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Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695.

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Judas der verfluchte Gesell
Schild hängt/ damit ein anderer so leicht nicht erfahren kan
was er im Schild führe; er muß seyn wie das Wirths-Haus
beym weissen Lämmel/ wo der Wirth Herr Wolffgang heist:
er muß seyn wie die Apothecker Pillulen/ so von aussen gantz ver-
guldt/ einwendig aber ein gallsüchtige Materi haben; er muß
sich wissen in alles zu schicken/ wie ein Schambataschy-Hut:
Er muß sich wissen hin und her zu lenden und wenden wie ein Go-
ckel-Haan auf dem Thurn; er muß sich äusserlich stellen/ wie
ein Abel/ wann er schon einwendig ist ein Nabal; er muß die
Psalm mit singen/ obs ihm schon nicht von Hertzen gehet/ wann
er nur das Gloria recht erdappt: Er muß das Pater noster mit
beten/ obschon wider seinen Willen/ wann er nur dardurch
zum Credo oder Credit kommt: Er muß mit der Procession ge-
hen/ obschon nicht gern/ wann er nur dardurch den Proceß ge-
winnet: Er muß in der Kirchen die Knye biegen/ ob es ihm schon
hart ankommt/ wann ihme nur hierdurch wieder auf die Füß ge-
holffen wird: Er muß äusserlich GOtt dienen/ ob er schon den
Teuffel im Hertzen tragt/ wann er nur den Himmel erreicht/ wo
Glück und Stern hafften.

Jn Engelland befand sich ein Cavallier bey Hof zur Zeit
der frommen und Gottseeligen Königin Maria/ welcher in sehr
grossem Ansehen ware/ massen er gleichfalls einen Catholischen
Eiffer und gar auferbaulichen Wandel gezeigt/ so bald aber an
statt dieser Tugendsamsten Königin die Ketzerische Elisabeth
zur Cron gelangt/ so hat besagter Cavallier auch alsobald die
Maschera abgelegt/ und einen offentlichen Ketzer angezogen/
welches ihme dann ein stattlicher Vortheil war zu Erhaltung
Menoc.
P. 4. c.
16
seines Glücks. Aber wo ist das Gewissen? wie stehts mit dem
Gewissen?

Der Mautner hat mehrmalen ein grossen Ballen auf-
gepackt/ aber nichts gefunden als allerley Farben/ nicht ein
Quintel von einem Gewissen: O! sagte ich/ diese Wahr kan

man

Judas der verfluchte Geſell
Schild haͤngt/ damit ein anderer ſo leicht nicht erfahren kan
was er im Schild fuͤhre; er muß ſeyn wie das Wirths-Haus
beym weiſſen Laͤmmel/ wo der Wirth Herꝛ Wolffgang heiſt:
er muß ſeyn wie die Apothecker Pillulen/ ſo von auſſen gantz ver-
guldt/ einwendig aber ein gallſuͤchtige Materi haben; er muß
ſich wiſſen in alles zu ſchicken/ wie ein Schambataſchy-Hut:
Er muß ſich wiſſen hin und her zu lenden und wenden wie ein Go-
ckel-Haan auf dem Thurn; er muß ſich aͤuſſerlich ſtellen/ wie
ein Abel/ wann er ſchon einwendig iſt ein Nabal; er muß die
Pſalm mit ſingen/ obs ihm ſchon nicht von Hertzen gehet/ wann
er nur das Gloria recht erdappt: Er muß das Pater noſter mit
beten/ obſchon wider ſeinen Willen/ wann er nur dardurch
zum Credo oder Credit kommt: Er muß mit der Proceſſion ge-
hen/ obſchon nicht gern/ wann er nur dardurch den Proceß ge-
winnet: Er muß in der Kirchen die Knye biegen/ ob es ihm ſchon
hart ankommt/ wann ihme nur hierdurch wieder auf die Fuͤß ge-
holffen wird: Er muß aͤuſſerlich GOtt dienen/ ob er ſchon den
Teuffel im Hertzen tragt/ wann er nur den Himmel erreicht/ wo
Gluͤck und Stern hafften.

Jn Engelland befand ſich ein Cavallier bey Hof zur Zeit
der frommen und Gottſeeligen Koͤnigin Maria/ welcher in ſehr
groſſem Anſehen ware/ maſſen er gleichfalls einen Catholiſchen
Eiffer und gar auferbaulichen Wandel gezeigt/ ſo bald aber an
ſtatt dieſer Tugendſamſten Koͤnigin die Ketzeriſche Eliſabeth
zur Cron gelangt/ ſo hat beſagter Cavallier auch alſobald die
Maſchera abgelegt/ und einen offentlichen Ketzer angezogen/
welches ihme dann ein ſtattlicher Vortheil war zu Erhaltung
Menoc.
P. 4. c.
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ſeines Gluͤcks. Aber wo iſt das Gewiſſen? wie ſtehts mit dem
Gewiſſen?

Der Mautner hat mehrmalen ein groſſen Ballen auf-
gepackt/ aber nichts gefunden als allerley Farben/ nicht ein
Quintel von einem Gewiſſen: O! ſagte ich/ dieſe Wahr kan

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[378/0390] Judas der verfluchte Geſell Schild haͤngt/ damit ein anderer ſo leicht nicht erfahren kan was er im Schild fuͤhre; er muß ſeyn wie das Wirths-Haus beym weiſſen Laͤmmel/ wo der Wirth Herꝛ Wolffgang heiſt: er muß ſeyn wie die Apothecker Pillulen/ ſo von auſſen gantz ver- guldt/ einwendig aber ein gallſuͤchtige Materi haben; er muß ſich wiſſen in alles zu ſchicken/ wie ein Schambataſchy-Hut: Er muß ſich wiſſen hin und her zu lenden und wenden wie ein Go- ckel-Haan auf dem Thurn; er muß ſich aͤuſſerlich ſtellen/ wie ein Abel/ wann er ſchon einwendig iſt ein Nabal; er muß die Pſalm mit ſingen/ obs ihm ſchon nicht von Hertzen gehet/ wann er nur das Gloria recht erdappt: Er muß das Pater noſter mit beten/ obſchon wider ſeinen Willen/ wann er nur dardurch zum Credo oder Credit kommt: Er muß mit der Proceſſion ge- hen/ obſchon nicht gern/ wann er nur dardurch den Proceß ge- winnet: Er muß in der Kirchen die Knye biegen/ ob es ihm ſchon hart ankommt/ wann ihme nur hierdurch wieder auf die Fuͤß ge- holffen wird: Er muß aͤuſſerlich GOtt dienen/ ob er ſchon den Teuffel im Hertzen tragt/ wann er nur den Himmel erreicht/ wo Gluͤck und Stern hafften. Jn Engelland befand ſich ein Cavallier bey Hof zur Zeit der frommen und Gottſeeligen Koͤnigin Maria/ welcher in ſehr groſſem Anſehen ware/ maſſen er gleichfalls einen Catholiſchen Eiffer und gar auferbaulichen Wandel gezeigt/ ſo bald aber an ſtatt dieſer Tugendſamſten Koͤnigin die Ketzeriſche Eliſabeth zur Cron gelangt/ ſo hat beſagter Cavallier auch alſobald die Maſchera abgelegt/ und einen offentlichen Ketzer angezogen/ welches ihme dann ein ſtattlicher Vortheil war zu Erhaltung ſeines Gluͤcks. Aber wo iſt das Gewiſſen? wie ſtehts mit dem Gewiſſen? Menoc. P. 4. c. 16 Der Mautner hat mehrmalen ein groſſen Ballen auf- gepackt/ aber nichts gefunden als allerley Farben/ nicht ein Quintel von einem Gewiſſen: O! ſagte ich/ dieſe Wahr kan man

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Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas04_1695/390>, abgerufen am 29.03.2024.