Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Die dreyzehende Geistliche Lection Mensch sich getraue dem allerschärffesten Urtheil GOttes sich nicht ohnebitterlichen und augenscheinlichen Seelen-Schaden zu unterwerffen. Die- ses vermute stu dich/ indem du die Vorstehung gern annimbst/ und andern vorgezogen zu werden/ einen Gefallen hast. Ob zwarn nun viele Ursachen deß so scharffen Gerichts über die Vorsteher könnten beygebracht werden; so muß ich dir doch eins auß dem Thurn deß Heyls unseres Patris Jgnatii vor Augen stellen; daß nemblich dieses Urtheil erschrecklich seyn werde/ so viel die geurtheilte Sach betrifft: dann du wirst nicht allein von deinen/ sondern auch von den Wercken derjenigen/ so dir anbefohlen seynd/ genaue Rechenschafft geben müssen; so wohl deß Bösen/ daß sie gethan/ als auch deß Guten/ daß sie unterlassen haben/ und hätten thun sollen: und also muß ein Vorsteher der Geistlichen die begangene Brüche der Fasten/ und Enthaltungen/ so von diesem und jenem beschehen/ verantworten. Daß dieser oder jener dem GOttes-Dienst verabsaumet; seine Zung nicht im Zaum gehalten/ und zu verbottener Zeit geredet; und ausserhalb seiner Cellen im Kloster/ oder auch vermittelst einer von der Obrigkeit betriegli- cher Weiß erhaltenen und nicht examinirten Erlaubnuß in der Stadt her- umb geschweiffet seye; und für dergleichen andere Uberschreitungen mehr/ muß stehen der arme Vorsteher; derhalben recht ein Vorsteher genennet wird. Es macht auch annebens diesen Greul noch erheblicher der Heil. Apostel Paulus; indem er nach gegebenen Befelch an die Unterthanen die- Hebr. v. 17.ses Jnhalts: Gehorsamet euren Vorstehern/ und seyet ihnen unterworffen: von denen also redet: Dann sie wachen/ als die Rechnug geben werden fur euere Seelen. Als wolte er sagen: ein so grosser Last ists/ den euere Vorsteher tragen we- gen deß erschröcklichen Gerichts euerer Seelen halber; daß ein solcher Last billig erfordere solche Hurtigkeit deß Gehorsambs. Derentwegen sagt der Heil. Chrysostomus: die Gefahr schwebt auch über dessen Haupt/ er ist den Straffen deiner Sünden unterworffen; und deinetwegen wird er mit so grosser Forcht beängstiget: dieweilen GOtt sagt/ daß er durch sich Ezech. 34 v. 10.selbsten/ und nicht durch andere diese Rechenschafft fordern wolle: Sie- he ich will selbst uber die Hirten/ und will meine Heerde auß ihrer Hand forderen. 15. O wiewohl hat dann der H. Vatter Augustinus umb den Vorste- muß
Die dreyzehende Geiſtliche Lection Menſch ſich getraue dem allerſchaͤrffeſten Urtheil GOttes ſich nicht ohnebitterlichen und augenſcheinlichen Seelen-Schaden zu unterwerffen. Die- ſes vermute ſtu dich/ indem du die Vorſtehung gern annimbſt/ und andern vorgezogen zu werden/ einen Gefallen haſt. Ob zwarn nun viele Urſachen deß ſo ſcharffen Gerichts uͤber die Vorſteher koͤnnten beygebracht werden; ſo muß ich dir doch eins auß dem Thurn deß Heyls unſeres Patris Jgnatii vor Augen ſtellen; daß nemblich dieſes Urtheil erſchrecklich ſeyn werde/ ſo viel die geurtheilte Sach betrifft: dann du wirſt nicht allein von deinen/ ſondern auch von den Wercken derjenigen/ ſo dir anbefohlen ſeynd/ genaue Rechenſchafft geben muͤſſen; ſo wohl deß Boͤſen/ daß ſie gethan/ als auch deß Guten/ daß ſie unterlaſſen haben/ und haͤtten thun ſollen: und alſo muß ein Vorſteher der Geiſtlichen die begangene Bruͤche der Faſten/ und Enthaltungen/ ſo von dieſem und jenem beſchehen/ verantworten. Daß dieſer oder jener dem GOttes-Dienſt verabſaumet; ſeine Zung nicht im Zaum gehalten/ und zu verbottener Zeit geredet; und auſſerhalb ſeiner Cellen im Kloſter/ oder auch vermittelſt einer von der Obrigkeit betriegli- cher Weiß erhaltenen und nicht examinirten Erlaubnuß in der Stadt her- umb geſchweiffet ſeye; und fuͤr dergleichen andere Uberſchreitungen mehr/ muß ſtehen der arme Vorſteher; derhalben recht ein Vorſteher genennet wird. Es macht auch annebens dieſen Greul noch erheblicher der Heil. Apoſtel Paulus; indem er nach gegebenen Befelch an die Unterthanen die- Hebr. v. 17.ſes Jnhalts: Gehorſamet euren Vorſtehern/ und ſeyet ihnen unterworffen: von denen alſo redet: Dann ſie wachen/ als die Rechnug geben werden fůr euere Seelen. Als wolte er ſagen: ein ſo groſſer Laſt iſts/ den euere Vorſteher tragen we- gen deß erſchroͤcklichen Gerichts euerer Seelen halber; daß ein ſolcher Laſt billig erfordere ſolche Hurtigkeit deß Gehorſambs. Derentwegen ſagt der Heil. Chryſoſtomus: die Gefahr ſchwebt auch uͤber deſſen Haupt/ er iſt den Straffen deiner Suͤnden unterworffen; und deinetwegen wird er mit ſo groſſer Forcht beaͤngſtiget: dieweilen GOtt ſagt/ daß er durch ſich Ezech. 34 v. 10.ſelbſten/ und nicht durch andere dieſe Rechenſchafft fordern wolle: Sie- he ich will ſelbſt ůber die Hirten/ und will meine Heerde auß ihrer Hand forderen. 15. O wiewohl hat dann der H. Vatter Auguſtinus umb den Vorſte- muß
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Die dreyzehende Geiſtliche Lection
Menſch ſich getraue dem allerſchaͤrffeſten Urtheil GOttes ſich nicht ohne
bitterlichen und augenſcheinlichen Seelen-Schaden zu unterwerffen. Die-
ſes vermute ſtu dich/ indem du die Vorſtehung gern annimbſt/ und andern
vorgezogen zu werden/ einen Gefallen haſt. Ob zwarn nun viele Urſachen
deß ſo ſcharffen Gerichts uͤber die Vorſteher koͤnnten beygebracht werden;
ſo muß ich dir doch eins auß dem Thurn deß Heyls unſeres Patris Jgnatii
vor Augen ſtellen; daß nemblich dieſes Urtheil erſchrecklich ſeyn werde/ ſo
viel die geurtheilte Sach betrifft: dann du wirſt nicht allein von deinen/
ſondern auch von den Wercken derjenigen/ ſo dir anbefohlen ſeynd/ genaue
Rechenſchafft geben muͤſſen; ſo wohl deß Boͤſen/ daß ſie gethan/ als
auch deß Guten/ daß ſie unterlaſſen haben/ und haͤtten thun ſollen: und
alſo muß ein Vorſteher der Geiſtlichen die begangene Bruͤche der Faſten/
und Enthaltungen/ ſo von dieſem und jenem beſchehen/ verantworten. Daß
dieſer oder jener dem GOttes-Dienſt verabſaumet; ſeine Zung nicht im
Zaum gehalten/ und zu verbottener Zeit geredet; und auſſerhalb ſeiner
Cellen im Kloſter/ oder auch vermittelſt einer von der Obrigkeit betriegli-
cher Weiß erhaltenen und nicht examinirten Erlaubnuß in der Stadt her-
umb geſchweiffet ſeye; und fuͤr dergleichen andere Uberſchreitungen mehr/
muß ſtehen der arme Vorſteher; derhalben recht ein Vorſteher genennet
wird. Es macht auch annebens dieſen Greul noch erheblicher der Heil.
Apoſtel Paulus; indem er nach gegebenen Befelch an die Unterthanen die-
ſes Jnhalts: Gehorſamet euren Vorſtehern/ und ſeyet
ihnen unterworffen: von denen alſo redet: Dann ſie wachen/
als die Rechnug geben werden fůr euere Seelen. Als
wolte er ſagen: ein ſo groſſer Laſt iſts/ den euere Vorſteher tragen we-
gen deß erſchroͤcklichen Gerichts euerer Seelen halber; daß ein ſolcher Laſt
billig erfordere ſolche Hurtigkeit deß Gehorſambs. Derentwegen ſagt der
Heil. Chryſoſtomus: die Gefahr ſchwebt auch uͤber deſſen Haupt/ er iſt
den Straffen deiner Suͤnden unterworffen; und deinetwegen wird er mit
ſo groſſer Forcht beaͤngſtiget: dieweilen GOtt ſagt/ daß er durch ſich
ſelbſten/ und nicht durch andere dieſe Rechenſchafft fordern wolle: Sie-
he ich will ſelbſt ůber die Hirten/ und will meine Heerde
auß ihrer Hand forderen.
Hebr. v.
17.
Ezech. 34
v. 10.
15. O wiewohl hat dann der H. Vatter Auguſtinus umb den Vorſte-
her in ſteter Forcht zu halten/ in ſeiner Regul verordnet/ daß er allzeit ge-
dencken ſolle/ daß GOTT fuͤr euch Rechnung geben werde. Und in dem
offenen Brieff/ ſo einem Vorſteher/ deſſen Ambt betreffend/ gegeben wird;
muß
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Zitationshilfe: | Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/188>, abgerufen am 19.07.2024. |