Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695.

Bild:
<< vorherige Seite

hat eine schlechte Begräbnus.
strorum Philistim hodie volatilibus coeli & bestijs
terrae.

Grab/ Echo Rab.

Jn Oesterreich/ unweit der Kayserl. Residentz-Stadt
Wien ist ein Orth und schöne Pfarr/ so genannt wird Heiligen-
Stadt. Woher solcher Nam ursprünglich herrühre/ ist mir ei-
gentlich nit bekandt; diese Heiligenstätter verdienen allerseits ein
grosses Lob/ werden auch von jederman fast in grossen Ehren ge-
halten/ aber alle ihre Söhne (es ist ein wunderliche Sach) seynd
lauter üble/ rauhe/ harte/ dürmische/ scharpffe/ unglimpffliche Ge-
sellen/ die nicht ein einigmal gut aussehen/ nichts als saure Gesich-
ter machens/ beissen und reissen alles was sie erdappen/ und haben
gleichsam nicht ein Ader von ihrem Vatter. Der Vatter heist
Heilignstätter/ der Sohn heist Ubelstätter. Wie kommt dieses?
durch den Namen Heiligenstätter muß man hier nit verstehen ei-
nen Jnnwohner desselben Orths/ sondern den Wein/ welcher dort
sehr trefflich und preißwürdig wächst. Nun ist ohne das bewust/
daß der Essig ein Sohn deß Wein seye/ welcher aber weit einer
wildern Natur als der Vatter; ist demnach dieser Auslegung
nach recht gesagt: die Heilignstätter seynd gut/ aber ihre Söhn
seynd gar übel. Gleichwie nun der Essig ein übler Sohn eines
guten Weins/ also geschicht nit selten/ daß ein heiliger Vatter ei-
nen bösen und ungerathenen Sohn erzeige: unter andern hat sol-
ches mit seinem Hertzenleid erlebt der fromme und Gotsfürchti-
ge König David, dessen übelgesittner Sohn Absolon, also weit
von der Vätterlichen Sanfftmuth und Demuth abgewichen/
daß er letztlich von dem Ehrgeitz gantz verblendt/ sich unterfangen
hat mit allen Gewalt die Kron zu sich zu ziehen/ und seinem eig-
nen Herrn Vatter den Scepter Tyrannisch aus der Hand zu-
reissen. Aber GOtt hat die Karten anderst gemischt/ indem
der Absolon nicht dem König sondern dem Aichelbuben zu seinem
Verderben in die Händ gekommen. O wohl ein verruchte Un-
danckbarkeit eines Kinds gegen seinem Vatter! gleichen Danck

hat
F 3

hat eine ſchlechte Begraͤbnus.
ſtrorum Philiſtim hodie volatilibus cœli & beſtijs
terræ.

Grab/ Echo Rab.

Jn Oeſterreich/ unweit der Kayſerl. Reſidentz-Stadt
Wien iſt ein Orth und ſchoͤne Pfarꝛ/ ſo genannt wird Heiligen-
Stadt. Woher ſolcher Nam urſpruͤnglich herruͤhre/ iſt mir ei-
gentlich nit bekandt; dieſe Heiligenſtaͤtter verdienen allerſeits ein
groſſes Lob/ werden auch von jederman faſt in groſſen Ehren ge-
halten/ aber alle ihre Soͤhne (es iſt ein wunderliche Sach) ſeynd
lauter uͤble/ rauhe/ harte/ duͤrmiſche/ ſcharpffe/ unglimpffliche Ge-
ſellen/ die nicht ein einigmal gut ausſehen/ nichts als ſaure Geſich-
ter machens/ beiſſen und reiſſen alles was ſie erdappen/ und haben
gleichſam nicht ein Ader von ihrem Vatter. Der Vatter heiſt
Heilignſtaͤtter/ der Sohn heiſt Ubelſtaͤtter. Wie kommt dieſes?
durch den Namen Heiligenſtaͤtter muß man hier nit verſtehen ei-
nen Jnnwohner deſſelben Orths/ ſondern den Wein/ welcher dort
ſehr trefflich und preißwuͤrdig waͤchſt. Nun iſt ohne das bewuſt/
daß der Eſſig ein Sohn deß Wein ſeye/ welcher aber weit einer
wildern Natur als der Vatter; iſt demnach dieſer Auslegung
nach recht geſagt: die Heilignſtaͤtter ſeynd gut/ aber ihre Soͤhn
ſeynd gar uͤbel. Gleichwie nun der Eſſig ein uͤbler Sohn eines
guten Weins/ alſo geſchicht nit ſelten/ daß ein heiliger Vatter ei-
nen boͤſen und ungerathenen Sohn erzeige: unter andern hat ſol-
ches mit ſeinem Hertzenleid erlebt der fromme und Gotsfuͤrchti-
ge Koͤnig David, deſſen uͤbelgeſittner Sohn Abſolon, alſo weit
von der Vaͤtterlichen Sanfftmuth und Demuth abgewichen/
daß er letztlich von dem Ehrgeitz gantz verblendt/ ſich unterfangen
hat mit allen Gewalt die Kron zu ſich zu ziehen/ und ſeinem eig-
nen Herꝛn Vatter den Scepter Tyranniſch aus der Hand zu-
reiſſen. Aber GOtt hat die Karten anderſt gemiſcht/ indem
der Abſolon nicht dem Koͤnig ſondern dem Aichelbuben zu ſeinem
Verderben in die Haͤnd gekommen. O wohl ein verruchte Un-
danckbarkeit eines Kinds gegen ſeinem Vatter! gleichen Danck

hat
F 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p>
            <pb facs="#f0057" n="45"/>
            <fw type="header" place="top">hat eine &#x017F;chlechte Begra&#x0364;bnus.</fw><lb/> <hi rendition="#aq">&#x017F;trorum Phili&#x017F;tim hodie volatilibus c&#x0153;li &amp; be&#x017F;tijs<lb/>
terræ.</hi> </p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>Grab/ <hi rendition="#aq">Echo</hi> Rab.</head><lb/>
          <p>Jn Oe&#x017F;terreich/ unweit der Kay&#x017F;erl. Re&#x017F;identz-Stadt<lb/>
Wien i&#x017F;t ein Orth und &#x017F;cho&#x0364;ne Pfar&#xA75B;/ &#x017F;o genannt wird Heiligen-<lb/>
Stadt. Woher &#x017F;olcher Nam ur&#x017F;pru&#x0364;nglich herru&#x0364;hre/ i&#x017F;t mir ei-<lb/>
gentlich nit bekandt; die&#x017F;e Heiligen&#x017F;ta&#x0364;tter verdienen aller&#x017F;eits ein<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;es Lob/ werden auch von jederman fa&#x017F;t in gro&#x017F;&#x017F;en Ehren ge-<lb/>
halten/ aber alle ihre So&#x0364;hne (es i&#x017F;t ein wunderliche Sach) &#x017F;eynd<lb/>
lauter u&#x0364;ble/ rauhe/ harte/ du&#x0364;rmi&#x017F;che/ &#x017F;charpffe/ unglimpffliche Ge-<lb/>
&#x017F;ellen/ die nicht ein einigmal gut aus&#x017F;ehen/ nichts als &#x017F;aure Ge&#x017F;ich-<lb/>
ter machens/ bei&#x017F;&#x017F;en und rei&#x017F;&#x017F;en alles was &#x017F;ie erdappen/ und haben<lb/>
gleich&#x017F;am nicht ein Ader von ihrem Vatter. Der Vatter hei&#x017F;t<lb/>
Heilign&#x017F;ta&#x0364;tter/ der Sohn hei&#x017F;t Ubel&#x017F;ta&#x0364;tter. Wie kommt die&#x017F;es?<lb/>
durch den Namen Heiligen&#x017F;ta&#x0364;tter muß man hier nit ver&#x017F;tehen ei-<lb/>
nen Jnnwohner de&#x017F;&#x017F;elben Orths/ &#x017F;ondern den Wein/ welcher dort<lb/>
&#x017F;ehr trefflich und preißwu&#x0364;rdig wa&#x0364;ch&#x017F;t. Nun i&#x017F;t ohne das bewu&#x017F;t/<lb/>
daß der E&#x017F;&#x017F;ig ein Sohn deß Wein &#x017F;eye/ welcher aber weit einer<lb/>
wildern Natur als der Vatter; i&#x017F;t demnach die&#x017F;er Auslegung<lb/>
nach recht ge&#x017F;agt: die Heilign&#x017F;ta&#x0364;tter &#x017F;eynd gut/ aber ihre So&#x0364;hn<lb/>
&#x017F;eynd gar u&#x0364;bel. Gleichwie nun der E&#x017F;&#x017F;ig ein u&#x0364;bler Sohn eines<lb/>
guten Weins/ al&#x017F;o ge&#x017F;chicht nit &#x017F;elten/ daß ein heiliger Vatter ei-<lb/>
nen bo&#x0364;&#x017F;en und ungerathenen Sohn erzeige: unter andern hat &#x017F;ol-<lb/>
ches mit &#x017F;einem Hertzenleid erlebt der fromme und Gotsfu&#x0364;rchti-<lb/>
ge Ko&#x0364;nig <hi rendition="#aq">David,</hi> de&#x017F;&#x017F;en u&#x0364;belge&#x017F;ittner Sohn <hi rendition="#aq">Ab&#x017F;olon,</hi> al&#x017F;o weit<lb/>
von der Va&#x0364;tterlichen Sanfftmuth und Demuth abgewichen/<lb/>
daß er letztlich von dem Ehrgeitz gantz verblendt/ &#x017F;ich unterfangen<lb/>
hat mit allen Gewalt die Kron zu &#x017F;ich zu ziehen/ und &#x017F;einem eig-<lb/>
nen Her&#xA75B;n Vatter den Scepter Tyranni&#x017F;ch aus der Hand zu-<lb/>
rei&#x017F;&#x017F;en. Aber GOtt hat die Karten ander&#x017F;t gemi&#x017F;cht/ indem<lb/>
der <hi rendition="#aq">Ab&#x017F;olon</hi> nicht dem Ko&#x0364;nig &#x017F;ondern dem Aichelbuben zu &#x017F;einem<lb/>
Verderben in die Ha&#x0364;nd gekommen. O wohl ein verruchte Un-<lb/>
danckbarkeit eines Kinds gegen &#x017F;einem Vatter! gleichen Danck<lb/>
<fw type="sig" place="bottom">F 3</fw><fw type="catch" place="bottom">hat</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[45/0057] hat eine ſchlechte Begraͤbnus. ſtrorum Philiſtim hodie volatilibus cœli & beſtijs terræ. Grab/ Echo Rab. Jn Oeſterreich/ unweit der Kayſerl. Reſidentz-Stadt Wien iſt ein Orth und ſchoͤne Pfarꝛ/ ſo genannt wird Heiligen- Stadt. Woher ſolcher Nam urſpruͤnglich herruͤhre/ iſt mir ei- gentlich nit bekandt; dieſe Heiligenſtaͤtter verdienen allerſeits ein groſſes Lob/ werden auch von jederman faſt in groſſen Ehren ge- halten/ aber alle ihre Soͤhne (es iſt ein wunderliche Sach) ſeynd lauter uͤble/ rauhe/ harte/ duͤrmiſche/ ſcharpffe/ unglimpffliche Ge- ſellen/ die nicht ein einigmal gut ausſehen/ nichts als ſaure Geſich- ter machens/ beiſſen und reiſſen alles was ſie erdappen/ und haben gleichſam nicht ein Ader von ihrem Vatter. Der Vatter heiſt Heilignſtaͤtter/ der Sohn heiſt Ubelſtaͤtter. Wie kommt dieſes? durch den Namen Heiligenſtaͤtter muß man hier nit verſtehen ei- nen Jnnwohner deſſelben Orths/ ſondern den Wein/ welcher dort ſehr trefflich und preißwuͤrdig waͤchſt. Nun iſt ohne das bewuſt/ daß der Eſſig ein Sohn deß Wein ſeye/ welcher aber weit einer wildern Natur als der Vatter; iſt demnach dieſer Auslegung nach recht geſagt: die Heilignſtaͤtter ſeynd gut/ aber ihre Soͤhn ſeynd gar uͤbel. Gleichwie nun der Eſſig ein uͤbler Sohn eines guten Weins/ alſo geſchicht nit ſelten/ daß ein heiliger Vatter ei- nen boͤſen und ungerathenen Sohn erzeige: unter andern hat ſol- ches mit ſeinem Hertzenleid erlebt der fromme und Gotsfuͤrchti- ge Koͤnig David, deſſen uͤbelgeſittner Sohn Abſolon, alſo weit von der Vaͤtterlichen Sanfftmuth und Demuth abgewichen/ daß er letztlich von dem Ehrgeitz gantz verblendt/ ſich unterfangen hat mit allen Gewalt die Kron zu ſich zu ziehen/ und ſeinem eig- nen Herꝛn Vatter den Scepter Tyranniſch aus der Hand zu- reiſſen. Aber GOtt hat die Karten anderſt gemiſcht/ indem der Abſolon nicht dem Koͤnig ſondern dem Aichelbuben zu ſeinem Verderben in die Haͤnd gekommen. O wohl ein verruchte Un- danckbarkeit eines Kinds gegen ſeinem Vatter! gleichen Danck hat F 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas04_1695
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas04_1695/57
Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas04_1695/57>, abgerufen am 29.03.2024.