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Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695.

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wird gar unter die Heiligen gezehlt.
Titl? er ist ja ein Geitzhalß/ ein Geld-Narr/ ein Judas Bru-
der/ ein Baatzen-Jäger/ ein Beutel Vogt/ bey Leib nit/ sagt die
Welt/ sie canoniziert ihn wie den Iscarioth, er ist gar ein guter
Wirth/ ein gesparsamer Mann/ er gibt fleissig auff das Seini-
ge acht/ er verhaust wol nichts/ O was gibt er seinen Kindern
für einen guten Vatter ab/ etc. Et sic lautatur Peccator, & Ini-
quus benedicitur, &c.

Just ist die Justitz bey der Welt/ wie ein Spinnen-Geweb/
welches an ein Hauß an dem vorgeschossenen Dachstull ange-
hängt ist/ wann zuweilen ein unbehutsame Mucken oder Flie-
gen darein gerathen/ so bleibts schon hencken/ so aber ein gros-
ser Vogel etwann ein Spatz oder Schwalmb sich darein ver-
schiest/ so reist er das gantze subtile Netz von einander/ und ge-
langt wider auff frischen Fuß/ also pflegt mainstens die Welt-
Justitz nur die arme und gemeine Leuth wegen begangener Ver-
brechen dem Gesatz nach abzustraffen/ die reiche aber und vor-
nehme Leuth seynd fast allemahl discensiert; der Galgen gehört
nur für die kleine Dieb/ die vornehme aber thut man verehren.

Die Phariseer sambt andern Nasenwitzigen Schrifft-Ge-
lehrten führen einmahl ein Weib in Mitte des Tempels/ alwo
unser HErr dem Volck ein eyffrige Predig vorgetragen/ und
klagen dieselbe an mit allem Ernst/ wie daß sie in würcklichem
Ehebruch erdappt seye worden/ Modo deprehensa, &c. Fra-
gen also Christum den HErrn/ ob dann solche vermög deß Mo-Joan. c. 8.
saischen Gesatz solle verstainiget werden? hört ein wenig ihr
saubere Gesellen/ wann ihr besagten Schleppfack in würcklicher
Schand-Thatt erdappt hat/ wo ist dann er gebliben? warumb
führt ihr denselben Ehebrecher nit ebenfalls zu Christum, zu-
mahlen das Gesatz Moysis beyder zu gleicher Abstraffung ver-
dambt? Ho, ho, ich kenn euch Vögel aus dem Gesang; der Thä-
ter und Ehebrecher war reich/ eines vornehmen Stands (diser
Maynung ist auch Liranus:) er hat in der Stadt ein vor-
nehmes Ambt zu verwalten gehabt/ und darum hat hat man

müssen

wird gar unter die Heiligen gezehlt.
Titl? er iſt ja ein Geitzhalß/ ein Geld-Narr/ ein Judas Bru-
der/ ein Baatzen-Jaͤger/ ein Beutel Vogt/ bey Leib nit/ ſagt die
Welt/ ſie canoniziert ihn wie den Iſcarioth, er iſt gar ein guter
Wirth/ ein geſparſamer Mann/ er gibt fleiſſig auff das Seini-
ge acht/ er verhauſt wol nichts/ O was gibt er ſeinen Kindern
fuͤr einen guten Vatter ab/ ꝛc. Et ſic lautatur Peccator, & Ini-
quus benedicitur, &c.

Juſt iſt die Juſtitz bey der Welt/ wie ein Spinnen-Geweb/
welches an ein Hauß an dem vorgeſchoſſenen Dachſtull ange-
haͤngt iſt/ wann zuweilen ein unbehutſame Mucken oder Flie-
gen darein gerathen/ ſo bleibts ſchon hencken/ ſo aber ein groſ-
ſer Vogel etwann ein Spatz oder Schwalmb ſich darein ver-
ſchieſt/ ſo reiſt er das gantze ſubtile Netz von einander/ und ge-
langt wider auff friſchen Fuß/ alſo pflegt mainſtens die Welt-
Juſtitz nur die arme und gemeine Leuth wegen begangener Ver-
brechen dem Geſatz nach abzuſtraffen/ die reiche aber und vor-
nehme Leuth ſeynd faſt allemahl diſcenſiert; der Galgẽ gehoͤrt
nur fuͤr die kleine Dieb/ die vornehme aber thut man verehren.

Die Phariſeer ſambt andern Naſenwitzigen Schrifft-Ge-
lehrten fuͤhren einmahl ein Weib in Mitte des Tempels/ alwo
unſer HErr dem Volck ein eyffrige Predig vorgetragen/ und
klagen dieſelbe an mit allem Ernſt/ wie daß ſie in wuͤrcklichem
Ehebruch erdappt ſeye worden/ Modo deprehenſa, &c. Fra-
gen alſo Chriſtum den HErrn/ ob dañ ſolche vermoͤg deß Mo-Joan. c. 8.
ſaiſchen Geſatz ſolle verſtainiget werden? hoͤrt ein wenig ihr
ſaubere Geſellen/ wañ ihr beſagtẽ Schleppfack in wuͤrcklicher
Schand-Thatt erdappt hat/ wo iſt dann er gebliben? warumb
fuͤhrt ihr denſelben Ehebrecher nit ebenfalls zu Chriſtum, zu-
mahlen das Geſatz Moyſis beyder zu gleicher Abſtraffung ver-
dambt? Ho, ho, ich kenn euch Voͤgel aus dem Geſang; der Thaͤ-
ter und Ehebrecher war reich/ eines vornehmen Stands (diſer
Maynung iſt auch Liranus:) er hat in der Stadt ein vor-
nehmes Ambt zu verwalten gehabt/ und darum hat hat man

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[359/0371] wird gar unter die Heiligen gezehlt. Titl? er iſt ja ein Geitzhalß/ ein Geld-Narr/ ein Judas Bru- der/ ein Baatzen-Jaͤger/ ein Beutel Vogt/ bey Leib nit/ ſagt die Welt/ ſie canoniziert ihn wie den Iſcarioth, er iſt gar ein guter Wirth/ ein geſparſamer Mann/ er gibt fleiſſig auff das Seini- ge acht/ er verhauſt wol nichts/ O was gibt er ſeinen Kindern fuͤr einen guten Vatter ab/ ꝛc. Et ſic lautatur Peccator, & Ini- quus benedicitur, &c. Juſt iſt die Juſtitz bey der Welt/ wie ein Spinnen-Geweb/ welches an ein Hauß an dem vorgeſchoſſenen Dachſtull ange- haͤngt iſt/ wann zuweilen ein unbehutſame Mucken oder Flie- gen darein gerathen/ ſo bleibts ſchon hencken/ ſo aber ein groſ- ſer Vogel etwann ein Spatz oder Schwalmb ſich darein ver- ſchieſt/ ſo reiſt er das gantze ſubtile Netz von einander/ und ge- langt wider auff friſchen Fuß/ alſo pflegt mainſtens die Welt- Juſtitz nur die arme und gemeine Leuth wegen begangener Ver- brechen dem Geſatz nach abzuſtraffen/ die reiche aber und vor- nehme Leuth ſeynd faſt allemahl diſcenſiert; der Galgẽ gehoͤrt nur fuͤr die kleine Dieb/ die vornehme aber thut man verehren. Die Phariſeer ſambt andern Naſenwitzigen Schrifft-Ge- lehrten fuͤhren einmahl ein Weib in Mitte des Tempels/ alwo unſer HErr dem Volck ein eyffrige Predig vorgetragen/ und klagen dieſelbe an mit allem Ernſt/ wie daß ſie in wuͤrcklichem Ehebruch erdappt ſeye worden/ Modo deprehenſa, &c. Fra- gen alſo Chriſtum den HErrn/ ob dañ ſolche vermoͤg deß Mo- ſaiſchen Geſatz ſolle verſtainiget werden? hoͤrt ein wenig ihr ſaubere Geſellen/ wañ ihr beſagtẽ Schleppfack in wuͤrcklicher Schand-Thatt erdappt hat/ wo iſt dann er gebliben? warumb fuͤhrt ihr denſelben Ehebrecher nit ebenfalls zu Chriſtum, zu- mahlen das Geſatz Moyſis beyder zu gleicher Abſtraffung ver- dambt? Ho, ho, ich kenn euch Voͤgel aus dem Geſang; der Thaͤ- ter und Ehebrecher war reich/ eines vornehmen Stands (diſer Maynung iſt auch Liranus:) er hat in der Stadt ein vor- nehmes Ambt zu verwalten gehabt/ und darum hat hat man muͤſſen Joan. c. 8.

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Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas04_1695/371>, abgerufen am 26.04.2024.