Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695.

Bild:
<< vorherige Seite

Die dreyssig Silberling
wunderschöner Gestalt/ und Leibs-Beschaffenheit. Nach an-
dem befand sich auch auf gedachten grossen Schiff ein ander sehr
adelicher Cavalier/ welcher nach und nach ein Aug geworffen
in des Schiffherrn seine adeliche Schwester (im Würffelspielen
seyn vil Augen gut/ und bringt Glück/ aber in disem Fall seynd
die Augen meistens schädlich) seine Lieb wachste so weit/ daß er
auch ein Gegenlieb erworben/ ja so gar haben sich beyde in ein
eheliche Verlöbnuß eingelassen/ doch ungeacht haben des Schiff-
herrns/ deme hirvon das wenigste vertraut worden/ aus Forcht/
er möchte als ein hochtrabender Herr der Sach einen Rigel
schiessen: der kleine schlecker Bub Cupido hat nit gefeyret/ biß
endlich auch bey glücklicher Schiffarth die Ehe zwischen disen
beyden gescheitert/ welches der hernachwachsende Leib verra-
then/ worüber sich der Schiffherr nit ein wenig entrüstet/ auch
gäntzlich bey sich beschlossen/ dise vermessene That zu rächnen/
und zu Vermäntlung seines Vorhabens zeigte er sich/ als wäre
er ihr Verehligung nit zu wider/ biß er endlich bey einer kleinen
unbekanten Jnsul die Ancker gesenckt/ des Verlauts/ als wolle
er einen Rasttag nemen/ und zugleich mit frischem Wasser sich
versehen/ da dann neben andern dises paar Liebste auch ausgesti-
gen/ nachdeme er etliche Sachen/ als Pulver/ Bley/ Feurzeug
und einige Speisen auf das Land laden lassen/ befilcht er bey
finster Nacht in aller Still abzusegeln/ und das neue paar Ehe-
volck in der Jnsul zu lassen/ so auch werckstellig gemacht wor-
den. Bey aufgehender Morgenröth sahen sich diese zwey gantz
allein/ und von männiglich verlassen: das Schreyen/ das Bitten/
das Weynen war umsonst/ und alles Fruchtloß: nachdem sie
nun aller menschlicher Hülff beraubt waren/ musten sie sich end-
lich in die Noth schicken; aber außzusprechen ist nit/ was Angst
und Trübsal/ sie diser Ort/ allwo mehr Wildnuß und wilde Thier
zu sehen/ außgestanden; mit etlichen Gesträuß und Stauden/
bauten sie endlich/ dises edle und so zart auferzognes paar Ehe-
Volck/ ein schlechte Hütten; er gienge täglich auf die Jagt/ und

versahe

Die dreyſſig Silberling
wunderſchoͤner Geſtalt/ und Leibs-Beſchaffenheit. Nach an-
dem befand ſich auch auf gedachtẽ groſſen Schiff ein ander ſehꝛ
adelicher Cavalier/ welcher nach und nach ein Aug geworffen
in des Schiffherꝛn ſeine adeliche Schweſter (im Wuͤrffelſpielẽ
ſeyn vil Augen gut/ und bringt Gluͤck/ aber in diſem Fall ſeynd
die Augen meiſtens ſchaͤdlich) ſeine Lieb wachſte ſo weit/ daß er
auch ein Gegenlieb erworben/ ja ſo gar haben ſich beyde in ein
eheliche Verloͤbnuß eingelaſſẽ/ doch ungeacht habẽ des Schiff-
herꝛns/ deme hirvon das wenigſte vertraut wordẽ/ aus Forcht/
er moͤchte als ein hochtrabender Herꝛ der Sach einen Rigel
ſchieſſen: der kleine ſchlecker Bub Cupido hat nit gefeyret/ biß
endlich auch bey gluͤcklicher Schiffarth die Ehe zwiſchen diſen
beyden geſcheitert/ welches der hernachwachſende Leib verra-
then/ woruͤber ſich der Schiffherꝛ nit ein wenig entruͤſtet/ auch
gaͤntzlich bey ſich beſchloſſen/ diſe vermeſſene That zu raͤchnen/
uñ zu Vermaͤntlung ſeines Vorhabens zeigte er ſich/ als waͤre
er ihr Verehligung nit zu wider/ biß er endlich bey einer kleinẽ
unbekanten Jnſul die Ancker geſenckt/ des Verlauts/ als wolle
er einen Raſttag nemen/ und zugleich mit friſchem Waſſer ſich
verſehẽ/ da dañ neben andern diſes paar Liebſte auch ausgeſti-
gen/ nachdeme er etliche Sachen/ als Pulver/ Bley/ Feurzeug
und einige Speiſen auf das Land laden laſſen/ befilcht er bey
finſter Nacht in aller Still abzuſegeln/ und das neue paar Ehe-
volck in der Jnſul zu laſſen/ ſo auch werckſtellig gemacht wor-
den. Bey aufgehender Morgenroͤth ſahen ſich dieſe zwey gantz
allein/ und von maͤñiglich verlaſſen: das Schreyen/ das Bıttẽ/
das Weynen war umſonſt/ und alles Fruchtloß: nachdem ſie
nun aller menſchlicher Huͤlff beraubt warẽ/ muſten ſie ſich end-
lich in die Noth ſchicken; aber außzuſprechen iſt nit/ was Angſt
und Truͤbſal/ ſie diſer Ort/ allwo mehr Wildnuß uñ wilde Thieꝛ
zu ſehen/ außgeſtanden; mit etlichen Geſtraͤuß und Stauden/
bauten ſie endlich/ diſes edle und ſo zart auferzognes paar Ehe-
Volck/ ein ſchlechte Huͤtten; er gienge taͤglich auf die Jagt/ und

verſahe
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0354" n="342"/><fw place="top" type="header">Die drey&#x017F;&#x017F;ig Silberling</fw><lb/>
wunder&#x017F;cho&#x0364;ner Ge&#x017F;talt/ und Leibs-Be&#x017F;chaffenheit. Nach an-<lb/>
dem befand &#x017F;ich auch auf gedachte&#x0303; gro&#x017F;&#x017F;en Schiff ein ander &#x017F;eh&#xA75B;<lb/>
adelicher Cavalier/ welcher nach und nach ein Aug geworffen<lb/>
in des Schiffher&#xA75B;n &#x017F;eine adeliche Schwe&#x017F;ter (im Wu&#x0364;rffel&#x017F;piele&#x0303;<lb/>
&#x017F;eyn vil Augen gut/ und bringt Glu&#x0364;ck/ aber in di&#x017F;em Fall &#x017F;eynd<lb/>
die Augen mei&#x017F;tens &#x017F;cha&#x0364;dlich) &#x017F;eine Lieb wach&#x017F;te &#x017F;o weit/ daß er<lb/>
auch ein Gegenlieb erworben/ ja &#x017F;o gar haben &#x017F;ich beyde in ein<lb/>
eheliche Verlo&#x0364;bnuß eingela&#x017F;&#x017F;e&#x0303;/ doch ungeacht habe&#x0303; des Schiff-<lb/>
her&#xA75B;ns/ deme hirvon das wenig&#x017F;te vertraut worde&#x0303;/ aus Forcht/<lb/>
er mo&#x0364;chte als ein hochtrabender Her&#xA75B; der Sach einen Rigel<lb/>
&#x017F;chie&#x017F;&#x017F;en: der kleine &#x017F;chlecker Bub <hi rendition="#aq">Cupido</hi> hat nit gefeyret/ biß<lb/>
endlich auch bey glu&#x0364;cklicher Schiffarth die Ehe zwi&#x017F;chen di&#x017F;en<lb/>
beyden ge&#x017F;cheitert/ welches der hernachwach&#x017F;ende Leib verra-<lb/>
then/ woru&#x0364;ber &#x017F;ich der Schiffher&#xA75B; nit ein wenig entru&#x0364;&#x017F;tet/ auch<lb/>
ga&#x0364;ntzlich bey &#x017F;ich be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en/ di&#x017F;e verme&#x017F;&#x017F;ene That zu ra&#x0364;chnen/<lb/>
un&#x0303; zu Verma&#x0364;ntlung &#x017F;eines Vorhabens zeigte er &#x017F;ich/ als wa&#x0364;re<lb/>
er ihr Verehligung nit zu wider/ biß er endlich bey einer kleine&#x0303;<lb/>
unbekanten Jn&#x017F;ul die Ancker ge&#x017F;enckt/ des Verlauts/ als wolle<lb/>
er einen Ra&#x017F;ttag nemen/ und zugleich mit fri&#x017F;chem Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ich<lb/>
ver&#x017F;ehe&#x0303;/ da dan&#x0303; neben andern di&#x017F;es paar Lieb&#x017F;te auch ausge&#x017F;ti-<lb/>
gen/ nachdeme er etliche Sachen/ als Pulver/ Bley/ Feurzeug<lb/>
und einige Spei&#x017F;en auf das Land laden la&#x017F;&#x017F;en/ befilcht er bey<lb/>
fin&#x017F;ter Nacht in aller Still abzu&#x017F;egeln/ und das neue paar Ehe-<lb/>
volck in der Jn&#x017F;ul zu la&#x017F;&#x017F;en/ &#x017F;o auch werck&#x017F;tellig gemacht wor-<lb/>
den. Bey aufgehender Morgenro&#x0364;th &#x017F;ahen &#x017F;ich die&#x017F;e zwey gantz<lb/>
allein/ und von ma&#x0364;n&#x0303;iglich verla&#x017F;&#x017F;en: das Schreyen/ das B&#x0131;tte&#x0303;/<lb/>
das Weynen war um&#x017F;on&#x017F;t/ und alles Fruchtloß: nachdem &#x017F;ie<lb/>
nun aller men&#x017F;chlicher Hu&#x0364;lff beraubt ware&#x0303;/ mu&#x017F;ten &#x017F;ie &#x017F;ich end-<lb/>
lich in die Noth &#x017F;chicken; aber außzu&#x017F;prechen i&#x017F;t nit/ was Ang&#x017F;t<lb/>
und Tru&#x0364;b&#x017F;al/ &#x017F;ie di&#x017F;er Ort/ allwo mehr Wildnuß un&#x0303; wilde Thie&#xA75B;<lb/>
zu &#x017F;ehen/ außge&#x017F;tanden; mit etlichen Ge&#x017F;tra&#x0364;uß und <hi rendition="#fr">S</hi>tauden/<lb/>
bauten &#x017F;ie endlich/ di&#x017F;es edle und &#x017F;o zart auferzognes paar Ehe-<lb/>
Volck/ ein &#x017F;chlechte Hu&#x0364;tten; er gienge ta&#x0364;glich auf die Jagt/ und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ver&#x017F;ahe</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[342/0354] Die dreyſſig Silberling wunderſchoͤner Geſtalt/ und Leibs-Beſchaffenheit. Nach an- dem befand ſich auch auf gedachtẽ groſſen Schiff ein ander ſehꝛ adelicher Cavalier/ welcher nach und nach ein Aug geworffen in des Schiffherꝛn ſeine adeliche Schweſter (im Wuͤrffelſpielẽ ſeyn vil Augen gut/ und bringt Gluͤck/ aber in diſem Fall ſeynd die Augen meiſtens ſchaͤdlich) ſeine Lieb wachſte ſo weit/ daß er auch ein Gegenlieb erworben/ ja ſo gar haben ſich beyde in ein eheliche Verloͤbnuß eingelaſſẽ/ doch ungeacht habẽ des Schiff- herꝛns/ deme hirvon das wenigſte vertraut wordẽ/ aus Forcht/ er moͤchte als ein hochtrabender Herꝛ der Sach einen Rigel ſchieſſen: der kleine ſchlecker Bub Cupido hat nit gefeyret/ biß endlich auch bey gluͤcklicher Schiffarth die Ehe zwiſchen diſen beyden geſcheitert/ welches der hernachwachſende Leib verra- then/ woruͤber ſich der Schiffherꝛ nit ein wenig entruͤſtet/ auch gaͤntzlich bey ſich beſchloſſen/ diſe vermeſſene That zu raͤchnen/ uñ zu Vermaͤntlung ſeines Vorhabens zeigte er ſich/ als waͤre er ihr Verehligung nit zu wider/ biß er endlich bey einer kleinẽ unbekanten Jnſul die Ancker geſenckt/ des Verlauts/ als wolle er einen Raſttag nemen/ und zugleich mit friſchem Waſſer ſich verſehẽ/ da dañ neben andern diſes paar Liebſte auch ausgeſti- gen/ nachdeme er etliche Sachen/ als Pulver/ Bley/ Feurzeug und einige Speiſen auf das Land laden laſſen/ befilcht er bey finſter Nacht in aller Still abzuſegeln/ und das neue paar Ehe- volck in der Jnſul zu laſſen/ ſo auch werckſtellig gemacht wor- den. Bey aufgehender Morgenroͤth ſahen ſich dieſe zwey gantz allein/ und von maͤñiglich verlaſſen: das Schreyen/ das Bıttẽ/ das Weynen war umſonſt/ und alles Fruchtloß: nachdem ſie nun aller menſchlicher Huͤlff beraubt warẽ/ muſten ſie ſich end- lich in die Noth ſchicken; aber außzuſprechen iſt nit/ was Angſt und Truͤbſal/ ſie diſer Ort/ allwo mehr Wildnuß uñ wilde Thieꝛ zu ſehen/ außgeſtanden; mit etlichen Geſtraͤuß und Stauden/ bauten ſie endlich/ diſes edle und ſo zart auferzognes paar Ehe- Volck/ ein ſchlechte Huͤtten; er gienge taͤglich auf die Jagt/ und verſahe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas04_1695
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas04_1695/354
Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas04_1695/354>, abgerufen am 18.12.2024.