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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von der Armut.
hats gleichwohl müssen entbehren. Mit einem Wort muß ich und kan bil-
lich sagen/ daß das gantze Leben unsers Seligmachers nicht allein sehr arm/
sondern die Armut selbst gewesen seye. Dann er ist gewesen arm/ armer
und der aller armste. Arm; dieweilen er nackend und von allen verspottet
am Creutz gehangen ist. Armer; zumahln da er gedürstet/ auch keinen
Trunck Wassers hat haben können. Der allerarmste; sintemahlen er
kein Platz gefunden/ da er seyn heiligste Haupt hätte anlehnen können nach
Zeugnuß deß Cvangelisten: Die Fuchs haben Löcher/ und dieMatt. c.8.
Vögel deß Himmels haben Nester: aber deß Menschen
Sohn/ hat/ nicht da er seyn Haupt hinlehne.
Diese eusse-
rigste Armut hat Er aber gelitten/ auff daß Er derselben Vortreffligkeit
und grosse Vollkommenheit uns andeuten/ und zur selbigen uns mit seinem
herrlichen Vorzug auffmuntern mögte/ wie der Apostel sagt: umb un-
sertwillen ist er arm worden/ da er Reich war/ damit wir durch seine Ar-
mut reich würden.

3. Wer ist dann reicher/ als dem das reich der Himmelen gebühret?
dieses gehöret den Armen/ vermög der Verheissung Christi: Seelig seynd
die Armen im Geist; dann ihnen ist das Himmelreich. Er sagt nicht/
ihnen wird seyn; sondern ihnen ist/ das Himmelreich. Welcher
Gestalt aber diese Armen das Himmelreich anjetzo besitzen/ das erklähret
uns der Geist-reiche Rodericus durch diese Gleichnuß. Gleich wie dasPar. 3. Tr.
3. c.
2.

güldene Geschier/ oder der kostbahre Stein/ für welchen du dem Wechsler
nach seinem Begehren hundert Ducaten bietest; dein ist/ ob schon er selbi-
ges Geschier oder Stein noch in seinem Hauß hat/ und dir noch nicht ge-
liebert ist; also gehört der Himmel den Armen im Geist zu/ welcher dar-
für gegeben/ was er gehabt hat. Beynebens ist auch der Stand dieser
Armen so glückseelig; das er wegen seiner Glückseeligkeit gleichsamb das
Reich der Himmeln könne genennet werden. Dann sie werden nicht al-
lein für das jenige/ so sie umb GOttes Willen verlassen/ die ewige Freuden
besitzen; sondern werden auch in biesem Leben viele himmlische Gnaden
und Gaaben erlangen/ nach den Worten Christi: Sie werden hun-
dertfältig wiederbekommen/ und das ewige Leben besitzen.

Allhier fragt nun der H. Petrus Damianus/ was ist das hundertfältige
anders/ als die Vertröstungen/ die Heimsuchungen und Gnaden deß H.
Geistes/ der über Hönig süß ist? Was ist es anders/ als das erfreu-
liche Zeugnuß eines guten Gewissens? Was kan man anders drauß
machen/ als eben eine fröhliche und annehmliche Erwartung der Ge-
rechten; und als eine Gedächtnüß der überflüssigen Süssigkeit

GOt-

Von der Armut.
hats gleichwohl muͤſſen entbehren. Mit einem Wort muß ich und kan bil-
lich ſagen/ daß das gantze Leben unſers Seligmachers nicht allein ſehr arm/
ſondern die Armut ſelbſt geweſen ſeye. Dann er iſt geweſen arm/ armer
und der aller armſte. Arm; dieweilen er nackend und von allen verſpottet
am Creutz gehangen iſt. Armer; zumahln da er geduͤrſtet/ auch keinen
Trunck Waſſers hat haben koͤnnen. Der allerarmſte; ſintemahlen er
kein Platz gefunden/ da er ſeyn heiligſte Haupt haͤtte anlehnen koͤnnen nach
Zeugnuß deß Cvangeliſten: Die Fůchs haben Loͤcher/ und dieMatt. c.8.
Voͤgel deß Himmels haben Neſter: aber deß Menſchen
Sohn/ hat/ nicht da er ſeyn Haupt hinlehne.
Dieſe euſſe-
rigſte Armut hat Er aber gelitten/ auff daß Er derſelben Vortreffligkeit
und groſſe Vollkommenheit uns andeuten/ und zur ſelbigen uns mit ſeinem
herrlichen Vorzug auffmuntern moͤgte/ wie der Apoſtel ſagt: umb un-
ſertwillen iſt er arm worden/ da er Reich war/ damit wir durch ſeine Ar-
mut reich wuͤrden.

3. Wer iſt dann reicher/ als dem das reich der Himmelen gebuͤhret?
dieſes gehoͤret den Armen/ vermoͤg der Verheiſſung Chriſti: Seelig ſeynd
die Armen im Geiſt; dann ihnen iſt das Himmelreich. Er ſagt nicht/
ihnen wird ſeyn; ſondern ihnen iſt/ das Himmelreich. Welcher
Geſtalt aber dieſe Armen das Himmelreich anjetzo beſitzen/ das erklaͤhret
uns der Geiſt-reiche Rodericus durch dieſe Gleichnuß. Gleich wie dasPar. 3. Tr.
3. c.
2.

guͤldene Geſchier/ oder der koſtbahre Stein/ fuͤr welchen du dem Wechsler
nach ſeinem Begehren hundert Ducaten bieteſt; dein iſt/ ob ſchon er ſelbi-
ges Geſchier oder Stein noch in ſeinem Hauß hat/ und dir noch nicht ge-
liebert iſt; alſo gehoͤrt der Himmel den Armen im Geiſt zu/ welcher dar-
fuͤr gegeben/ was er gehabt hat. Beynebens iſt auch der Stand dieſer
Armen ſo gluͤckſeelig; das er wegen ſeiner Gluͤckſeeligkeit gleichſamb das
Reich der Himmeln koͤnne genennet werden. Dann ſie werden nicht al-
lein fuͤr das jenige/ ſo ſie umb GOttes Willen verlaſſen/ die ewige Freuden
beſitzen; ſondern werden auch in bieſem Leben viele himmliſche Gnaden
und Gaaben erlangen/ nach den Worten Chriſti: Sie werden hun-
dertfaͤltig wiederbekommen/ und das ewige Leben beſitzen.

Allhier fragt nun der H. Petrus Damianus/ was iſt das hundertfaͤltige
anders/ als die Vertroͤſtungen/ die Heimſuchungen und Gnaden deß H.
Geiſtes/ der uͤber Hoͤnig ſuͤß iſt? Was iſt es anders/ als das erfreu-
liche Zeugnuß eines guten Gewiſſens? Was kan man anders drauß
machen/ als eben eine froͤhliche und annehmliche Erwartung der Ge-
rechten; und als eine Gedaͤchtnuͤß der uͤberfluͤſſigen Suͤſſigkeit

GOt-
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[167/0195] Von der Armut. hats gleichwohl muͤſſen entbehren. Mit einem Wort muß ich und kan bil- lich ſagen/ daß das gantze Leben unſers Seligmachers nicht allein ſehr arm/ ſondern die Armut ſelbſt geweſen ſeye. Dann er iſt geweſen arm/ armer und der aller armſte. Arm; dieweilen er nackend und von allen verſpottet am Creutz gehangen iſt. Armer; zumahln da er geduͤrſtet/ auch keinen Trunck Waſſers hat haben koͤnnen. Der allerarmſte; ſintemahlen er kein Platz gefunden/ da er ſeyn heiligſte Haupt haͤtte anlehnen koͤnnen nach Zeugnuß deß Cvangeliſten: Die Fůchs haben Loͤcher/ und die Voͤgel deß Himmels haben Neſter: aber deß Menſchen Sohn/ hat/ nicht da er ſeyn Haupt hinlehne. Dieſe euſſe- rigſte Armut hat Er aber gelitten/ auff daß Er derſelben Vortreffligkeit und groſſe Vollkommenheit uns andeuten/ und zur ſelbigen uns mit ſeinem herrlichen Vorzug auffmuntern moͤgte/ wie der Apoſtel ſagt: umb un- ſertwillen iſt er arm worden/ da er Reich war/ damit wir durch ſeine Ar- mut reich wuͤrden. Matt. c.8. 3. Wer iſt dann reicher/ als dem das reich der Himmelen gebuͤhret? dieſes gehoͤret den Armen/ vermoͤg der Verheiſſung Chriſti: Seelig ſeynd die Armen im Geiſt; dann ihnen iſt das Himmelreich. Er ſagt nicht/ ihnen wird ſeyn; ſondern ihnen iſt/ das Himmelreich. Welcher Geſtalt aber dieſe Armen das Himmelreich anjetzo beſitzen/ das erklaͤhret uns der Geiſt-reiche Rodericus durch dieſe Gleichnuß. Gleich wie das guͤldene Geſchier/ oder der koſtbahre Stein/ fuͤr welchen du dem Wechsler nach ſeinem Begehren hundert Ducaten bieteſt; dein iſt/ ob ſchon er ſelbi- ges Geſchier oder Stein noch in ſeinem Hauß hat/ und dir noch nicht ge- liebert iſt; alſo gehoͤrt der Himmel den Armen im Geiſt zu/ welcher dar- fuͤr gegeben/ was er gehabt hat. Beynebens iſt auch der Stand dieſer Armen ſo gluͤckſeelig; das er wegen ſeiner Gluͤckſeeligkeit gleichſamb das Reich der Himmeln koͤnne genennet werden. Dann ſie werden nicht al- lein fuͤr das jenige/ ſo ſie umb GOttes Willen verlaſſen/ die ewige Freuden beſitzen; ſondern werden auch in bieſem Leben viele himmliſche Gnaden und Gaaben erlangen/ nach den Worten Chriſti: Sie werden hun- dertfaͤltig wiederbekommen/ und das ewige Leben beſitzen. Allhier fragt nun der H. Petrus Damianus/ was iſt das hundertfaͤltige anders/ als die Vertroͤſtungen/ die Heimſuchungen und Gnaden deß H. Geiſtes/ der uͤber Hoͤnig ſuͤß iſt? Was iſt es anders/ als das erfreu- liche Zeugnuß eines guten Gewiſſens? Was kan man anders drauß machen/ als eben eine froͤhliche und annehmliche Erwartung der Ge- rechten; und als eine Gedaͤchtnuͤß der uͤberfluͤſſigen Suͤſſigkeit GOt- Par. 3. Tr. 3. c. 2.

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/195>, abgerufen am 24.11.2024.