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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von der Keuschheit.
Fresserey und Trunckenheit/ als einen Angel der Geilheit
fliehe. Das andere Blatt
der Keuschheit ist/ grobe Kleidung an blo-
sem Leib tragen: so der H. Bernardus mit diesen Wortenbekräfftiget: gleich
wie ein zarte Weichheit der Kleider eine Unreinigkeit verursachet/ also er-
haltet die Hartigkeit und Grobheit derselben den Menschen in der Keusch-
heit. Ein höffärtige und weiche Kleider-Tragt ist ein Dorn/ so das schöneNum. 25.
Blatt der Keuschheit zerreisset/ und zum Verderben richtet: dahero ist ge-
schehen/ daß die Kinder Jsrael mit den Moabitischen Weibern/ welche mit
schönen Kleidern geschmücket waren/ gesündiget haben. Das dritte
Blatt
ist die Meidung deß Müssiggangs/ der da ist ein wahrer Zündel der
Unkeuschheit; wie recht der Heil. Chrysostomus meldet: das Laster der Geil-
heit erwachsset sehr leichtlich auß dem Müssiggang: weilen die Liebe von den
Gelehrten entworffen wird/ daß sie seye eine Bewegung oder Betrug der
müssigen Seele: Diesem vorgestellten Entwurff fallet auch bey der spitz-
findige Poet Ovidius mit diesen Worten:

Otia si tollas, periere Cupidinis arcus.
daß ist:
Cupidinis Bogen halst im Zwang/
Wann du fliehst den Mussiggang.
Wiederumb:
Quaeritur AEgystus quare sit factus Adulter?
In promptu causa est: desidiosus erat.
Die Frage ist/ warumb AEgyst
Die Ehe gebrochen habe?
Die Antwort ist/ dieweil AEgyst
Fast immer mussig ware.

Das vierte Blatt wird erhalten durch sorgfältige Bewahrung der
Sinnen/ und sonderbahr der Augen und Ohren: Wilst du nun/ daß die-
ses liebliche Blättlein unverletzt an der Blumen verbleibe/ so behüte selbiges/
so viel dir möglich ist/ für den spitzigen Dorn deß Vorwitz und Begirde/
neue und eytele Dinge zu sehen und zu hören: und versichere dich/ daß von
dem Dorn der Newschirigkeit diese edele Blum/ insonderheit bey dem vor-
witzigen Frawen-Zimmer jämmerlich zerrissen werde. Das funffte
Blatt
deiner Lilien leidet auch grossen Schaden von scharffen Dörnen

der
A a

Von der Keuſchheit.
Freſſerey und Trunckenheit/ als einen Angel der Geilheit
fliehe. Das andere Blatt
der Keuſchheit iſt/ grobe Kleidung an blo-
ſem Leib tragen: ſo der H. Bernardus mit dieſen Wortenbekraͤfftiget: gleich
wie ein zarte Weichheit der Kleider eine Unreinigkeit verurſachet/ alſo er-
haltet die Hartigkeit und Grobheit derſelben den Menſchen in der Keuſch-
heit. Ein hoͤffaͤrtige und weiche Kleider-Tragt iſt ein Dorn/ ſo das ſchoͤneNum. 25.
Blatt der Keuſchheit zerreiſſet/ und zum Verderben richtet: dahero iſt ge-
ſchehen/ daß die Kinder Jſrael mit den Moabitiſchen Weibern/ welche mit
ſchoͤnen Kleidern geſchmuͤcket waren/ geſuͤndiget haben. Das dritte
Blatt
iſt die Meidung deß Muͤſſiggangs/ der da iſt ein wahrer Zuͤndel der
Unkeuſchheit; wie recht der Heil. Chryſoſtomus meldet: das Laſter der Geil-
heit erwachſſet ſehr leichtlich auß dem Muͤſſiggang: weilen die Liebe von den
Gelehrten entworffen wird/ daß ſie ſeye eine Bewegung oder Betrug der
muͤſſigen Seele: Dieſem vorgeſtellten Entwurff fallet auch bey der ſpitz-
findige Poet Ovidius mit dieſen Worten:

Otia ſi tollas, periêre Cupidinis arcus.
daß iſt:
Cupidinis Bogen halſt im Zwang/
Wann du fliehſt den Můſſiggang.
Wiederumb:
Quæritur Ægyſtus quare ſit factus Adulter?
In promptu cauſa eſt: deſidioſus erat.
Die Frage iſt/ warumb Ægyſt
Die Ehe gebrochen habe?
Die Antwort iſt/ dieweil Ægyſt
Faſt immer můſſig ware.

Das vierte Blatt wird erhalten durch ſorgfaͤltige Bewahrung der
Sinnen/ und ſonderbahr der Augen und Ohren: Wilſt du nun/ daß die-
ſes liebliche Blaͤttlein unverletzt an der Blumen verbleibe/ ſo behuͤte ſelbiges/
ſo viel dir moͤglich iſt/ fuͤr den ſpitzigen Dorn deß Vorwitz und Begirde/
neue und eytele Dinge zu ſehen und zu hoͤren: und verſichere dich/ daß von
dem Dorn der Newſchirigkeit dieſe edele Blum/ inſonderheit bey dem vor-
witzigen Frawen-Zimmer jaͤmmerlich zerriſſen werde. Das fůnffte
Blatt
deiner Lilien leidet auch groſſen Schaden von ſcharffen Doͤrnen

der
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[185/0213] Von der Keuſchheit. Freſſerey und Trunckenheit/ als einen Angel der Geilheit fliehe. Das andere Blatt der Keuſchheit iſt/ grobe Kleidung an blo- ſem Leib tragen: ſo der H. Bernardus mit dieſen Wortenbekraͤfftiget: gleich wie ein zarte Weichheit der Kleider eine Unreinigkeit verurſachet/ alſo er- haltet die Hartigkeit und Grobheit derſelben den Menſchen in der Keuſch- heit. Ein hoͤffaͤrtige und weiche Kleider-Tragt iſt ein Dorn/ ſo das ſchoͤne Blatt der Keuſchheit zerreiſſet/ und zum Verderben richtet: dahero iſt ge- ſchehen/ daß die Kinder Jſrael mit den Moabitiſchen Weibern/ welche mit ſchoͤnen Kleidern geſchmuͤcket waren/ geſuͤndiget haben. Das dritte Blatt iſt die Meidung deß Muͤſſiggangs/ der da iſt ein wahrer Zuͤndel der Unkeuſchheit; wie recht der Heil. Chryſoſtomus meldet: das Laſter der Geil- heit erwachſſet ſehr leichtlich auß dem Muͤſſiggang: weilen die Liebe von den Gelehrten entworffen wird/ daß ſie ſeye eine Bewegung oder Betrug der muͤſſigen Seele: Dieſem vorgeſtellten Entwurff fallet auch bey der ſpitz- findige Poet Ovidius mit dieſen Worten: Num. 25. Otia ſi tollas, periêre Cupidinis arcus. daß iſt: Cupidinis Bogen halſt im Zwang/ Wann du fliehſt den Můſſiggang. Wiederumb: Quæritur Ægyſtus quare ſit factus Adulter? In promptu cauſa eſt: deſidioſus erat. Die Frage iſt/ warumb Ægyſt Die Ehe gebrochen habe? Die Antwort iſt/ dieweil Ægyſt Faſt immer můſſig ware. Das vierte Blatt wird erhalten durch ſorgfaͤltige Bewahrung der Sinnen/ und ſonderbahr der Augen und Ohren: Wilſt du nun/ daß die- ſes liebliche Blaͤttlein unverletzt an der Blumen verbleibe/ ſo behuͤte ſelbiges/ ſo viel dir moͤglich iſt/ fuͤr den ſpitzigen Dorn deß Vorwitz und Begirde/ neue und eytele Dinge zu ſehen und zu hoͤren: und verſichere dich/ daß von dem Dorn der Newſchirigkeit dieſe edele Blum/ inſonderheit bey dem vor- witzigen Frawen-Zimmer jaͤmmerlich zerriſſen werde. Das fůnffte Blatt deiner Lilien leidet auch groſſen Schaden von ſcharffen Doͤrnen der A a

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/213>, abgerufen am 20.04.2024.