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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Ziehende Geistliche Lection
ein scharffes Schwerd: ja sie ist zwey und auch gar ein drey-spitziger Degen.
Weiters sagt er/ daß sie grausamer seye/ als das Speer; spitziger als die
Dörnen und Nägel/ mit denen unser Heyland ans Creutz gehefftet wor-
den; dieweilen der Verdambter sich selbsten tödtet; auch tödtet er den jeni-
gen/ der das Ehr-abschneiden ohne Widersprechen anhöret; und drittens
tödtet er denjenigen/ den er verläumbdet oder verkleinert. Dieses Schwerd
aber führen die Ehren-Schänder gemeiniglich in ihrem Mund; nemblich
daß sie sagen: ich muß gestehen/ dieser Mensch ist gut/ dieser oder jener hat
keinen Mangel an sich/ er ist zu diesem oder jenem Ambt sehr tauglich und
geschickt/ wann er nur das oder dieses Laster/ dieses oder jenes Ubel nicht an
sich hätte. Dahero das gemeine Sprichwort der Lateiner/ in teutsche
Rheimb versetzt also klinget:

Wann nicht wär das Böse/ Wann nit;
Ein jeder wär sehr ehrlich:
Viele seynd derhalben dann nit/
Denen/ Wann nit/ nicht gefährlich.

Wann dieser oder jener Mensch diesen Fehler nicht hätte/ so wäre
er gut/ sagt der Verleumbder: und ich sage/ daß derhalben dann nit viele
seyen/ von denen man nicht; wann er diese oder jene Untugend nit hätte/ so
wäre er Gut; schier allen Menschen/ ja vielmahl den Besten ist dieses/
Wann nit/ an ihrem guten Nahmen schädlich/ und wird dardurch
derselben Ehr in Gefahr der schändlichen Verläumbdung. Derhalben
lesen wir im Buch Exodi, daß GOtt dem Moysi befohlen: Sage dei-
c. 8. 16.nem Bruder Aaron/ streck deine Ruthe auß/ und schla-
ge den Staub der Erden/ und es sollen Wand-Läuse
seynd in gantz
AEgypten-Land. Uber diese Wort deß HErrn
spricht also der gelehree Stephanus Edensis: Die Wand-Läuse seynd
kleine/ aber unrühige und scharff-stechende Thierlein: diese Wand-Läuse
aber seynd die Ehr-abschneidende Reden; und diese werden seyn an den
Menschen und am Viehe; in allen Orden/ Ständen und Geschlechten;
bey Jung und Alten/ unter Reichen und Armen/ bey Herren und Knech-
ten wird dieses Ubel sehe erbärmlich hausen. Viele seynd/ die auß
Schamhafftigkeit ihren Neben-Menschen ins Angesicht nicht schmä-
hen; wenig aber/ ja so gar kaum einige werden gefunden/ so die
Chre ihres Nächsten mit unbedachtsamen Reden nicht beschmitzen.
Ad Ce-
lantium.
Mit diesem stimmet ein der heilige Paulus/ und sagt: gar wenig
seynd/ welche dieses Laster nicht an sich haben; und es werden selten einige

gefunden

Die Ziehende Geiſtliche Lection
ein ſcharffes Schwerd: ja ſie iſt zwey und auch gar ein drey-ſpitziger Degen.
Weiters ſagt er/ daß ſie grauſamer ſeye/ als das Speer; ſpitziger als die
Doͤrnen und Naͤgel/ mit denen unſer Heyland ans Creutz gehefftet wor-
den; dieweilen der Verdambter ſich ſelbſten toͤdtet; auch toͤdtet er den jeni-
gen/ der das Ehr-abſchneiden ohne Widerſprechen anhoͤret; und drittens
toͤdtet er denjenigen/ den er verlaͤumbdet oder verkleinert. Dieſes Schwerd
aber fuͤhren die Ehren-Schaͤnder gemeiniglich in ihrem Mund; nemblich
daß ſie ſagen: ich muß geſtehen/ dieſer Menſch iſt gut/ dieſer oder jener hat
keinen Mangel an ſich/ er iſt zu dieſem oder jenem Ambt ſehr tauglich und
geſchickt/ wann er nur das oder dieſes Laſter/ dieſes oder jenes Ubel nicht an
ſich haͤtte. Dahero das gemeine Sprichwort der Lateiner/ in teutſche
Rheimb verſetzt alſo klinget:

Wann nicht waͤr das Boͤſe/ Wann nit;
Ein jeder waͤr ſehr ehrlich:
Viele ſeynd derhalben dann nit/
Denen/ Wann nit/ nicht gefaͤhrlich.

Wann dieſer oder jener Menſch dieſen Fehler nicht haͤtte/ ſo waͤre
er gut/ ſagt der Verleumbder: und ich ſage/ daß derhalben dann nit viele
ſeyen/ von denen man nicht; wann er dieſe oder jene Untugend nit haͤtte/ ſo
waͤre er Gut; ſchier allen Menſchen/ ja vielmahl den Beſten iſt dieſes/
Wann nit/ an ihrem guten Nahmen ſchaͤdlich/ und wird dardurch
derſelben Ehr in Gefahr der ſchaͤndlichen Verlaͤumbdung. Derhalben
leſen wir im Buch Exodi, daß GOtt dem Moyſi befohlen: Sage dei-
c. 8. 16.nem Bruder Aaron/ ſtreck deine Ruthe auß/ und ſchla-
ge den Staub der Erden/ und es ſollen Wand-Laͤuſe
ſeynd in gantz
Ægypten-Land. Uber dieſe Wort deß HErrn
ſpricht alſo der gelehree Stephanus Edenſis: Die Wand-Laͤuſe ſeynd
kleine/ aber unruͤhige und ſcharff-ſtechende Thierlein: dieſe Wand-Laͤuſe
aber ſeynd die Ehr-abſchneidende Reden; und dieſe werden ſeyn an den
Menſchen und am Viehe; in allen Orden/ Staͤnden und Geſchlechten;
bey Jung und Alten/ unter Reichen und Armen/ bey Herren und Knech-
ten wird dieſes Ubel ſehe erbaͤrmlich hauſen. Viele ſeynd/ die auß
Schamhafftigkeit ihren Neben-Menſchen ins Angeſicht nicht ſchmaͤ-
hen; wenig aber/ ja ſo gar kaum einige werden gefunden/ ſo die
Chre ihres Naͤchſten mit unbedachtſamen Reden nicht beſchmitzen.
Ad Ce-
lantium.
Mit dieſem ſtimmet ein der heilige Paulus/ und ſagt: gar wenig
ſeynd/ welche dieſes Laſter nicht an ſich haben; und es werden ſelten einige

gefunden
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[104/0132] Die Ziehende Geiſtliche Lection ein ſcharffes Schwerd: ja ſie iſt zwey und auch gar ein drey-ſpitziger Degen. Weiters ſagt er/ daß ſie grauſamer ſeye/ als das Speer; ſpitziger als die Doͤrnen und Naͤgel/ mit denen unſer Heyland ans Creutz gehefftet wor- den; dieweilen der Verdambter ſich ſelbſten toͤdtet; auch toͤdtet er den jeni- gen/ der das Ehr-abſchneiden ohne Widerſprechen anhoͤret; und drittens toͤdtet er denjenigen/ den er verlaͤumbdet oder verkleinert. Dieſes Schwerd aber fuͤhren die Ehren-Schaͤnder gemeiniglich in ihrem Mund; nemblich daß ſie ſagen: ich muß geſtehen/ dieſer Menſch iſt gut/ dieſer oder jener hat keinen Mangel an ſich/ er iſt zu dieſem oder jenem Ambt ſehr tauglich und geſchickt/ wann er nur das oder dieſes Laſter/ dieſes oder jenes Ubel nicht an ſich haͤtte. Dahero das gemeine Sprichwort der Lateiner/ in teutſche Rheimb verſetzt alſo klinget: Wann nicht waͤr das Boͤſe/ Wann nit; Ein jeder waͤr ſehr ehrlich: Viele ſeynd derhalben dann nit/ Denen/ Wann nit/ nicht gefaͤhrlich. Wann dieſer oder jener Menſch dieſen Fehler nicht haͤtte/ ſo waͤre er gut/ ſagt der Verleumbder: und ich ſage/ daß derhalben dann nit viele ſeyen/ von denen man nicht; wann er dieſe oder jene Untugend nit haͤtte/ ſo waͤre er Gut; ſchier allen Menſchen/ ja vielmahl den Beſten iſt dieſes/ Wann nit/ an ihrem guten Nahmen ſchaͤdlich/ und wird dardurch derſelben Ehr in Gefahr der ſchaͤndlichen Verlaͤumbdung. Derhalben leſen wir im Buch Exodi, daß GOtt dem Moyſi befohlen: Sage dei- nem Bruder Aaron/ ſtreck deine Ruthe auß/ und ſchla- ge den Staub der Erden/ und es ſollen Wand-Laͤuſe ſeynd in gantz Ægypten-Land. Uber dieſe Wort deß HErrn ſpricht alſo der gelehree Stephanus Edenſis: Die Wand-Laͤuſe ſeynd kleine/ aber unruͤhige und ſcharff-ſtechende Thierlein: dieſe Wand-Laͤuſe aber ſeynd die Ehr-abſchneidende Reden; und dieſe werden ſeyn an den Menſchen und am Viehe; in allen Orden/ Staͤnden und Geſchlechten; bey Jung und Alten/ unter Reichen und Armen/ bey Herren und Knech- ten wird dieſes Ubel ſehe erbaͤrmlich hauſen. Viele ſeynd/ die auß Schamhafftigkeit ihren Neben-Menſchen ins Angeſicht nicht ſchmaͤ- hen; wenig aber/ ja ſo gar kaum einige werden gefunden/ ſo die Chre ihres Naͤchſten mit unbedachtſamen Reden nicht beſchmitzen. Mit dieſem ſtimmet ein der heilige Paulus/ und ſagt: gar wenig ſeynd/ welche dieſes Laſter nicht an ſich haben; und es werden ſelten einige gefunden c. 8. 16. Ad Ce- lantium.

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/132>, abgerufen am 23.11.2024.