Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695.Judas der Laster-Mensch/ lich einer die Gnad wol braucht und anwendet/ der andere aber sel-be mißbraucht/ und ihrer nicht viel achtet. Mein Heiliger Vatter Augustinus stellet dessen ein hellklares Der die Schuld auf die Gnad GOttes legt/ als wäre sol- der
Judas der Laſter-Menſch/ lich einer die Gnad wol braucht und anwendet/ der andere aber ſel-be mißbraucht/ und ihrer nicht viel achtet. Mein Heiliger Vatter Auguſtinus ſtellet deſſen ein hellklares Der die Schuld auf die Gnad GOttes legt/ als waͤre ſol- der
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Judas der Laſter-Menſch/
lich einer die Gnad wol braucht und anwendet/ der andere aber ſel-
be mißbraucht/ und ihrer nicht viel achtet.
Mein Heiliger Vatter Auguſtinus ſtellet deſſen ein hellklares
Exempel/ es koͤnnen zwey eines gantz gleichen Temperament,
einer gantz gleichen Natur und Complexion/ und auch einer gan-
tzen gleichen Gnad ſeyn/ welche beyde ein wolgeſtaltes Wiebsbild
anſchauen/ einer aus ihnen verwilliget in ein ungebuͤrliche Be-
gierd/ der andere widerſtrebt/ und erhaͤlt das Gewiſſen unverſehrt
keiner anderer Urſach halber/ als weil einer den freyen Willen uͤbel/
und der andere wol angewendet. Ja es geſchicht nicht ſelten/ daß
einer mit weniger Gnad heiliger lebt/ als der andere mit mehrer/
nach Unterſchied des freyen Willens. So klag dann niemand die
Goͤttliche Gnad an; als welche alle verlangt in die Seeligkeit zu
bringen/ ſondern die eigene Bosheit ſeines freyen Willens/ dahe-
ro ein jeder Verdammter in der Hoͤll ſagen kan/ und bekennen muß:
Ego ſum, qui peccavi, ego, qui in juſtè egi, ego, qui iniquè geſſi.
Der die Schuld auf die Gnad GOttes legt/ als waͤre ſol-
che nur Sufficiens, und nicht Efficax geweſt/ und ſeye derenthal-
ben verlohren gangen/ der kommt mir vor wie jener boshaffte Or-
ganiſt/ welcher eine geraume Zeit einen Haß getragen gegen einem
Schneider-Meiſter/ und damit er ſich an demſelben rechnen moͤch-
te/ alſo hat er auf ein Zeit offentlich das Liedel/ zwar ohne Ge-
ſang auf der Orgel aufgeſpilt: Es kuͤffelt ein Schneider ein Geiß-
ſuß ab/ ꝛc. Diß war nicht allein in dem Haus GOttes ein groſ-
ſe Ergernuß/ ſondern zugleich dem ehrlichen Meiſter ein zimliche
Unbild/ ſolche gebuͤhrend abzuſtraffen/ nimmt er einige Came-
raden mit ſich/ des Willens/ ſolchen Muthwillen mit einem di-
cken hoͤltzenen Concept abzutruͤcknen. Als aber der arge Orgel-
Schmied ſolches wahrgenommen/ iſt er alſobald mit einer Ent-
ſchuldigung auf die Bahn kommen/ mit Vermeldung/ daß ſol-
ches ſeiner Schuld gar nicht zuzumeſſen ſeye/ ſondern den Cal-
canten/ und Blasbalgzieher/ und muß er nur auf der Orgel ſchla-
gen/ was er ziehen thue/ der einfaͤltige Meiſter nimmt dieſe grund-
loſe Entſchuldigung an/ und bezahlt den armen Calcanten mit
der
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