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Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695.

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Judas ein Dieb Geistlicher Güter.
Ubelthäter verdammet. Gewiß ist es/ daß zuweilen die Grund-
lose Gütigkeit GOttes einige Diebstall auf der Welt verdusch-
ter last/ und selbe erst in jener Welt nach Verdiensten strafft/
aber sobald man die Gottshäuser angreifft/ und dem Tempel
des HErrn nit verschont/ da wird selten/ ja gar niemalen derglei-
chen Frechheit ohngerochner bleiben.

Was kan doch vermessener seyn/ als was sich vor ohnge-
fehr 18. Jahren hat zu getragen in einer Kirchen gewisser Or-
dens-Persohnen/ dero Namen derentwegen in der Feder verbor-
gen bleibt/ weil es ihnen in etwas schimpfflich scheint. Ein schö-
nes GOtteshaus in den Kayserlichen Erbländern ligend/ ernehrt
ein absonderliche Andacht zu einem gewissen Heiligen/ dessen Al-
tar mit Silber/ Gold/ und Kleynodien nicht wenig gezieret ist.
Jn dieser Kirchen hat sich bey der Nacht ein frecher Dieb ver-
sperren lassen/ worbey etwan einige Fahrlosigkeit des Sacristan
unterloffen/ und besagte Bildnus völlig geplündert: Es glaubte
der gottlose Dieb/ daß frühe Morgens die Kirchenthür ehen-
der werde eröffnet werden/ als daß man die Gnaden-Capell wer-
de besuchen. Es ist ihme aber dißfalls der Handel nicht angan-
gen/ massen der gute Sacristan gleich Anfangs in die Capellen
getretten; allwo er nit ohne grosse Bestürtzung den völlig geplün-
derten Altar angetroffen/ gedachte also/ daß noch bey gesperrter
Kirchenthür der Dieb in einem Winckel müsse verborgen seyn.
Da solches der Kirchen-Rauber vermerckt/ das ihme aller Weg
zum Fliehen abgespannt/ hat er sich des Arglists gebraucht/ und
alsobald so kläglich lamentiert/ auch die Händ und Füß derge-
stalten zusammen gebogen/ daß er scheinte/ am gantzen Leib er-
krummt zu seyn/ seht! sagt er zum Sacristan, seht das grosse Mi-
racul/ welches sich mit mir zugetragen/ indem ich mich freventlich
unterfangen die Capell und dessen Altar zuberauben/ da hat mich
GOtt gestrafft/ das mir Händ und Füß erkrummt/ und folgsam
alle Glieder unbrauchbar worden/ geht demnach hin mein lieber
Frater, und zeugt solches euer Obrigkeit an/ damit solches

Wun-

Judas ein Dieb Geiſtlicher Guͤter.
Ubelthaͤter verdammet. Gewiß iſt es/ daß zuweilen die Grund-
loſe Guͤtigkeit GOttes einige Diebſtall auf der Welt verduſch-
ter laſt/ und ſelbe erſt in jener Welt nach Verdienſten ſtrafft/
aber ſobald man die Gottshaͤuſer angreifft/ und dem Tempel
des HErꝛn nit verſchont/ da wird ſelten/ ja gar niemalen derglei-
chen Frechheit ohngerochner bleiben.

Was kan doch vermeſſener ſeyn/ als was ſich vor ohnge-
fehr 18. Jahren hat zu getragen in einer Kirchen gewiſſer Or-
dens-Perſohnen/ dero Namen derentwegen in der Feder verbor-
gen bleibt/ weil es ihnen in etwas ſchimpfflich ſcheint. Ein ſchoͤ-
nes GOtteshaus in den Kayſerlichen Erblaͤndern ligend/ ernehrt
ein abſonderliche Andacht zu einem gewiſſen Heiligen/ deſſen Al-
tar mit Silber/ Gold/ und Kleynodien nicht wenig gezieret iſt.
Jn dieſer Kirchen hat ſich bey der Nacht ein frecher Dieb ver-
ſperren laſſen/ worbey etwan einige Fahrloſigkeit des Sacriſtan
unterloffen/ und beſagte Bildnus voͤllig gepluͤndert: Es glaubte
der gottloſe Dieb/ daß fruͤhe Morgens die Kirchenthuͤr ehen-
der werde eroͤffnet werden/ als daß man die Gnaden-Capell wer-
de beſuchen. Es iſt ihme aber dißfalls der Handel nicht angan-
gen/ maſſen der gute Sacriſtan gleich Anfangs in die Capellen
getretten; allwo er nit ohne groſſe Beſtuͤrtzung den voͤllig gepluͤn-
derten Altar angetroffen/ gedachte alſo/ daß noch bey geſperrter
Kirchenthuͤr der Dieb in einem Winckel muͤſſe verborgen ſeyn.
Da ſolches der Kirchen-Rauber vermerckt/ das ihme aller Weg
zum Fliehen abgeſpannt/ hat er ſich des Argliſts gebraucht/ und
alſobald ſo klaͤglich lamentiert/ auch die Haͤnd und Fuͤß derge-
ſtalten zuſammen gebogen/ daß er ſcheinte/ am gantzen Leib er-
krummt zu ſeyn/ ſeht! ſagt er zum Sacriſtan, ſeht das groſſe Mi-
racul/ welches ſich mit mir zugetragen/ indem ich mich freventlich
unterfangen die Capell und deſſen Altar zuberauben/ da hat mich
GOtt geſtrafft/ das mir Haͤnd und Fuͤß erkrummt/ und folgſam
alle Glieder unbrauchbar worden/ geht demnach hin mein lieber
Frater, und zeugt ſolches euer Obrigkeit an/ damit ſolches

Wun-
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[72/0084] Judas ein Dieb Geiſtlicher Guͤter. Ubelthaͤter verdammet. Gewiß iſt es/ daß zuweilen die Grund- loſe Guͤtigkeit GOttes einige Diebſtall auf der Welt verduſch- ter laſt/ und ſelbe erſt in jener Welt nach Verdienſten ſtrafft/ aber ſobald man die Gottshaͤuſer angreifft/ und dem Tempel des HErꝛn nit verſchont/ da wird ſelten/ ja gar niemalen derglei- chen Frechheit ohngerochner bleiben. Was kan doch vermeſſener ſeyn/ als was ſich vor ohnge- fehr 18. Jahren hat zu getragen in einer Kirchen gewiſſer Or- dens-Perſohnen/ dero Namen derentwegen in der Feder verbor- gen bleibt/ weil es ihnen in etwas ſchimpfflich ſcheint. Ein ſchoͤ- nes GOtteshaus in den Kayſerlichen Erblaͤndern ligend/ ernehrt ein abſonderliche Andacht zu einem gewiſſen Heiligen/ deſſen Al- tar mit Silber/ Gold/ und Kleynodien nicht wenig gezieret iſt. Jn dieſer Kirchen hat ſich bey der Nacht ein frecher Dieb ver- ſperren laſſen/ worbey etwan einige Fahrloſigkeit des Sacriſtan unterloffen/ und beſagte Bildnus voͤllig gepluͤndert: Es glaubte der gottloſe Dieb/ daß fruͤhe Morgens die Kirchenthuͤr ehen- der werde eroͤffnet werden/ als daß man die Gnaden-Capell wer- de beſuchen. Es iſt ihme aber dißfalls der Handel nicht angan- gen/ maſſen der gute Sacriſtan gleich Anfangs in die Capellen getretten; allwo er nit ohne groſſe Beſtuͤrtzung den voͤllig gepluͤn- derten Altar angetroffen/ gedachte alſo/ daß noch bey geſperrter Kirchenthuͤr der Dieb in einem Winckel muͤſſe verborgen ſeyn. Da ſolches der Kirchen-Rauber vermerckt/ das ihme aller Weg zum Fliehen abgeſpannt/ hat er ſich des Argliſts gebraucht/ und alſobald ſo klaͤglich lamentiert/ auch die Haͤnd und Fuͤß derge- ſtalten zuſammen gebogen/ daß er ſcheinte/ am gantzen Leib er- krummt zu ſeyn/ ſeht! ſagt er zum Sacriſtan, ſeht das groſſe Mi- racul/ welches ſich mit mir zugetragen/ indem ich mich freventlich unterfangen die Capell und deſſen Altar zuberauben/ da hat mich GOtt geſtrafft/ das mir Haͤnd und Fuͤß erkrummt/ und folgſam alle Glieder unbrauchbar worden/ geht demnach hin mein lieber Frater, und zeugt ſolches euer Obrigkeit an/ damit ſolches Wun-

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Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas04_1695/84>, abgerufen am 25.04.2024.