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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die fünffzehende Geistliche Lection
Tract. 65.
In Cant.
der halben sagt recht der Heil. Bernardus: Bey einem Weibs-Bild
wohnen/ und selbiges nicht erkennen/ ist ein grösseres
Wunder/ als da ist einen Todten aufferwecken: Daß nun
von beyden das geringste ist/ das kanst du nicht außrichten;
wie sollich dir dann glauben/ daß du könnes thuen das jeni-
ge/ so das gröste Werck ist?

Doct[n].
10.

15. Höre an mein Christliche Seel die Wort deß H. Dorothei, es ist dir bes-
ser/ daß du einen tödtlichen Roost essest/ als daß du mit einem Weib zu Tisch
sitzest; auch so gar mit deiner Mutter und Schwester. Dienlicher ist es es-
sen mit einer Schlangen/ als mit einem leichtfertigen Frawen-Zimmer/ und
soll es schon dein eigene Schwester seyn: dan/ obwohl du mit deiner Mutter/
Schwester oder Bluts-Verwandtinn nicht würdest sündigen; nicht desto
weniger wirst du durch deren Conversation an das weibliche Geschlecht er-
innert: welches/ obschon schwache Gefässer seynd/ so ist doch nichts über ihre
Stärcke/ krafft deren sie behertzigte Männer zu bodem werffen. So viel nun
die Gefahren angehet/ die dem Menschen von der Gemeinschafft mit den
L. 1. p. 1. c.
25. de
Erud.
Dan.
2.
Weibs-Bildern zustosset/ leget selbige gar artig auß der gelehrte Richardus
de Victoria
durch Bildnüß deß gewaltigen Königs Nabuchodonosoris:
das Haubt dieser Bildnüß ware vom besten Gold gemacht; die Brust und
Armen waren von Silber; der Bauch und Schenckel auß Kupffer/ die Bein
aber waren von Eysen gemacht: also bestunde dieß gantze grosse Werck auß
dem kostbaresten und zugleich auch hartestem Ertz; und ist dannoch dieses al-
les augenblicklich zu Staub worden; wie die H. Schrifft bezeuget: da ward
das Eysen/ und das Kupffer/ das Golt und das Silber miteinander zum
Staub zermalmet; was ist aber die Urfach gewesen dieses erschröcklichen
und urplötzlichen Falls? Es ist ein Stein abgerissen worden/ der hat das
Bild an den eysenen und erdenen Füssen getroffen/ und hat sie zermahlet:
Was ist der Glantz deß güldenen Haubts anders/ als das Fewer deß himm-
lischen Eyffers und Verlangen? Was kan durch die Klarheit der Brust und
der silbernen Armen besser verstanden werden/ als die Gewißheit eines auff-
richtigen Raths; und die Auffrichtigkeit deß vergewisserten Wercks? Also
bedeuteten alle diese Metallen unterschiedliche Tugenden/ welche in einer
Seel/ so da zur Vollkommenheit schreitet/ mit ungemeiner Herrligkeit
leuchten: Was hat aber die Bildnüß zum Fall gebracht? Durch die erdene
Fuß-Sohlen wird billig verstanden der wollüstige Uberfluß. Ein eintziges
kleines Steinlein/ ein eintziges unkeusches Wörtlein/ ein eintziger geiler An-
blick/ ein eintzige unreine Gedancke/ oder unordentliche Sitten/ ein eintzige

nicht

Die fuͤnffzehende Geiſtliche Lection
Tract. 65.
In Cant.
der halben ſagt recht der Heil. Bernardus: Bey einem Weibs-Bild
wohnen/ und ſelbiges nicht erkennen/ iſt ein groͤſſeres
Wunder/ als da iſt einen Todten aufferwecken: Daß nun
von beyden das geringſte iſt/ das kanſt du nicht außrichten;
wie ſollich dir dann glauben/ daß du koͤnnes thuen das jeni-
ge/ ſo das groͤſte Werck iſt?

Doct[n].
10.

15. Hoͤre an mein Chriſtliche Seel die Wort deß H. Dorothei, es iſt dir beſ-
ſer/ daß du einen toͤdtlichen Rooſt eſſeſt/ als daß du mit einem Weib zu Tiſch
ſitzeſt; auch ſo gar mit deiner Mutter und Schweſter. Dienlicher iſt es eſ-
ſen mit einer Schlangen/ als mit einem leichtfertigen Frawen-Zimmer/ und
ſoll es ſchon dein eigene Schweſter ſeyn: dan/ obwohl du mit deiner Mutter/
Schweſter oder Bluts-Verwandtinn nicht wuͤrdeſt ſuͤndigen; nicht deſto
weniger wirſt du durch deren Converſation an das weibliche Geſchlecht er-
innert: welches/ obſchon ſchwache Gefaͤſſer ſeynd/ ſo iſt doch nichts uͤber ihre
Staͤrcke/ krafft deren ſie behertzigte Maͤnner zu bodem werffen. So viel nun
die Gefahren angehet/ die dem Menſchen von der Gemeinſchafft mit den
L. 1. p. 1. c.
25. de
Erud.
Dan.
2.
Weibs-Bildern zuſtoſſet/ leget ſelbige gar artig auß der gelehrte Richardus
de Victoria
durch Bildnuͤß deß gewaltigen Koͤnigs Nabuchodonoſoris:
das Haubt dieſer Bildnuͤß ware vom beſten Gold gemacht; die Bruſt und
Armen waren von Silber; der Bauch und Schenckel auß Kupffer/ die Bein
aber waren von Eyſen gemacht: alſo beſtunde dieß gantze groſſe Werck auß
dem koſtbareſten und zugleich auch harteſtem Ertz; und iſt dannoch dieſes al-
les augenblicklich zu Staub worden; wie die H. Schrifft bezeuget: da ward
das Eyſen/ und das Kupffer/ das Golt und das Silber miteinander zum
Staub zermalmet; was iſt aber die Urfach geweſen dieſes erſchroͤcklichen
und urploͤtzlichen Falls? Es iſt ein Stein abgeriſſen worden/ der hat das
Bild an den eyſenen und erdenen Fuͤſſen getroffen/ und hat ſie zermahlet:
Was iſt der Glantz deß guͤldenen Haubts anders/ als das Fewer deß himm-
liſchen Eyffers und Verlangen? Was kan durch die Klarheit der Bruſt und
der ſilbernen Armen beſſer verſtanden werden/ als die Gewißheit eines auff-
richtigen Raths; und die Auffrichtigkeit deß vergewiſſerten Wercks? Alſo
bedeuteten alle dieſe Metallen unterſchiedliche Tugenden/ welche in einer
Seel/ ſo da zur Vollkommenheit ſchreitet/ mit ungemeiner Herrligkeit
leuchten: Was hat aber die Bildnuͤß zum Fall gebracht? Durch die erdene
Fuß-Sohlen wird billig verſtanden der wolluͤſtige Uberfluß. Ein eintziges
kleines Steinlein/ ein eintziges unkeuſches Woͤrtlein/ ein eintziger geiler An-
blick/ ein eintzige unreine Gedancke/ oder unordentliche Sitten/ ein eintzige

nicht
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[196/0224] Die fuͤnffzehende Geiſtliche Lection der halben ſagt recht der Heil. Bernardus: Bey einem Weibs-Bild wohnen/ und ſelbiges nicht erkennen/ iſt ein groͤſſeres Wunder/ als da iſt einen Todten aufferwecken: Daß nun von beyden das geringſte iſt/ das kanſt du nicht außrichten; wie ſollich dir dann glauben/ daß du koͤnnes thuen das jeni- ge/ ſo das groͤſte Werck iſt? Tract. 65. In Cant. 15. Hoͤre an mein Chriſtliche Seel die Wort deß H. Dorothei, es iſt dir beſ- ſer/ daß du einen toͤdtlichen Rooſt eſſeſt/ als daß du mit einem Weib zu Tiſch ſitzeſt; auch ſo gar mit deiner Mutter und Schweſter. Dienlicher iſt es eſ- ſen mit einer Schlangen/ als mit einem leichtfertigen Frawen-Zimmer/ und ſoll es ſchon dein eigene Schweſter ſeyn: dan/ obwohl du mit deiner Mutter/ Schweſter oder Bluts-Verwandtinn nicht wuͤrdeſt ſuͤndigen; nicht deſto weniger wirſt du durch deren Converſation an das weibliche Geſchlecht er- innert: welches/ obſchon ſchwache Gefaͤſſer ſeynd/ ſo iſt doch nichts uͤber ihre Staͤrcke/ krafft deren ſie behertzigte Maͤnner zu bodem werffen. So viel nun die Gefahren angehet/ die dem Menſchen von der Gemeinſchafft mit den Weibs-Bildern zuſtoſſet/ leget ſelbige gar artig auß der gelehrte Richardus de Victoria durch Bildnuͤß deß gewaltigen Koͤnigs Nabuchodonoſoris: das Haubt dieſer Bildnuͤß ware vom beſten Gold gemacht; die Bruſt und Armen waren von Silber; der Bauch und Schenckel auß Kupffer/ die Bein aber waren von Eyſen gemacht: alſo beſtunde dieß gantze groſſe Werck auß dem koſtbareſten und zugleich auch harteſtem Ertz; und iſt dannoch dieſes al- les augenblicklich zu Staub worden; wie die H. Schrifft bezeuget: da ward das Eyſen/ und das Kupffer/ das Golt und das Silber miteinander zum Staub zermalmet; was iſt aber die Urfach geweſen dieſes erſchroͤcklichen und urploͤtzlichen Falls? Es iſt ein Stein abgeriſſen worden/ der hat das Bild an den eyſenen und erdenen Fuͤſſen getroffen/ und hat ſie zermahlet: Was iſt der Glantz deß guͤldenen Haubts anders/ als das Fewer deß himm- liſchen Eyffers und Verlangen? Was kan durch die Klarheit der Bruſt und der ſilbernen Armen beſſer verſtanden werden/ als die Gewißheit eines auff- richtigen Raths; und die Auffrichtigkeit deß vergewiſſerten Wercks? Alſo bedeuteten alle dieſe Metallen unterſchiedliche Tugenden/ welche in einer Seel/ ſo da zur Vollkommenheit ſchreitet/ mit ungemeiner Herrligkeit leuchten: Was hat aber die Bildnuͤß zum Fall gebracht? Durch die erdene Fuß-Sohlen wird billig verſtanden der wolluͤſtige Uberfluß. Ein eintziges kleines Steinlein/ ein eintziges unkeuſches Woͤrtlein/ ein eintziger geiler An- blick/ ein eintzige unreine Gedancke/ oder unordentliche Sitten/ ein eintzige nicht L. 1. p. 1. c. 25. de Erud. Dan. 2.

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/224>, abgerufen am 16.04.2024.