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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von der Demuth.

17. Abermal sag ich/ daß ein wahrer Demütiger über keine/ auch die al-
lerverwürffligste Wercke dörffte schamroth werden/ sondern müsse es dem H.
Antonio von Patavia nachmachen/ welcher/ ob wohl ein sehr gelehrter Mann/
hat doch seine grosse Wissenschafft mit aller möglichsten Sorgfalt vorborgen.
Er hat sich immerzu mit den allegeringsten und verächtligsten Diensten be-
schäfftiget/ das Esterich gekeeret/ die Kesselen in der Kuchen geschauret/
gewaschen/ außgetrucknet/ und allen sehr fleissig gedienet/ und hat man nie-
mahlen auß dem wenigsten Zeichen mercken können/ daß der so gelehrte
Mann auch in der geringsten Wissenschafft erfahren wäre. Ein andersHistoria.
Beyspiel der wahren Demut haben wir an dem Adolpho, Grafen zu Hol-
stein/ welcher auß einem sehr reichen und mächtigen Fürsten ist worden einAlb.
Crantz
L. 8. Sax-
on.
§. 7.

armer Geistlicher/ und auß einem ritterlichen Soldaten dieser Welt/ sich
selbsten gemacht hat zu einem Demütigen Fuß-Gänger. Ein Kloster sei-
nes Ordens hat er in der Stadt Kili (alwo seyn H. Leib ruhet) auffgerichtet/
und mit seinen eigenen Händen darzu meisterlich geholffen; er hat die nöthi-
ge Allmosen von seinen Unterthanen selbst gebettelt und auch bekommen: und
dieweil er in Verfertigung dieses Klosters sehr eifferig gewesen/ ist er von
Thür zu Thür gegangen/ und hat Milch gebettelt/ damit er seine Brüder
und Werckleute in der grossen Hitze erfrischen mögte. Jn Verrichtung
dieses Ambs/ und da er mitten auff der Gassen eine Milch-Kruge getragen/
seynd ihm seine Söhne gantz gräflich auff die Welt-Manier beritten/ be-
gegnet: da er nun selbige gesehen/ ist er auß menschlicher Schwachheit in
etwas vor denselben schamroth worden; so ihnen doch alsbald gereuet; derhal-
ben er in Gegenwart seiner Söhnen zur Bestraffung deß begangenen Feh-
lers die Krüge wiederumb auffgenommen/ und selbige völlig über das Haupt
gegossen/ und sich selbsten also angeredet: O du Unglückseeliger/ der du dich
der Armut Christi gesch ähmet hast/ und die Milch in den Händen zu tra-
gen; nun zeige auch so gar auff dem Kopff/ was du getragen hast. Wem
kombt nicht eine so grosse Demut/ Gedult und Stärcke in so grossem Herrn
verwunderlich vor? Aber noch einer ritterlichen That hat sich unternom-
men der Heil. Joannes Damascenus/ so von seinem Magister auß der
Cellen verstossen worden/ dieweil er einen Vers auß dem heiligen
Joanne mit harter und fröhliger Stimm in der Cellen gesungen:
und obwohl er den Alten sehr demütiglich umb Vergebung gebet-
ten/ hat dennoch nichts erlangen können: derowegen hat dieser
Joannes andere seiner Geistlichen Mit- Brüderen zum Vatter geschicket

umb
Von der Demuth.

17. Abermal ſag ich/ daß ein wahrer Demuͤtiger uͤber keine/ auch die al-
lerverwuͤrffligſte Wercke doͤrffte ſchamroth werden/ ſondern muͤſſe es dem H.
Antonio von Patavia nachmachen/ welcher/ ob wohl ein ſehr gelehrter Mann/
hat doch ſeine groſſe Wiſſenſchafft mit aller moͤglichſten Sorgfalt vorborgẽ.
Er hat ſich immerzu mit den allegeringſten und veraͤchtligſten Dienſten be-
ſchaͤfftiget/ das Eſterich gekeeret/ die Keſſelen in der Kuchen geſchauret/
gewaſchen/ außgetrucknet/ und allen ſehr fleiſſig gedienet/ und hat man nie-
mahlen auß dem wenigſten Zeichen mercken koͤnnen/ daß der ſo gelehrte
Mann auch in der geringſten Wiſſenſchafft erfahren waͤre. Ein andersHiſtoria.
Beyſpiel der wahren Demut haben wir an dem Adolpho, Grafen zu Hol-
ſtein/ welcher auß einem ſehr reichen und maͤchtigen Fuͤrſten iſt worden einAlb.
Crantz
L. 8. Sax-
on.
§. 7.

armer Geiſtlicher/ und auß einem ritterlichen Soldaten dieſer Welt/ ſich
ſelbſten gemacht hat zu einem Demuͤtigen Fuß-Gaͤnger. Ein Kloſter ſei-
nes Ordens hat er in der Stadt Kili (alwo ſeyn H. Leib ruhet) auffgerichtet/
und mit ſeinen eigenen Haͤnden darzu meiſterlich geholffen; er hat die noͤthi-
ge Allmoſen von ſeinen Unterthanen ſelbſt gebettelt und auch bekommen: und
dieweil er in Verfertigung dieſes Kloſters ſehr eifferig geweſen/ iſt er von
Thuͤr zu Thuͤr gegangen/ und hat Milch gebettelt/ damit er ſeine Bruͤder
und Werckleute in der groſſen Hitze erfriſchen moͤgte. Jn Verrichtung
dieſes Ambs/ und da er mitten auff der Gaſſen eine Milch-Kruge getragen/
ſeynd ihm ſeine Soͤhne gantz graͤflich auff die Welt-Manier beritten/ be-
gegnet: da er nun ſelbige geſehen/ iſt er auß menſchlicher Schwachheit in
etwas vor denſelben ſchamroth worden; ſo ihnen doch alsbald gereuet; derhal-
ben er in Gegenwart ſeiner Soͤhnen zur Beſtraffung deß begangenen Feh-
lers die Kruͤge wiederumb auffgenommen/ und ſelbige voͤllig uͤber das Haupt
gegoſſen/ und ſich ſelbſten alſo angeredet: O du Ungluͤckſeeliger/ der du dich
der Armut Chriſti geſch aͤhmet haſt/ und die Milch in den Haͤnden zu tra-
gen; nun zeige auch ſo gar auff dem Kopff/ was du getragen haſt. Wem
kombt nicht eine ſo groſſe Demut/ Gedult und Staͤrcke in ſo groſſem Herrn
verwunderlich vor? Aber noch einer ritterlichen That hat ſich unternom-
men der Heil. Joannes Damaſcenus/ ſo von ſeinem Magiſter auß der
Cellen verſtoſſen worden/ dieweil er einen Vers auß dem heiligen
Joanne mit harter und froͤhliger Stimm in der Cellen geſungen:
und obwohl er den Alten ſehr demuͤtiglich umb Vergebung gebet-
ten/ hat dennoch nichts erlangen koͤnnen: derowegen hat dieſer
Joannes andere ſeiner Geiſtlichen Mit- Bruͤderen zum Vatter geſchicket

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[127/0155] Von der Demuth. 17. Abermal ſag ich/ daß ein wahrer Demuͤtiger uͤber keine/ auch die al- lerverwuͤrffligſte Wercke doͤrffte ſchamroth werden/ ſondern muͤſſe es dem H. Antonio von Patavia nachmachen/ welcher/ ob wohl ein ſehr gelehrter Mann/ hat doch ſeine groſſe Wiſſenſchafft mit aller moͤglichſten Sorgfalt vorborgẽ. Er hat ſich immerzu mit den allegeringſten und veraͤchtligſten Dienſten be- ſchaͤfftiget/ das Eſterich gekeeret/ die Keſſelen in der Kuchen geſchauret/ gewaſchen/ außgetrucknet/ und allen ſehr fleiſſig gedienet/ und hat man nie- mahlen auß dem wenigſten Zeichen mercken koͤnnen/ daß der ſo gelehrte Mann auch in der geringſten Wiſſenſchafft erfahren waͤre. Ein anders Beyſpiel der wahren Demut haben wir an dem Adolpho, Grafen zu Hol- ſtein/ welcher auß einem ſehr reichen und maͤchtigen Fuͤrſten iſt worden ein armer Geiſtlicher/ und auß einem ritterlichen Soldaten dieſer Welt/ ſich ſelbſten gemacht hat zu einem Demuͤtigen Fuß-Gaͤnger. Ein Kloſter ſei- nes Ordens hat er in der Stadt Kili (alwo ſeyn H. Leib ruhet) auffgerichtet/ und mit ſeinen eigenen Haͤnden darzu meiſterlich geholffen; er hat die noͤthi- ge Allmoſen von ſeinen Unterthanen ſelbſt gebettelt und auch bekommen: und dieweil er in Verfertigung dieſes Kloſters ſehr eifferig geweſen/ iſt er von Thuͤr zu Thuͤr gegangen/ und hat Milch gebettelt/ damit er ſeine Bruͤder und Werckleute in der groſſen Hitze erfriſchen moͤgte. Jn Verrichtung dieſes Ambs/ und da er mitten auff der Gaſſen eine Milch-Kruge getragen/ ſeynd ihm ſeine Soͤhne gantz graͤflich auff die Welt-Manier beritten/ be- gegnet: da er nun ſelbige geſehen/ iſt er auß menſchlicher Schwachheit in etwas vor denſelben ſchamroth worden; ſo ihnen doch alsbald gereuet; derhal- ben er in Gegenwart ſeiner Soͤhnen zur Beſtraffung deß begangenen Feh- lers die Kruͤge wiederumb auffgenommen/ und ſelbige voͤllig uͤber das Haupt gegoſſen/ und ſich ſelbſten alſo angeredet: O du Ungluͤckſeeliger/ der du dich der Armut Chriſti geſch aͤhmet haſt/ und die Milch in den Haͤnden zu tra- gen; nun zeige auch ſo gar auff dem Kopff/ was du getragen haſt. Wem kombt nicht eine ſo groſſe Demut/ Gedult und Staͤrcke in ſo groſſem Herrn verwunderlich vor? Aber noch einer ritterlichen That hat ſich unternom- men der Heil. Joannes Damaſcenus/ ſo von ſeinem Magiſter auß der Cellen verſtoſſen worden/ dieweil er einen Vers auß dem heiligen Joanne mit harter und froͤhliger Stimm in der Cellen geſungen: und obwohl er den Alten ſehr demuͤtiglich umb Vergebung gebet- ten/ hat dennoch nichts erlangen koͤnnen: derowegen hat dieſer Joannes andere ſeiner Geiſtlichen Mit- Bruͤderen zum Vatter geſchicket umb Hiſtoria. Alb. Crantz L. 8. Sax- on. §. 7.

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/155>, abgerufen am 27.11.2024.