Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Fünffzehende Geistliche Lection
Werckzeug ist die Tugenden deß Manns zu verkehren. Es ist aber die
Keuschheit ein so stattliche Tugend/ daß der Eingebohrne Sohn GOttes
selbige an der Glorwürdigen Jungfrauen Maria sonderbahr beobachtet/
und derhalben hat er sie vor allen andern heiligen Weibern zu seiner Mutter
erwehlet. Worauß dan auch furnemlich abzunehmen ist/ daß kein kräfftigers
Mittel um die Göttliche Gaben sich fähig zu machen seye/ als ein demüthige
und reine Keuschheit; vermög der unsere Seelen Christo dem himmlischen
Bräutigam vermehlet werden. Und was kan vortrefflicher/ was kan an-
nehmlicher erdacht werden/ als solche Vermehlung? Bey mir ists schier
eine Unmöglichkeit/ daß ein keuscher Mensch könne ewig verlohren gehen.
Und gleich wie die Brauten grosser Fürsten und Herrn/ wann sie Treu
halten/ fast alles von ihren Bräutigamben zu erlangen vermögen (wie an
der Esther/ so die Befreyung der gantzen Judenschafft von dem Assuer[o]
erhalten/ zu sehen ist) also und noch viel mehr wird eine Braut deß himmli-
schen Königs alles und sonderbahr die Errettung auß dem Sünden-Ker-
cker für ihren Nächsten erwerben können. Und gleich wie die himmlischt
Jungfrau/ wann sie im Thier-Kreiß herrschet/ das Erdreich sehr frucht-
bar machet: also die Keuschheit bringt allerhand Früchten der Ehren/ der
Ehrbarkeit und der überhäuffigen Gnaden/ wann sie im Hertzen deß
Menschen regieret.

2. Ob zwarn nun fast jederman bekandt ist; daß die jungfräuliche Keusch-
heit der sauberen und schönen Lilien ins gemein verglichen werde wegen der
annehmlichen weissen Farbe/ mit der sie glintzet: so seynd doch viele/ die
nicht beobachten/ daß/ gleich wie an einer Lilien seynd sechs weisse Blätter/
und in Mitten der Blumen einige gleichsamb güldene Körnlein gefunden
werden; also auch an der Keuschheit sechs Blätter/ zu Erhaltung der Rei-
nigkeit dieser Lilien zu finden seyen: deren das erste Blatt ist die Nüch-
terkeit; das ist/ nach Meinung deß heiligen Kirchen-Lehrers Hieronymi/
mässig seyn in Essen und Trincken: welches Blatt von der Ubernehmung
der Speisen und Trancks/ gleich wie von einem Dorn zerrissen wird: dann
die Füllerey und die Trunckenheit seynd der Weeg zur Unkeuschheit und
Geylheit; wie sichs an dem Loth erwiesen/ so in der Trunckenheit eine dop-
Eph. 5.pelte Blutschand begangen hat: dahero sagt der Apostel: Sauffet euch
nicht voll im Wein/ darinn ein unzuchtig Wesen ist.
Und
nach diesem spricht der gelehrte Tertullianus also: Die Truncken-
L. de Spe-
ctacul.
heit und Geylheit haben sichmit einander verbunden und
verschwohren: so ist dannvor allen nöthig/ daß man die

Fres-

Die Fuͤnffzehende Geiſtliche Lection
Werckzeug iſt die Tugenden deß Manns zu verkehren. Es iſt aber die
Keuſchheit ein ſo ſtattliche Tugend/ daß der Eingebohrne Sohn GOttes
ſelbige an der Glorwuͤrdigen Jungfrauen Maria ſonderbahr beobachtet/
und derhalben hat er ſie vor allen andern heiligen Weibern zu ſeiner Mutter
erwehlet. Worauß dan auch furnemlich abzunehmen iſt/ daß kein kraͤfftigers
Mittel um die Goͤttliche Gaben ſich faͤhig zu machen ſeye/ als ein demuͤthige
und reine Keuſchheit; vermoͤg der unſere Seelen Chriſto dem himmliſchen
Braͤutigam vermehlet werden. Und was kan vortrefflicher/ was kan an-
nehmlicher erdacht werden/ als ſolche Vermehlung? Bey mir iſts ſchier
eine Unmoͤglichkeit/ daß ein keuſcher Menſch koͤnne ewig verlohren gehen.
Und gleich wie die Brauten groſſer Fuͤrſten und Herrn/ wann ſie Treu
halten/ faſt alles von ihren Braͤutigamben zu erlangen vermoͤgen (wie an
der Eſther/ ſo die Befreyung der gantzen Judenſchafft von dem Aſſuer[o]
erhalten/ zu ſehen iſt) alſo und noch viel mehr wird eine Braut deß himmli-
ſchen Koͤnigs alles und ſonderbahr die Errettung auß dem Suͤnden-Ker-
cker fuͤr ihren Naͤchſten erwerben koͤnnen. Und gleich wie die himmliſcht
Jungfrau/ wann ſie im Thier-Kreiß herrſchet/ das Erdreich ſehr frucht-
bar machet: alſo die Keuſchheit bringt allerhand Fruͤchten der Ehren/ der
Ehrbarkeit und der uͤberhaͤuffigen Gnaden/ wann ſie im Hertzen deß
Menſchen regieret.

2. Ob zwarn nun faſt jederman bekandt iſt; daß die jungfraͤuliche Keuſch-
heit der ſauberen und ſchoͤnen Lilien ins gemein verglichen werde wegen der
annehmlichen weiſſen Farbe/ mit der ſie glintzet: ſo ſeynd doch viele/ die
nicht beobachten/ daß/ gleich wie an einer Lilien ſeynd ſechs weiſſe Blaͤtter/
und in Mitten der Blumen einige gleichſamb guͤldene Koͤrnlein gefunden
werden; alſo auch an der Keuſchheit ſechs Blaͤtter/ zu Erhaltung der Rei-
nigkeit dieſer Lilien zu finden ſeyen: deren das erſte Blatt iſt die Nuͤch-
terkeit; das iſt/ nach Meinung deß heiligen Kirchen-Lehrers Hieronymi/
maͤſſig ſeyn in Eſſen und Trincken: welches Blatt von der Ubernehmung
der Speiſen und Trancks/ gleich wie von einem Dorn zerriſſen wird: dann
die Fuͤllerey und die Trunckenheit ſeynd der Weeg zur Unkeuſchheit und
Geylheit; wie ſichs an dem Loth erwieſen/ ſo in der Trunckenheit eine dop-
Eph. 5.pelte Blutſchand begangen hat: dahero ſagt der Apoſtel: Sauffet euch
nicht voll im Wein/ darinn ein unzůchtig Weſen iſt.
Und
nach dieſem ſpricht der gelehrte Tertullianus alſo: Die Truncken-
L. de Spe-
ctacul.
heit und Geylheit haben ſichmit einander verbunden und
verſchwohren: ſo iſt dannvor allen noͤthig/ daß man die

Freſ-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0212" n="184"/><fw place="top" type="header">Die Fu&#x0364;nffzehende Gei&#x017F;tliche <hi rendition="#aq">Lection</hi></fw><lb/>
Werckzeug i&#x017F;t die Tugenden deß Manns zu verkehren. Es i&#x017F;t aber die<lb/>
Keu&#x017F;chheit ein &#x017F;o &#x017F;tattliche Tugend/ daß der Eingebohrne Sohn GOttes<lb/>
&#x017F;elbige an der Glorwu&#x0364;rdigen Jungfrauen Maria &#x017F;onderbahr beobachtet/<lb/>
und derhalben hat er &#x017F;ie vor allen andern heiligen Weibern zu &#x017F;einer Mutter<lb/>
erwehlet. Worauß dan auch furnemlich abzunehmen i&#x017F;t/ daß kein kra&#x0364;fftigers<lb/>
Mittel um die Go&#x0364;ttliche Gaben &#x017F;ich fa&#x0364;hig zu machen &#x017F;eye/ als ein demu&#x0364;thige<lb/>
und reine Keu&#x017F;chheit; vermo&#x0364;g der un&#x017F;ere Seelen Chri&#x017F;to dem himmli&#x017F;chen<lb/>
Bra&#x0364;utigam vermehlet werden. Und was kan vortrefflicher/ was kan an-<lb/>
nehmlicher erdacht werden/ als &#x017F;olche Vermehlung? Bey mir i&#x017F;ts &#x017F;chier<lb/>
eine Unmo&#x0364;glichkeit/ daß ein keu&#x017F;cher Men&#x017F;ch ko&#x0364;nne ewig verlohren gehen.<lb/>
Und gleich wie die Brauten gro&#x017F;&#x017F;er Fu&#x0364;r&#x017F;ten und <hi rendition="#fr">H</hi>errn/ wann &#x017F;ie Treu<lb/>
halten/ fa&#x017F;t alles von ihren Bra&#x0364;utigamben zu erlangen vermo&#x0364;gen (wie an<lb/>
der E&#x017F;ther/ &#x017F;o die Befreyung der gantzen Juden&#x017F;chafft von dem A&#x017F;&#x017F;uer<supplied>o</supplied><lb/>
erhalten/ zu &#x017F;ehen i&#x017F;t) al&#x017F;o und noch viel mehr wird eine Braut deß himmli-<lb/>
&#x017F;chen Ko&#x0364;nigs alles und &#x017F;onderbahr die Errettung auß dem Su&#x0364;nden-Ker-<lb/>
cker fu&#x0364;r ihren Na&#x0364;ch&#x017F;ten erwerben ko&#x0364;nnen. Und gleich wie die himmli&#x017F;cht<lb/>
Jungfrau/ wann &#x017F;ie im Thier-Kreiß herr&#x017F;chet/ das Erdreich &#x017F;ehr frucht-<lb/>
bar machet: al&#x017F;o die Keu&#x017F;chheit bringt allerhand Fru&#x0364;chten der Ehren/ der<lb/>
Ehrbarkeit und der u&#x0364;berha&#x0364;uffigen Gnaden/ wann &#x017F;ie im Hertzen deß<lb/>
Men&#x017F;chen regieret.</p><lb/>
          <p>2. Ob zwarn nun fa&#x017F;t jederman bekandt i&#x017F;t; daß die jungfra&#x0364;uliche Keu&#x017F;ch-<lb/>
heit der &#x017F;auberen und &#x017F;cho&#x0364;nen Lilien ins gemein verglichen werde wegen der<lb/>
annehmlichen wei&#x017F;&#x017F;en Farbe/ mit der &#x017F;ie glintzet: &#x017F;o &#x017F;eynd doch viele/ die<lb/>
nicht beobachten/ daß/ gleich wie an einer Lilien &#x017F;eynd &#x017F;echs wei&#x017F;&#x017F;e Bla&#x0364;tter/<lb/>
und in Mitten der Blumen einige gleich&#x017F;amb gu&#x0364;ldene Ko&#x0364;rnlein gefunden<lb/>
werden; al&#x017F;o auch an der Keu&#x017F;chheit &#x017F;echs Bla&#x0364;tter/ zu Erhaltung der Rei-<lb/>
nigkeit die&#x017F;er Lilien zu finden &#x017F;eyen: deren das <hi rendition="#fr">er&#x017F;te Blatt</hi> i&#x017F;t die Nu&#x0364;ch-<lb/>
terkeit; das i&#x017F;t/ nach <choice><sic>Meinnng</sic><corr>Meinung</corr></choice> deß heiligen Kirchen-Lehrers Hieronymi/<lb/>
ma&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig &#x017F;eyn in E&#x017F;&#x017F;en und Trincken: welches Blatt von der Ubernehmung<lb/>
der Spei&#x017F;en und Trancks/ gleich wie von einem Dorn zerri&#x017F;&#x017F;en wird: dann<lb/>
die Fu&#x0364;llerey und die Trunckenheit &#x017F;eynd der Weeg zur Unkeu&#x017F;chheit und<lb/>
Geylheit; wie &#x017F;ichs an dem Loth erwie&#x017F;en/ &#x017F;o in der Trunckenheit eine dop-<lb/><note place="left"><hi rendition="#aq">Eph.</hi> 5.</note>pelte Blut&#x017F;chand begangen hat: dahero &#x017F;agt der Apo&#x017F;tel: <hi rendition="#fr">Sauffet euch<lb/>
nicht voll im Wein/ darinn ein unz&#x016F;chtig We&#x017F;en i&#x017F;t.</hi> Und<lb/>
nach die&#x017F;em &#x017F;pricht der gelehrte Tertullianus al&#x017F;o: <hi rendition="#fr">Die Truncken-</hi><lb/><note place="left"><hi rendition="#aq">L. de Spe-<lb/>
ctacul.</hi></note><hi rendition="#fr">heit und Geylheit haben &#x017F;ichmit einander verbunden und<lb/>
ver&#x017F;chwohren: &#x017F;o i&#x017F;t dannvor allen no&#x0364;thig/ daß man die</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Fre&#x017F;-</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[184/0212] Die Fuͤnffzehende Geiſtliche Lection Werckzeug iſt die Tugenden deß Manns zu verkehren. Es iſt aber die Keuſchheit ein ſo ſtattliche Tugend/ daß der Eingebohrne Sohn GOttes ſelbige an der Glorwuͤrdigen Jungfrauen Maria ſonderbahr beobachtet/ und derhalben hat er ſie vor allen andern heiligen Weibern zu ſeiner Mutter erwehlet. Worauß dan auch furnemlich abzunehmen iſt/ daß kein kraͤfftigers Mittel um die Goͤttliche Gaben ſich faͤhig zu machen ſeye/ als ein demuͤthige und reine Keuſchheit; vermoͤg der unſere Seelen Chriſto dem himmliſchen Braͤutigam vermehlet werden. Und was kan vortrefflicher/ was kan an- nehmlicher erdacht werden/ als ſolche Vermehlung? Bey mir iſts ſchier eine Unmoͤglichkeit/ daß ein keuſcher Menſch koͤnne ewig verlohren gehen. Und gleich wie die Brauten groſſer Fuͤrſten und Herrn/ wann ſie Treu halten/ faſt alles von ihren Braͤutigamben zu erlangen vermoͤgen (wie an der Eſther/ ſo die Befreyung der gantzen Judenſchafft von dem Aſſuero erhalten/ zu ſehen iſt) alſo und noch viel mehr wird eine Braut deß himmli- ſchen Koͤnigs alles und ſonderbahr die Errettung auß dem Suͤnden-Ker- cker fuͤr ihren Naͤchſten erwerben koͤnnen. Und gleich wie die himmliſcht Jungfrau/ wann ſie im Thier-Kreiß herrſchet/ das Erdreich ſehr frucht- bar machet: alſo die Keuſchheit bringt allerhand Fruͤchten der Ehren/ der Ehrbarkeit und der uͤberhaͤuffigen Gnaden/ wann ſie im Hertzen deß Menſchen regieret. 2. Ob zwarn nun faſt jederman bekandt iſt; daß die jungfraͤuliche Keuſch- heit der ſauberen und ſchoͤnen Lilien ins gemein verglichen werde wegen der annehmlichen weiſſen Farbe/ mit der ſie glintzet: ſo ſeynd doch viele/ die nicht beobachten/ daß/ gleich wie an einer Lilien ſeynd ſechs weiſſe Blaͤtter/ und in Mitten der Blumen einige gleichſamb guͤldene Koͤrnlein gefunden werden; alſo auch an der Keuſchheit ſechs Blaͤtter/ zu Erhaltung der Rei- nigkeit dieſer Lilien zu finden ſeyen: deren das erſte Blatt iſt die Nuͤch- terkeit; das iſt/ nach Meinung deß heiligen Kirchen-Lehrers Hieronymi/ maͤſſig ſeyn in Eſſen und Trincken: welches Blatt von der Ubernehmung der Speiſen und Trancks/ gleich wie von einem Dorn zerriſſen wird: dann die Fuͤllerey und die Trunckenheit ſeynd der Weeg zur Unkeuſchheit und Geylheit; wie ſichs an dem Loth erwieſen/ ſo in der Trunckenheit eine dop- pelte Blutſchand begangen hat: dahero ſagt der Apoſtel: Sauffet euch nicht voll im Wein/ darinn ein unzůchtig Weſen iſt. Und nach dieſem ſpricht der gelehrte Tertullianus alſo: Die Truncken- heit und Geylheit haben ſichmit einander verbunden und verſchwohren: ſo iſt dannvor allen noͤthig/ daß man die Freſ- Eph. 5. L. de Spe- ctacul.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/212
Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/212>, abgerufen am 11.05.2024.