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Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695.

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Judas sparrt weder Mühe noch Arbeit/
dermesserl zimlich tieff auf sein Brust geschnitten/ und meistens
alle Tag mit Saltz getrieben/ damit sein verwundes Hertz allzeit
ein frische Gedächtnuß mache seiner Liebsten: Schellen her/
wann auch eine 100. fl. solle kosten.

Es ist ein anderer gewest/ und zwar in der Stadt Wienn/
war aber kein geborner Oesterreicher/ der hat sich also in ein
Weiber-Gesicht vergafft/ daß er schier derenthalben unsinnig
worden/ den Speichel/ so dieses gefürneste Pfuy Deubl aus-
geworffen/ hat er mit solcher Begierd aufgeleckt/ daß ihme
solcher weit lieber und süsser gewest/ als ein Zucker aus Candia.
Schellen her/ und wanns auch ein gantzes Schlitten Gleit soll
seyn.

Mehr ist einer gewest/ welcher also thörrecht verliebt war
in ein solches Weiber-Gespenst/ daß er der Wäscherin viel
Geld gespendirt/ wann sie ihme das Wasser überbracht/ wor-
inn der Leinwat-Zeug dieser seiner Madam getächtlet worden/
ob er solches für ein Syrup getruncken/ oder aber sein Gesicht
darmit gewaschen/ ist mir eigentlich nicht bewust/ aber gleich-
wol Schellen her/ und solle man sie auch drey Meil hinder Ca-
lecut suchen.

Jn einem gewissen Hertzogthum des Teutschlands/ ist bey
den gemeinen Baurengesellen das Buhlen/ welches sie das Fen-
stern tauffen/ also gemein/ daß sie mehrmalen bey Nächtlicher
Weil/ auch im rauchisten Winter über etliche Stund gehen/ ein
halbe Nacht den Kopff zum Fenster hinein halten/ und offt gan-
tze Eiszapffen unter der Nasen zieglen/ ein Teufflische Peris-
thrasis,
wo Hitz und Kälten in einem Losament. Schellen her/
und sollens auch so groß seyn/ wie der Ober-Steyrer ihre Pferd
am Hals tragen.

Mir hat selbst einer bekannt/ daß er in seiner unbehutsamen
Jugend so Närrisch gewest seye/ daß er gar gern mit seiner Lieb-
sten wäre in die Höll gangen/ ja er habe etliche Zeit dero Pan-
toffel für ein Trinck Becher gebraucht/ auch die abgeschnittne
Nägel von ihren Fingern und Zehen in einem Agnus Dei, oder

Brevi

Judas ſparrt weder Muͤhe noch Arbeit/
dermeſſerl zimlich tieff auf ſein Bruſt geſchnitten/ und meiſtens
alle Tag mit Saltz getrieben/ damit ſein verwundes Hertz allzeit
ein friſche Gedaͤchtnuß mache ſeiner Liebſten: Schellen her/
wann auch eine 100. fl. ſolle koſten.

Es iſt ein anderer geweſt/ und zwar in der Stadt Wienn/
war aber kein geborner Oeſterreicher/ der hat ſich alſo in ein
Weiber-Geſicht vergafft/ daß er ſchier derenthalben unſinnig
worden/ den Speichel/ ſo dieſes gefuͤrneſte Pfuy Deubl aus-
geworffen/ hat er mit ſolcher Begierd aufgeleckt/ daß ihme
ſolcher weit lieber und ſuͤſſer geweſt/ als ein Zucker aus Candia.
Schellen her/ und wanns auch ein gantzes Schlitten Gleit ſoll
ſeyn.

Mehr iſt einer geweſt/ welcher alſo thoͤrrecht verliebt war
in ein ſolches Weıber-Geſpenſt/ daß er der Waͤſcherin viel
Geld geſpendirt/ wann ſie ihme das Waſſer uͤberbracht/ wor-
inn der Leinwat-Zeug dieſer ſeiner Madam getaͤchtlet worden/
ob er ſolches fuͤr ein Syrup getruncken/ oder aber ſein Geſicht
darmit gewaſchen/ iſt mir eigentlich nicht bewuſt/ aber gleich-
wol Schellen her/ und ſolle man ſie auch dꝛey Meil hinder Ca-
lecut ſuchen.

Jn einem gewiſſen Hertzogthum des Teutſchlands/ iſt bey
den gemeinen Baurengeſellen das Buhlen/ welches ſie das Fen-
ſtern tauffen/ alſo gemein/ daß ſie mehrmalen bey Naͤchtlicher
Weil/ auch im rauchiſten Winter uͤber etliche Stund gehen/ ein
halbe Nacht den Kopff zum Fenſter hinein halten/ und offt gan-
tze Eiszapffen unter der Naſen zieglen/ ein Teuffliſche Peris-
thraſis,
wo Hitz und Kaͤlten in einem Loſament. Schellen her/
und ſollens auch ſo groß ſeyn/ wie der Ober-Steyrer ihre Pferd
am Hals tragen.

Mir hat ſelbſt einer bekannt/ daß er in ſeiner unbehutſamen
Jugend ſo Naͤrꝛiſch geweſt ſeye/ daß er gar gern mit ſeiner Lieb-
ſten waͤre in die Hoͤll gangen/ ja er habe etliche Zeit dero Pan-
toffel fuͤr ein Trinck Becher gebraucht/ auch die abgeſchnittne
Naͤgel von ihren Fingern und Zehen in einem Agnus Dei, oder

Brevi
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[490/0502] Judas ſparrt weder Muͤhe noch Arbeit/ dermeſſerl zimlich tieff auf ſein Bruſt geſchnitten/ und meiſtens alle Tag mit Saltz getrieben/ damit ſein verwundes Hertz allzeit ein friſche Gedaͤchtnuß mache ſeiner Liebſten: Schellen her/ wann auch eine 100. fl. ſolle koſten. Es iſt ein anderer geweſt/ und zwar in der Stadt Wienn/ war aber kein geborner Oeſterreicher/ der hat ſich alſo in ein Weiber-Geſicht vergafft/ daß er ſchier derenthalben unſinnig worden/ den Speichel/ ſo dieſes gefuͤrneſte Pfuy Deubl aus- geworffen/ hat er mit ſolcher Begierd aufgeleckt/ daß ihme ſolcher weit lieber und ſuͤſſer geweſt/ als ein Zucker aus Candia. Schellen her/ und wanns auch ein gantzes Schlitten Gleit ſoll ſeyn. Mehr iſt einer geweſt/ welcher alſo thoͤrrecht verliebt war in ein ſolches Weıber-Geſpenſt/ daß er der Waͤſcherin viel Geld geſpendirt/ wann ſie ihme das Waſſer uͤberbracht/ wor- inn der Leinwat-Zeug dieſer ſeiner Madam getaͤchtlet worden/ ob er ſolches fuͤr ein Syrup getruncken/ oder aber ſein Geſicht darmit gewaſchen/ iſt mir eigentlich nicht bewuſt/ aber gleich- wol Schellen her/ und ſolle man ſie auch dꝛey Meil hinder Ca- lecut ſuchen. Jn einem gewiſſen Hertzogthum des Teutſchlands/ iſt bey den gemeinen Baurengeſellen das Buhlen/ welches ſie das Fen- ſtern tauffen/ alſo gemein/ daß ſie mehrmalen bey Naͤchtlicher Weil/ auch im rauchiſten Winter uͤber etliche Stund gehen/ ein halbe Nacht den Kopff zum Fenſter hinein halten/ und offt gan- tze Eiszapffen unter der Naſen zieglen/ ein Teuffliſche Peris- thraſis, wo Hitz und Kaͤlten in einem Loſament. Schellen her/ und ſollens auch ſo groß ſeyn/ wie der Ober-Steyrer ihre Pferd am Hals tragen. Mir hat ſelbſt einer bekannt/ daß er in ſeiner unbehutſamen Jugend ſo Naͤrꝛiſch geweſt ſeye/ daß er gar gern mit ſeiner Lieb- ſten waͤre in die Hoͤll gangen/ ja er habe etliche Zeit dero Pan- toffel fuͤr ein Trinck Becher gebraucht/ auch die abgeſchnittne Naͤgel von ihren Fingern und Zehen in einem Agnus Dei, oder Brevi

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Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas04_1695/502>, abgerufen am 18.04.2024.