Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Die Zehente Geistliche Lection läubder nicht betrogen werden/ und in den Schlaff der Sünden fallen; soversperre deine Ohren mit dem für sichtigen Vlysse, nicht aber mit Wachs/ c. 28. 28.sondern mit Dörnen/ wie dich und mich der Weyse Mann lehret: Ver- zeune deine Ohren mit Dörnen/ und höre nicht/ was ein böse Zung redet; mache Thuren und Schlösser an dei- nen Mund und Ohren. Er befilcht nicht den Zaun auß Blumen; als Rossen und der gleichen/ sondern auß Distelen und Dörnen zu machen/ wann wir den Ubel-Nachredenden den Eingang versperren wollen. Der Zäune gebrauche man sich/ umb die Aecker damit gegen die wilde Thier/ und umb die Gärten gegen die Dieb zu beschützen: die Dörnen aber dienen umb die Ohren wider die Verläumbder; so nicht füglicher können abgehal- ten werden/ als wann man ihnen ein scharffes und ernstliches Gesicht zei- get/ und sie ermahnet/ deß Ubel Nachredens sich zu enthalten. Solte es aber solches zu thun auß billigen Ursachen nicht rathsamb seyn; so muß man sich solcher Gesellschafft/ so viel möglich ist/ entziehen; oder von den Ver- läumbderischen Reden zu anderen bessern und ehrbarern Gesprächen zu schreiten sich unterstehen: dann gleich wie man einen wütenden Stier einen Mantel oder deßgleichen Decke überwirfft/ damit man demselben desto besser entgehen kan/ indem er mit solchem Mantel zu schaffen hat; also müssen wir zu Errettung dessen/ der verkleinert wird/ andere Reden vorbrin- gen. Dieses hat mit unsterblichem Ruhm beobachtet der Englische Cantz- ler Thomas Morus: dann da er vermerckte/ daß einige mit ihrer Sense in die Ehr ihres Nächstens hinein hieben; suchete er alsobald von andern Din- gen zu reden/ und sagte: es mag ein jeder vermeinen und sagen was er wolle; ich halte es darfür/ daß dieses Hauß wohl erbauet seye/ und einen guten Baumeister gehabt habe. Lerne nun auß diesem/ mein Christ-liebende Seel/ wie nöthig es seye zur Seeligkeit/ daß man diese beyde Ubelen verhü- te; und nehme vor Lieb das jenige/ was zu deinem Heyl von diesem schädlichen Laster bißhero gesagt worden. Die
Die Zehente Geiſtliche Lection laͤubder nicht betrogen werden/ und in den Schlaff der Suͤnden fallen; ſoverſperre deine Ohren mit dem fuͤr ſichtigen Vlyſſe, nicht aber mit Wachs/ c. 28. 28.ſondern mit Doͤrnen/ wie dich und mich der Weyſe Mann lehret: Ver- zeune deine Ohren mit Doͤrnen/ und hoͤre nicht/ was ein boͤſe Zung redet; mache Thůren und Schloͤſſer an dei- nen Mund und Ohren. Er befilcht nicht den Zaun auß Blumen; als Roſſen und der gleichen/ ſondern auß Diſtelen und Doͤrnen zu machen/ wann wir den Ubel-Nachredenden den Eingang verſperren wollen. Der Zaͤune gebrauche man ſich/ umb die Aecker damit gegen die wilde Thier/ und umb die Gaͤrten gegen die Dieb zu beſchuͤtzen: die Doͤrnen aber dienen umb die Ohren wider die Verlaͤumbder; ſo nicht fuͤglicher koͤnnen abgehal- ten werden/ als wann man ihnen ein ſcharffes und ernſtliches Geſicht zei- get/ und ſie ermahnet/ deß Ubel Nachredens ſich zu enthalten. Solte es aber ſolches zu thun auß billigen Urſachen nicht rathſamb ſeyn; ſo muß man ſich ſolcher Geſellſchafft/ ſo viel moͤglich iſt/ entziehen; oder von den Ver- laͤumbderiſchen Reden zu anderen beſſern und ehrbarern Geſpraͤchen zu ſchreiten ſich unterſtehen: dann gleich wie man einen wuͤtenden Stier einen Mantel oder deßgleichen Decke uͤberwirfft/ damit man demſelben deſto beſſer entgehen kan/ indem er mit ſolchem Mantel zu ſchaffen hat; alſo muͤſſen wir zu Errettung deſſen/ der verkleinert wird/ andere Reden vorbrin- gen. Dieſes hat mit unſterblichem Ruhm beobachtet der Engliſche Cantz- ler Thomas Morus: dann da er vermerckte/ daß einige mit ihrer Senſe in die Ehr ihres Naͤchſtens hinein hieben; ſuchete er alſobald von andern Din- gen zu reden/ und ſagte: es mag ein jeder vermeinen und ſagen was er wolle; ich halte es darfuͤr/ daß dieſes Hauß wohl erbauet ſeye/ und einen guten Baumeiſter gehabt habe. Lerne nun auß dieſem/ mein Chriſt-liebende Seel/ wie noͤthig es ſeye zur Seeligkeit/ daß man dieſe beyde Ubelen verhuͤ- te; und nehme vor Lieb das jenige/ was zu deinem Heyl von dieſem ſchaͤdlichen Laſter bißhero geſagt worden. Die
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Die Zehente Geiſtliche Lection
laͤubder nicht betrogen werden/ und in den Schlaff der Suͤnden fallen; ſo
verſperre deine Ohren mit dem fuͤr ſichtigen Vlyſſe, nicht aber mit Wachs/
ſondern mit Doͤrnen/ wie dich und mich der Weyſe Mann lehret: Ver-
zeune deine Ohren mit Doͤrnen/ und hoͤre nicht/ was
ein boͤſe Zung redet; mache Thůren und Schloͤſſer an dei-
nen Mund und Ohren. Er befilcht nicht den Zaun auß Blumen;
als Roſſen und der gleichen/ ſondern auß Diſtelen und Doͤrnen zu machen/
wann wir den Ubel-Nachredenden den Eingang verſperren wollen. Der
Zaͤune gebrauche man ſich/ umb die Aecker damit gegen die wilde Thier/
und umb die Gaͤrten gegen die Dieb zu beſchuͤtzen: die Doͤrnen aber dienen
umb die Ohren wider die Verlaͤumbder; ſo nicht fuͤglicher koͤnnen abgehal-
ten werden/ als wann man ihnen ein ſcharffes und ernſtliches Geſicht zei-
get/ und ſie ermahnet/ deß Ubel Nachredens ſich zu enthalten. Solte es
aber ſolches zu thun auß billigen Urſachen nicht rathſamb ſeyn; ſo muß man
ſich ſolcher Geſellſchafft/ ſo viel moͤglich iſt/ entziehen; oder von den Ver-
laͤumbderiſchen Reden zu anderen beſſern und ehrbarern Geſpraͤchen zu
ſchreiten ſich unterſtehen: dann gleich wie man einen wuͤtenden Stier einen
Mantel oder deßgleichen Decke uͤberwirfft/ damit man demſelben deſto
beſſer entgehen kan/ indem er mit ſolchem Mantel zu ſchaffen hat; alſo
muͤſſen wir zu Errettung deſſen/ der verkleinert wird/ andere Reden vorbrin-
gen. Dieſes hat mit unſterblichem Ruhm beobachtet der Engliſche Cantz-
ler Thomas Morus: dann da er vermerckte/ daß einige mit ihrer Senſe in
die Ehr ihres Naͤchſtens hinein hieben; ſuchete er alſobald von andern Din-
gen zu reden/ und ſagte: es mag ein jeder vermeinen und ſagen was er wolle;
ich halte es darfuͤr/ daß dieſes Hauß wohl erbauet ſeye/ und einen guten
Baumeiſter gehabt habe. Lerne nun auß dieſem/ mein Chriſt-liebende
Seel/ wie noͤthig es ſeye zur Seeligkeit/ daß man dieſe beyde Ubelen verhuͤ-
te; und nehme vor Lieb das jenige/ was zu deinem Heyl von dieſem
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Zitationshilfe: | Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/138>, abgerufen am 16.07.2024. |