Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Von der Hoffart cken Bruder an Verdiensten gleich zu seyn/ und derselbe Krancke aber sich inseinem Sinn deßhalben erhoben/ der Einsidler in diesen hoffärtigen Gedan- cken gestorben/ und ewig verdambt worden: der Mörder aber/ so nachgelauf- fen/ hat sich festiglich vorgenommen/ seine Sünden zu beichten/ und da er ge- fallen/ und von solchem Fall gestorben/ hat er gesehen/ daß die Engeln Got- tes dessen Seel mit Freuden zum Himmel geführt: weilen die Rew und Leid dieses Mörders so vollkommen gewesen seye/ daß dardurch so wol die Straff als auch die Schuld der begangenen Sünden seye außgetilgt worden: die- serthalben habe er von Hertzen sich erfreuet und gelachet. 6. O mein Christliche Seel/ was grosse Ursach uns zu förchten haben wir Woher/ O Mensch/ erhebest du dich/ Derdoch in Sund bist worden? Das Leben viel Mühe kostet dich/ Zu Schmertzen bist gebohren. Ster- S
Von der Hoffart cken Bruder an Verdienſten gleich zu ſeyn/ und derſelbe Krancke aber ſich inſeinem Sinn deßhalben erhoben/ der Einſidler in dieſen hoffaͤrtigen Gedan- cken geſtorben/ und ewig verdambt worden: der Moͤrder aber/ ſo nachgelauf- fen/ hat ſich feſtiglich vorgenommen/ ſeine Suͤnden zu beichten/ und da er ge- fallen/ und von ſolchem Fall geſtorben/ hat er geſehen/ daß die Engeln Got- tes deſſen Seel mit Freuden zum Himmel gefuͤhrt: weilen die Rew und Leid dieſes Moͤrders ſo vollkommen geweſen ſeye/ daß dardurch ſo wol die Straff als auch die Schuld der begangenen Suͤnden ſeye außgetilgt worden: die- ſerthalben habe er von Hertzen ſich erfreuet und gelachet. 6. O mein Chriſtliche Seel/ was groſſe Urſach uns zu foͤrchten haben wir Woher/ O Menſch/ erhebeſt du dich/ Derdoch in Sůnd biſt worden? Das Leben viel Mühe koſtet dich/ Zu Schmertzen biſt gebohren. Ster- S
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Von der Hoffart
cken Bruder an Verdienſten gleich zu ſeyn/ und derſelbe Krancke aber ſich in
ſeinem Sinn deßhalben erhoben/ der Einſidler in dieſen hoffaͤrtigen Gedan-
cken geſtorben/ und ewig verdambt worden: der Moͤrder aber/ ſo nachgelauf-
fen/ hat ſich feſtiglich vorgenommen/ ſeine Suͤnden zu beichten/ und da er ge-
fallen/ und von ſolchem Fall geſtorben/ hat er geſehen/ daß die Engeln Got-
tes deſſen Seel mit Freuden zum Himmel gefuͤhrt: weilen die Rew und Leid
dieſes Moͤrders ſo vollkommen geweſen ſeye/ daß dardurch ſo wol die Straff
als auch die Schuld der begangenen Suͤnden ſeye außgetilgt worden: die-
ſerthalben habe er von Hertzen ſich erfreuet und gelachet.
6. O mein Chriſtliche Seel/ was groſſe Urſach uns zu foͤrchten haben wir
nicht! hat dieſen ſo buͤſſenden Einſidler das hoͤlliſche Grewel der verfluchten
Hoffart aller ſeiner mit groſſer Muͤhe erworbenen Verdienſten dergeſtalt in
einem Augenblick beraubet und zu Grund gerichtet? wie ſollen wir dieſe ab-
ſcheuliche Peſt nicht fliehen; inſonderheit/ da der hochgelehrte Hugo ſagt/ daß
andere Laſteren nur allein die jenige Tugenden anfechten/ durch welche ſie
vernichtiget werden/ als da iſt die Geylheit eine Verſucherin und Feind der
Keuſchheit; der Zorn ein Widerſpiel der Gedult &c die Hoffart aber allein
legt ſich auff gegen alle Tugenden eines wohlmeinenden Gemuͤths/ und als
allgemeine und peſtilentialiſche Kranckheit ſteckt alle mitemander an; wie an
dieſem oberwehnten Einſidler zu ſehen iſt; der ſich in ſo vielen Tugenden ge-
uͤbet/ ſo gleichwohl alle nichts geachtet worden/ weilen ſie von der Hof-
fart ſeynd angeſteckt/ und zumahlen vernichtiget worden: So iſt dann die
Hoffart ein Leben und Haupt der Laſtern; und gleich wie die Schlang all ihr
Gifft im Kopff traget/ und nachdem dieſer Kopff abgehawen/ ſelbige nicht
ſchaden kan; alſo wirſt du nach verworffener Hoffart als einem Haubt der La-
ſtern/ auß deinem Hertzen ſehr leicht allen Suͤnden und Anfechtungen wider-
ſtehen. Wann du dich deinem Gott gantz uͤbergeben wilſt/ und deſſen Gnade
theilhafftig zu werden verlangeſt/ ſo meyde den Hochmuth deß Hertzens/ und
gedencke/ daß die Waͤſſer der goͤttlichen Gnaden die hohe Berg verlaſſen/ und
den Thaͤlern zulauffen. Betrachte wer du biſt/ ſo wirſt du ſehen/ wie wenige
Urſach du habeſt dich zu erhoͤhen. Jn deiner Empfaͤngnuß wirſt du finden
Schuld/ in der Geburt Armſeligkeit/ im Leben Elend/ und am End nur lau-
ter Angſt und Zittern: derhalben jener Poet nicht unrecht geſungen hat:
L. 2. de
Anim.
Woher/ O Menſch/ erhebeſt du dich/
Derdoch in Sůnd biſt worden?
Das Leben viel Mühe koſtet dich/
Zu Schmertzen biſt gebohren.
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