Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Neunte Geistliche Lection
auff diesen unehrlichen Platz begraben seye: mittler Weil hat sich zugetra-
gen/ daß die jenige Bößwichter/ von denen der Bauer in seinem Hütlein
ware umbs Leben gebracht/ wegen einer andern Ubelthat zu Vauburg in
Hafften genommen worden; und da sie von dem Hüter deß Kerckers ver-
nommen/ was sich mit dem Blinden/ Lahmen und Außsätzigen zugetragen/
haben selbige ab diesen Wunderwercken sich entsetzet/ und dem Rath zu
Vauburg bekennet und erzehlet/ was massen und Ursachen sie den armen Al-
ten getödtet; auch haben außgesagt/ daß ohne allen Zweiffel durch Fürbitt
desselben die Presthaffte unter dem Gericht seyen geholffen worden/ damit
die Mordthat deß unschuldigen Menschen durch die Hand GOttes offen-
bahret werde: Der gesambte Rath solches dem Bischoff zu Regenspurg
angekündiget; welcher mit seiner Clerisey und grossem Zulauff deß Volcks
alsobald zu mehr gemeldtem Orth kommen/ den Leib außgegraben/ und auff
seinen und der seinigen Achselen nach Vauburg getragen/ allwo dieser from-
me/ und vor den Menschen verächtliche Bauer mit vielen Wunder-Zeichen
von GOtt zum Heyl der Menschen geehret worden: die Mörder aber ha-
ben dieses und anderer Ubelthaten halber ihren verdienten Lohn empfangen.

19. Auß diesem kanst du/ meingeneigter Leser/ handgreifflich erkennen/
daß alle von dem irrigen Urtheil deß Menschen obangezogene Reden in der
unfehlbaren Warheit gegründet seyen: würde nicht dieser arme Bettler für
einen Ubelthäter und Gleißner gehalten/ durch den doch die Göttliche Ma-
jestät so viele ansehnliche Wunder gewircket hat? ist dann das menschliche
Urtheil so betrieglich; so ist ja billig und höchstnöthig/ daß wir diesem Be-
trug zu entgehen uns befleissen/ und sonderbahr behertzigen den grossen Nu-
tzen/ den wir ab diesem Sieg zu empfangen haben; und die Göttliche Gütig-
keit durch unzahlbahre Beyspiel uns überflüssig vor Augen stellet: deren wir
Kurtzheit halben nur folgendes auß dem Athanasio Bischoff zu Anthiochia
erzehlen: daß nemblich zu seiner Zeit einer unter den Ordens-Geistlichen nach
übel und müssig zu gebrachtem nachlässigen Leben tödtlich erkräncket seye/
und habe wider alle Meinung der anwesenden/ und Gewonheit der sterbenden
in seinem Todtsbett eine grosse Frewd seines Hertzens bezeuget: darüber
dann billig seiner mit-Brüdern einige mit Verwunderung gefraget; woher
ihm solche Fröhligkeit entstanden/ daß er den Todt allein nicht förchte/ son-
dern denselben noch außlache und verspotte: man hat ihn bester massen seiner
im geistlichen Stand gepflegten Lawig- und Nachlässigkeit erinnert; so
wäre ja wohl zu verwunderen/ daß er an Platz der heylsamen Traurigkeit/

so

Die Neunte Geiſtliche Lection
auff dieſen unehrlichen Platz begraben ſeye: mittler Weil hat ſich zugetra-
gen/ daß die jenige Boͤßwichter/ von denen der Bauer in ſeinem Huͤtlein
ware umbs Leben gebracht/ wegen einer andern Ubelthat zu Vauburg in
Hafften genommen worden; und da ſie von dem Huͤter deß Kerckers ver-
nommen/ was ſich mit dem Blinden/ Lahmen und Außſaͤtzigen zugetragen/
haben ſelbige ab dieſen Wunderwercken ſich entſetzet/ und dem Rath zu
Vauburg bekennet und erzehlet/ was maſſen und Urſachen ſie den armen Al-
ten getoͤdtet; auch haben außgeſagt/ daß ohne allen Zweiffel durch Fuͤrbitt
deſſelben die Preſthaffte unter dem Gericht ſeyen geholffen worden/ damit
die Mordthat deß unſchuldigen Menſchen durch die Hand GOttes offen-
bahret werde: Der geſambte Rath ſolches dem Biſchoff zu Regenſpurg
angekuͤndiget; welcher mit ſeiner Cleriſey und groſſem Zulauff deß Volcks
alſobald zu mehr gemeldtem Orth kommen/ den Leib außgegraben/ und auff
ſeinen und der ſeinigen Achſelen nach Vauburg getragen/ allwo dieſer from-
me/ und vor den Menſchen veraͤchtliche Bauer mit vielen Wunder-Zeichen
von GOtt zum Heyl der Menſchen geehret worden: die Moͤrder aber ha-
ben dieſes und anderer Ubelthaten halber ihren verdienten Lohn empfangen.

19. Auß dieſem kanſt du/ meingeneigter Leſer/ handgreifflich erkennen/
daß alle von dem irrigen Urtheil deß Menſchen obangezogene Reden in der
unfehlbaren Warheit gegruͤndet ſeyen: wuͤrde nicht dieſer arme Bettler fuͤr
einen Ubelthaͤter und Gleißner gehalten/ durch den doch die Goͤttliche Ma-
jeſtaͤt ſo viele anſehnliche Wunder gewircket hat? iſt dann das menſchliche
Urtheil ſo betrieglich; ſo iſt ja billig und hoͤchſtnoͤthig/ daß wir dieſem Be-
trug zu entgehen uns befleiſſen/ und ſonderbahr behertzigen den groſſen Nu-
tzen/ den wir ab dieſem Sieg zu empfangen haben; und die Goͤttliche Guͤtig-
keit durch unzahlbahre Beyſpiel uns uͤberfluͤſſig vor Augen ſtellet: deren wir
Kurtzheit halben nur folgendes auß dem Athanaſio Biſchoff zu Anthiochia
erzehlen: daß nemblich zu ſeiner Zeit einer unter den Ordens-Geiſtlichen nach
uͤbel und muͤſſig zu gebrachtem nachlaͤſſigen Leben toͤdtlich erkraͤncket ſeye/
und habe wider alle Meinung der anweſenden/ und Gewonheit der ſterbenden
in ſeinem Todtsbett eine groſſe Frewd ſeines Hertzens bezeuget: daruͤber
dann billig ſeiner mit-Bruͤdern einige mit Verwunderung gefraget; woher
ihm ſolche Froͤhligkeit entſtanden/ daß er den Todt allein nicht foͤrchte/ ſon-
dern denſelben noch außlache und verſpotte: man hat ihn beſter maſſen ſeiner
im geiſtlichen Stand gepflegten Lawig- und Nachlaͤſſigkeit erinnert; ſo
waͤre ja wohl zu verwunderen/ daß er an Platz der heylſamen Traurigkeit/

ſo
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0128" n="100"/><fw place="top" type="header">Die Neunte Gei&#x017F;tliche <hi rendition="#aq">Lection</hi></fw><lb/>
auff die&#x017F;en unehrlichen Platz begraben &#x017F;eye: mittler Weil hat &#x017F;ich zugetra-<lb/>
gen/ daß die jenige Bo&#x0364;ßwichter/ von denen der Bauer in &#x017F;einem Hu&#x0364;tlein<lb/>
ware umbs Leben gebracht/ wegen einer andern Ubelthat zu Vauburg in<lb/>
Hafften genommen worden; und da &#x017F;ie von dem Hu&#x0364;ter deß Kerckers ver-<lb/>
nommen/ was &#x017F;ich mit dem Blinden/ Lahmen und Auß&#x017F;a&#x0364;tzigen zugetragen/<lb/>
haben &#x017F;elbige ab die&#x017F;en Wunderwercken &#x017F;ich ent&#x017F;etzet/ und dem Rath zu<lb/>
Vauburg bekennet und erzehlet/ was ma&#x017F;&#x017F;en und Ur&#x017F;achen &#x017F;ie den armen Al-<lb/>
ten geto&#x0364;dtet; auch haben außge&#x017F;agt/ daß ohne allen Zweiffel durch Fu&#x0364;rbitt<lb/>
de&#x017F;&#x017F;elben die Pre&#x017F;thaffte unter dem Gericht &#x017F;eyen geholffen worden/ damit<lb/>
die Mordthat deß un&#x017F;chuldigen Men&#x017F;chen durch die Hand GOttes offen-<lb/>
bahret werde: Der ge&#x017F;ambte Rath &#x017F;olches dem Bi&#x017F;choff zu Regen&#x017F;purg<lb/>
angeku&#x0364;ndiget; welcher mit &#x017F;einer Cleri&#x017F;ey und gro&#x017F;&#x017F;em Zulauff deß Volcks<lb/>
al&#x017F;obald zu mehr gemeldtem Orth kommen/ den Leib außgegraben/ und auff<lb/>
&#x017F;einen und der &#x017F;einigen Ach&#x017F;elen nach Vauburg getragen/ allwo die&#x017F;er from-<lb/>
me/ und vor den Men&#x017F;chen vera&#x0364;chtliche Bauer mit vielen Wunder-Zeichen<lb/>
von GOtt zum Heyl der Men&#x017F;chen geehret worden: die Mo&#x0364;rder aber ha-<lb/>
ben die&#x017F;es und anderer Ubelthaten halber ihren verdienten Lohn empfangen.</p><lb/>
          <p>19. Auß die&#x017F;em kan&#x017F;t du/ meingeneigter Le&#x017F;er/ handgreifflich erkennen/<lb/>
daß alle von dem irrigen Urtheil deß Men&#x017F;chen obangezogene Reden in der<lb/>
unfehlbaren Warheit gegru&#x0364;ndet &#x017F;eyen: wu&#x0364;rde nicht die&#x017F;er arme Bettler fu&#x0364;r<lb/>
einen Ubeltha&#x0364;ter und Gleißner gehalten/ durch den doch die Go&#x0364;ttliche Ma-<lb/>
je&#x017F;ta&#x0364;t &#x017F;o viele an&#x017F;ehnliche Wunder gewircket hat? i&#x017F;t dann das men&#x017F;chliche<lb/>
Urtheil &#x017F;o betrieglich; &#x017F;o i&#x017F;t ja billig und ho&#x0364;ch&#x017F;tno&#x0364;thig/ daß wir die&#x017F;em Be-<lb/>
trug zu entgehen uns beflei&#x017F;&#x017F;en/ und &#x017F;onderbahr behertzigen den gro&#x017F;&#x017F;en Nu-<lb/>
tzen/ den wir ab die&#x017F;em Sieg zu empfangen haben; und die Go&#x0364;ttliche Gu&#x0364;tig-<lb/>
keit durch unzahlbahre Bey&#x017F;piel uns u&#x0364;berflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig vor Augen &#x017F;tellet: deren wir<lb/>
Kurtzheit halben nur folgendes auß dem <hi rendition="#aq">Athana&#x017F;io</hi> Bi&#x017F;choff zu <hi rendition="#aq">Anthiochia</hi><lb/>
erzehlen: daß nemblich zu &#x017F;einer Zeit einer unter den Ordens-Gei&#x017F;tlichen nach<lb/>
u&#x0364;bel und mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig zu gebrachtem nachla&#x0364;&#x017F;&#x017F;igen Leben to&#x0364;dtlich erkra&#x0364;ncket &#x017F;eye/<lb/>
und habe wider alle Meinung der anwe&#x017F;enden/ und Gewonheit der &#x017F;terbenden<lb/>
in &#x017F;einem Todtsbett eine gro&#x017F;&#x017F;e Frewd &#x017F;eines Hertzens bezeuget: daru&#x0364;ber<lb/>
dann billig &#x017F;einer mit-Bru&#x0364;dern einige mit Verwunderung gefraget; woher<lb/>
ihm &#x017F;olche Fro&#x0364;hligkeit ent&#x017F;tanden/ daß er den Todt allein nicht fo&#x0364;rchte/ &#x017F;on-<lb/>
dern den&#x017F;elben noch außlache und ver&#x017F;potte: man hat ihn be&#x017F;ter ma&#x017F;&#x017F;en &#x017F;einer<lb/>
im gei&#x017F;tlichen Stand gepflegten Lawig- und Nachla&#x0364;&#x017F;&#x017F;igkeit erinnert; &#x017F;o<lb/>
wa&#x0364;re ja wohl zu verwunderen/ daß er an Platz der heyl&#x017F;amen Traurigkeit/<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;o</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[100/0128] Die Neunte Geiſtliche Lection auff dieſen unehrlichen Platz begraben ſeye: mittler Weil hat ſich zugetra- gen/ daß die jenige Boͤßwichter/ von denen der Bauer in ſeinem Huͤtlein ware umbs Leben gebracht/ wegen einer andern Ubelthat zu Vauburg in Hafften genommen worden; und da ſie von dem Huͤter deß Kerckers ver- nommen/ was ſich mit dem Blinden/ Lahmen und Außſaͤtzigen zugetragen/ haben ſelbige ab dieſen Wunderwercken ſich entſetzet/ und dem Rath zu Vauburg bekennet und erzehlet/ was maſſen und Urſachen ſie den armen Al- ten getoͤdtet; auch haben außgeſagt/ daß ohne allen Zweiffel durch Fuͤrbitt deſſelben die Preſthaffte unter dem Gericht ſeyen geholffen worden/ damit die Mordthat deß unſchuldigen Menſchen durch die Hand GOttes offen- bahret werde: Der geſambte Rath ſolches dem Biſchoff zu Regenſpurg angekuͤndiget; welcher mit ſeiner Cleriſey und groſſem Zulauff deß Volcks alſobald zu mehr gemeldtem Orth kommen/ den Leib außgegraben/ und auff ſeinen und der ſeinigen Achſelen nach Vauburg getragen/ allwo dieſer from- me/ und vor den Menſchen veraͤchtliche Bauer mit vielen Wunder-Zeichen von GOtt zum Heyl der Menſchen geehret worden: die Moͤrder aber ha- ben dieſes und anderer Ubelthaten halber ihren verdienten Lohn empfangen. 19. Auß dieſem kanſt du/ meingeneigter Leſer/ handgreifflich erkennen/ daß alle von dem irrigen Urtheil deß Menſchen obangezogene Reden in der unfehlbaren Warheit gegruͤndet ſeyen: wuͤrde nicht dieſer arme Bettler fuͤr einen Ubelthaͤter und Gleißner gehalten/ durch den doch die Goͤttliche Ma- jeſtaͤt ſo viele anſehnliche Wunder gewircket hat? iſt dann das menſchliche Urtheil ſo betrieglich; ſo iſt ja billig und hoͤchſtnoͤthig/ daß wir dieſem Be- trug zu entgehen uns befleiſſen/ und ſonderbahr behertzigen den groſſen Nu- tzen/ den wir ab dieſem Sieg zu empfangen haben; und die Goͤttliche Guͤtig- keit durch unzahlbahre Beyſpiel uns uͤberfluͤſſig vor Augen ſtellet: deren wir Kurtzheit halben nur folgendes auß dem Athanaſio Biſchoff zu Anthiochia erzehlen: daß nemblich zu ſeiner Zeit einer unter den Ordens-Geiſtlichen nach uͤbel und muͤſſig zu gebrachtem nachlaͤſſigen Leben toͤdtlich erkraͤncket ſeye/ und habe wider alle Meinung der anweſenden/ und Gewonheit der ſterbenden in ſeinem Todtsbett eine groſſe Frewd ſeines Hertzens bezeuget: daruͤber dann billig ſeiner mit-Bruͤdern einige mit Verwunderung gefraget; woher ihm ſolche Froͤhligkeit entſtanden/ daß er den Todt allein nicht foͤrchte/ ſon- dern denſelben noch außlache und verſpotte: man hat ihn beſter maſſen ſeiner im geiſtlichen Stand gepflegten Lawig- und Nachlaͤſſigkeit erinnert; ſo waͤre ja wohl zu verwunderen/ daß er an Platz der heylſamen Traurigkeit/ ſo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/128
Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/128>, abgerufen am 08.05.2024.