geilheit! bitterer als Gall/ entsetzlicher als ein blenckendes Schwerde!
Und an einem andern Orth schreyet der obgemeldte Kirchen Lehrer also auß:
O Geilheit/ du Höllisches Feuer/ dessen Brenn-Holtz der Fraß/ dessen
Flamm die Hoffart/ dessen Funcken die böse Gespräch/ dessen Rauch ein
Schand-Fleck/ dessen Aschen die Unreinigket/ und dessen End ist die ver-
dambte Ewigkeit! Auch lasset sich hören unser hoch-erleuchte Vatter Au-
gustinus mit diesen Klag-Reden: O wie grosse Ungerechtigkeit und böse
Gottlosigkeit ist dieses; daß ein geiler Mensch seine Seel/ die Christus mit
seinem Allerheiligsten Blut erlöset hat/ wegen einer augenblicklichen Freud
deß Muthwills dem Teuffel verkauffe! Jst daß nicht/ in Warheit/ ein Er-
barmungs und Beklagungs-werther Standt/ in dem gar geschwind vorbey
gehet/ was den Menschen belüstiget; und durch den Teuffel im Creutz ver-
bleibet/ daß ohne Unterlaß creutziget. Der Anfall deß Mutwills verschwin-
det in einem Augenblick/ und die Schand der unglückhaffter Seelen bleibt
unmerzu. Jn diesem Unflat/ sagt der hoch-erleuchte Climacus/ fallen die
Anfangende wegen deß unziemlichen Fraß: die jenige/ so in den Tugenden
zunehmen/ wegen der Hoffart und die Vollkommene wegen deß freventli-
chen Urtheils/ dessen sie sich über ihren Nächsten gebrauchen. Derwegen
diese drey schädtliche Anreitzer von allen mit grosser Sorgfalt müssen ge-
meidet werden.

2. Von den Alten kombt dieses nicht unebene Sinn-Gedicht her/ daß der
Teuffel habe zur Ehe genommen die Ungerechtfertigkeit; auß der er unterschied-
liche Töchter gezielet: deren ältiste/ nemblich die Hoffart/ hat er den Adli-
chen; den Geitz und Wucher den Kauffleuten; die Rauberey und das Steh-
len den Soldaten; das Liegen und Triegen den Advocaten und Handwerck-
Leuten! die Simonia oder Verkauffung der geistlichen Gütern/ den
Welt-Geistlichen; die Gleyßnerey den Ordens-Leuten/ und die Miß-
gunst den Höfflingen vermählet. Die Geilheit aber habe er an kei-
nen verheyratet; sondern habe selbige allen frey und gemein gelassen; da-
mit er durch diese desto mehr Menschen gewinnen könne. Diesem ist also/
mein Christliche Seel/ zumahlen die Geilheit ein so gemeines Laster ist/ daß
es schier das gantze menschliche Geschlecht vergiffte/ und ins Verderben
stürtze. Hat nicht diese Sünde alle Menschen/ wenig außgenommen/
durch die erschreckliche Sündfluth vertilget? Hat nicht die edele
Städt und Landschafften Sodomam und Gomorram mit allen Jnwöhnern
dieses böse Laster zu Grund gerichtet? und/ wolte GOtt/ daß nicht biß auff

heutige

Von der Geilheit.
ihr auf den Ferſen nach die Reu und das Leydweſen. Nit weniger ruffet der H.In Epiſt.
Hieronym. mit dieſen Wortẽ uͤberlaut: Owie ſaur/ O wie ſaur iſt die Frucht
der Geilheit! bitterer als Gall/ entſetzlicher als ein blenckendes Schwerde!
Und an einem andern Orth ſchreyet der obgemeldte Kirchen Lehrer alſo auß:
O Geilheit/ du Hoͤlliſches Feuer/ deſſen Brenn-Holtz der Fraß/ deſſen
Flamm die Hoffart/ deſſen Funcken die boͤſe Geſpraͤch/ deſſen Rauch ein
Schand-Fleck/ deſſen Aſchen die Unreinigket/ und deſſen End iſt die ver-
dambte Ewigkeit! Auch laſſet ſich hoͤren unſer hoch-erleuchte Vatter Au-
guſtinus mit dieſen Klag-Reden: O wie groſſe Ungerechtigkeit und boͤſe
Gottloſigkeit iſt dieſes; daß ein geiler Menſch ſeine Seel/ die Chriſtus mit
ſeinem Allerheiligſten Blut erloͤſet hat/ wegen einer augenblicklichen Freud
deß Muthwills dem Teuffel verkauffe! Jſt daß nicht/ in Warheit/ ein Er-
barmungs und Beklagungs-werther Standt/ in dem gar geſchwind vorbey
gehet/ was den Menſchen beluͤſtiget; und durch den Teuffel im Creutz ver-
bleibet/ daß ohne Unterlaß creutziget. Der Anfall deß Mutwills verſchwin-
det in einem Augenblick/ und die Schand der ungluͤckhaffter Seelen bleibt
unmerzu. Jn dieſem Unflat/ ſagt der hoch-erleuchte Climacus/ fallen die
Anfangende wegen deß unziemlichen Fraß: die jenige/ ſo in den Tugenden
zunehmen/ wegen der Hoffart und die Vollkommene wegen deß freventli-
chen Urtheils/ deſſen ſie ſich uͤber ihren Naͤchſten gebrauchen. Derwegen
dieſe drey ſchaͤdtliche Anreitzer von allen mit groſſer Sorgfalt muͤſſen ge-
meidet werden.

2. Von den Alten kombt dieſes nicht unebene Sinn-Gedicht her/ daß der
Teuffel habe zur Ehe genom̃en die Ungerechtfertigkeit; auß der er unterſchied-
liche Toͤchter gezielet: deren aͤltiſte/ nemblich die Hoffart/ hat er den Adli-
chen; den Geitz und Wucher den Kauffleuten; die Rauberey und das Steh-
len den Soldaten; das Liegen und Triegen den Advocaten und Handwerck-
Leuten! die Simonia oder Verkauffung der geiſtlichen Guͤtern/ den
Welt-Geiſtlichen; die Gleyßnerey den Ordens-Leuten/ und die Miß-
gunſt den Hoͤfflingen vermaͤhlet. Die Geilheit aber habe er an kei-
nen verheyratet; ſondern habe ſelbige allen frey und gemein gelaſſen; da-
mit er durch dieſe deſto mehr Menſchen gewinnen koͤnne. Dieſem iſt alſo/
mein Chriſtliche Seel/ zumahlen die Geilheit ein ſo gemeines Laſter iſt/ daß
es ſchier das gantze menſchliche Geſchlecht vergiffte/ und ins Verderben
ſtuͤrtze. Hat nicht dieſe Suͤnde alle Menſchen/ wenig außgenommen/
durch die erſchreckliche Suͤndfluth vertilget? Hat nicht die edele
Staͤdt und Landſchafften Sodomam und Gomorram mit allen Jnwoͤhnern
dieſes boͤſe Laſter zu Grund gerichtet? und/ wolte GOtt/ daß nicht biß auff

heutige
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0227" n="199"/><fw place="top" type="header">Von der Geilheit.</fw><lb/>
ihr auf den Fer&#x017F;en nach die Reu und das Leydwe&#x017F;en. Nit weniger ruffet der H.<note place="right"><hi rendition="#aq">In Epi&#x017F;t.</hi></note><lb/>
Hieronym. mit die&#x017F;en Worte&#x0303; u&#x0364;berlaut: Owie &#x017F;aur/ O wie &#x017F;aur i&#x017F;t die Frucht<lb/>
der Geilheit! bitterer als Gall/ ent&#x017F;etzlicher als ein blenckendes Schwerde!<lb/>
Und an einem andern Orth &#x017F;chreyet der obgemeldte Kirchen Lehrer al&#x017F;o auß:<lb/>
O Geilheit/ du Ho&#x0364;lli&#x017F;ches Feuer/ de&#x017F;&#x017F;en Brenn-<hi rendition="#fr">H</hi>oltz der Fraß/ de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Flamm die Hoffart/ de&#x017F;&#x017F;en Funcken die bo&#x0364;&#x017F;e Ge&#x017F;pra&#x0364;ch/ de&#x017F;&#x017F;en Rauch ein<lb/>
Schand-Fleck/ de&#x017F;&#x017F;en A&#x017F;chen die Unreinigket/ und de&#x017F;&#x017F;en End i&#x017F;t die ver-<lb/>
dambte Ewigkeit! Auch la&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ich ho&#x0364;ren un&#x017F;er hoch-erleuchte Vatter Au-<lb/>
gu&#x017F;tinus mit die&#x017F;en Klag-Reden: O wie gro&#x017F;&#x017F;e Ungerechtigkeit und bo&#x0364;&#x017F;e<lb/>
Gottlo&#x017F;igkeit i&#x017F;t die&#x017F;es; daß ein geiler Men&#x017F;ch &#x017F;eine Seel/ die Chri&#x017F;tus mit<lb/>
&#x017F;einem Allerheilig&#x017F;ten Blut erlo&#x0364;&#x017F;et hat/ wegen einer augenblicklichen Freud<lb/>
deß Muthwills dem Teuffel verkauffe! J&#x017F;t daß nicht/ in Warheit/ ein Er-<lb/>
barmungs und Beklagungs-werther Standt/ in dem gar ge&#x017F;chwind vorbey<lb/>
gehet/ was den Men&#x017F;chen belu&#x0364;&#x017F;tiget; und durch den Teuffel im Creutz ver-<lb/>
bleibet/ daß ohne Unterlaß creutziget. Der Anfall deß Mutwills ver&#x017F;chwin-<lb/>
det in einem Augenblick/ und die Schand der unglu&#x0364;ckhaffter Seelen bleibt<lb/>
unmerzu. Jn die&#x017F;em Unflat/ &#x017F;agt der hoch-erleuchte Climacus/ fallen die<lb/>
Anfangende wegen deß unziemlichen Fraß: die jenige/ &#x017F;o in den Tugenden<lb/>
zunehmen/ wegen der Hoffart und die Vollkommene wegen deß freventli-<lb/>
chen Urtheils/ de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie &#x017F;ich u&#x0364;ber ihren Na&#x0364;ch&#x017F;ten gebrauchen. Derwegen<lb/>
die&#x017F;e drey &#x017F;cha&#x0364;dtliche Anreitzer von allen mit gro&#x017F;&#x017F;er Sorgfalt mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en ge-<lb/>
meidet werden.</p><lb/>
          <p>2. Von den Alten kombt die&#x017F;es nicht unebene Sinn-Gedicht her/ daß der<lb/>
Teuffel habe zur Ehe genom&#x0303;en die Ungerechtfertigkeit; auß der er unter&#x017F;chied-<lb/>
liche To&#x0364;chter gezielet: deren a&#x0364;lti&#x017F;te/ nemblich die Hoffart/ hat er den Adli-<lb/>
chen; den Geitz und Wucher den Kauffleuten; die Rauberey und das Steh-<lb/>
len den Soldaten; das Liegen und Triegen den Advocaten und Handwerck-<lb/>
Leuten! die Simonia oder Verkauffung der gei&#x017F;tlichen Gu&#x0364;tern/ den<lb/>
Welt-Gei&#x017F;tlichen; die Gleyßnerey den Ordens-Leuten/ und die Miß-<lb/>
gun&#x017F;t den Ho&#x0364;fflingen verma&#x0364;hlet. Die Geilheit aber habe er an kei-<lb/>
nen verheyratet; &#x017F;ondern habe &#x017F;elbige allen frey und gemein gela&#x017F;&#x017F;en; da-<lb/>
mit er durch die&#x017F;e de&#x017F;to mehr Men&#x017F;chen gewinnen ko&#x0364;nne. Die&#x017F;em i&#x017F;t al&#x017F;o/<lb/>
mein Chri&#x017F;tliche Seel/ zumahlen die Geilheit ein &#x017F;o gemeines La&#x017F;ter i&#x017F;t/ daß<lb/>
es &#x017F;chier das gantze men&#x017F;chliche Ge&#x017F;chlecht vergiffte/ und ins Verderben<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;rtze. <hi rendition="#fr">H</hi>at nicht die&#x017F;e Su&#x0364;nde alle Men&#x017F;chen/ wenig außgenommen/<lb/>
durch die er&#x017F;chreckliche Su&#x0364;ndfluth vertilget? Hat nicht die edele<lb/>
Sta&#x0364;dt und Land&#x017F;chafften Sodomam und Gomorram mit allen Jnwo&#x0364;hnern<lb/>
die&#x017F;es bo&#x0364;&#x017F;e La&#x017F;ter zu Grund gerichtet? und/ wolte GOtt/ daß nicht biß auff<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">heutige</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0227] Von der Geilheit. ihr auf den Ferſen nach die Reu und das Leydweſen. Nit weniger ruffet der H. Hieronym. mit dieſen Wortẽ uͤberlaut: Owie ſaur/ O wie ſaur iſt die Frucht der Geilheit! bitterer als Gall/ entſetzlicher als ein blenckendes Schwerde! Und an einem andern Orth ſchreyet der obgemeldte Kirchen Lehrer alſo auß: O Geilheit/ du Hoͤlliſches Feuer/ deſſen Brenn-Holtz der Fraß/ deſſen Flamm die Hoffart/ deſſen Funcken die boͤſe Geſpraͤch/ deſſen Rauch ein Schand-Fleck/ deſſen Aſchen die Unreinigket/ und deſſen End iſt die ver- dambte Ewigkeit! Auch laſſet ſich hoͤren unſer hoch-erleuchte Vatter Au- guſtinus mit dieſen Klag-Reden: O wie groſſe Ungerechtigkeit und boͤſe Gottloſigkeit iſt dieſes; daß ein geiler Menſch ſeine Seel/ die Chriſtus mit ſeinem Allerheiligſten Blut erloͤſet hat/ wegen einer augenblicklichen Freud deß Muthwills dem Teuffel verkauffe! Jſt daß nicht/ in Warheit/ ein Er- barmungs und Beklagungs-werther Standt/ in dem gar geſchwind vorbey gehet/ was den Menſchen beluͤſtiget; und durch den Teuffel im Creutz ver- bleibet/ daß ohne Unterlaß creutziget. Der Anfall deß Mutwills verſchwin- det in einem Augenblick/ und die Schand der ungluͤckhaffter Seelen bleibt unmerzu. Jn dieſem Unflat/ ſagt der hoch-erleuchte Climacus/ fallen die Anfangende wegen deß unziemlichen Fraß: die jenige/ ſo in den Tugenden zunehmen/ wegen der Hoffart und die Vollkommene wegen deß freventli- chen Urtheils/ deſſen ſie ſich uͤber ihren Naͤchſten gebrauchen. Derwegen dieſe drey ſchaͤdtliche Anreitzer von allen mit groſſer Sorgfalt muͤſſen ge- meidet werden. In Epiſt. 2. Von den Alten kombt dieſes nicht unebene Sinn-Gedicht her/ daß der Teuffel habe zur Ehe genom̃en die Ungerechtfertigkeit; auß der er unterſchied- liche Toͤchter gezielet: deren aͤltiſte/ nemblich die Hoffart/ hat er den Adli- chen; den Geitz und Wucher den Kauffleuten; die Rauberey und das Steh- len den Soldaten; das Liegen und Triegen den Advocaten und Handwerck- Leuten! die Simonia oder Verkauffung der geiſtlichen Guͤtern/ den Welt-Geiſtlichen; die Gleyßnerey den Ordens-Leuten/ und die Miß- gunſt den Hoͤfflingen vermaͤhlet. Die Geilheit aber habe er an kei- nen verheyratet; ſondern habe ſelbige allen frey und gemein gelaſſen; da- mit er durch dieſe deſto mehr Menſchen gewinnen koͤnne. Dieſem iſt alſo/ mein Chriſtliche Seel/ zumahlen die Geilheit ein ſo gemeines Laſter iſt/ daß es ſchier das gantze menſchliche Geſchlecht vergiffte/ und ins Verderben ſtuͤrtze. Hat nicht dieſe Suͤnde alle Menſchen/ wenig außgenommen/ durch die erſchreckliche Suͤndfluth vertilget? Hat nicht die edele Staͤdt und Landſchafften Sodomam und Gomorram mit allen Jnwoͤhnern dieſes boͤſe Laſter zu Grund gerichtet? und/ wolte GOtt/ daß nicht biß auff heutige

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/227
Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/227>, abgerufen am 19.04.2024.