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Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695.

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und gibt es seinem Weib/ und Kindern.
der/ Vettern/ oder Befreundten/ als an eurer aignen Seel?
liebet sie in GOttes Namen/ disem widersprich ich nit/ aber lie-
bet sie solcher gestalten/ daß ihrethalben euer Seel nit in Ver-
lurft gehe: suchet dero zeitliches Heyl/ aber daß euer ewiges
nit in die Gefahr komme.

Aber höre/ der du in frembden Gut steckest/ wie ein Zwifel
in den Häuten/ und ein so harten Magen hast/ daß dich niemand
advomitum kan bewegen/ damit nur deine Kinder wolstehen/
warum liebestu sie dergestalten daß du ihrethalben wilst ewig
verlohren werden/ indem sie dich so wenig lieben/ ja kaum er-
warten können/ bis du die Augen zutruckest/ und sie die gewünsch-
te Erbschafft erlangen können? Nach dem der Jacob die zwey
Schwestern/ nemlich die Lia und Rachel geheyrath/ und sich
in dem Hauß des Schwigervatters ein geraume Zeit aufgehal-
ten/ da wolt er widerumb in sein liebes Vatterland Chanaan
raisen; voran aber beyde Weiber befragt/ ob sie Lust hätten mit
ihme zu gehen? worauf sie alsobalden geantwortet/ ja gar ger-
ne; dann unser Erbs Portion haben wir bereits schon empfan-
gen/ und künfftiger Zeit nichts mehr zu hoffen/ das übrige fällt
alles auf unsere Brüder. Nunquid habemus residui aliquidGen. 31.
v.
14.

in haereditate Patris nostri! So/ höre ich wol/ ihr Krotten/
unangesehen euer Vatter und Mutter alt und betagt/ und bey
solcher Zeit euer Hülff und Beystand wol vonnöthen/ so verlast
ihr sie dannoch; weil ihr nemlich von ihnen nichts mehr zu hof-
fen/ und das Eur geschon bekommen? so sihe ich wol/ daß ihr
eure Eltern nur lieb habt wegen der Erbschafft? was dann:
das ist gar nichts neues. Aber daß ein Vatter will der Kinder
halben zum Teuffel fahren/ das ist etwas neues.

Gantz gemein ist jene Geschicht/ so sich mit einem reichen
Wucherer zugetragen: wie diser tödtlich erkrancket/ und bereits
kein Hoffnung mehr eines längern Lebens/ da hat er alsobald/
und zwar gar sorgfältig ein Testament aufgericht/ worinn er
sein Weib und Kinder zu Universal Erben eingesetzt. Ein ver-
ständiger Pater, so dazumal gegenwärtig gewest/ hat ihme mit

ernst-
N n 3

und gibt es ſeinem Weib/ und Kindern.
der/ Vettern/ oder Befreundten/ als an eurer aignen Seel?
liebet ſie in GOttes Namen/ diſem widerſprich ich nit/ aber lie-
bet ſie ſolcher geſtalten/ daß ihrethalben euer Seel nit in Ver-
lurft gehe: ſuchet dero zeitliches Heyl/ aber daß euer ewiges
nit in die Gefahr komme.

Aber hoͤre/ der du in frembden Gut ſteckeſt/ wie ein Zwifel
in den Haͤuten/ und ein ſo hartẽ Magen haſt/ daß dich niemand
advomitum kan bewegen/ damit nur deine Kinder wolſtehen/
warum liebeſtu ſie dergeſtalten daß du ihrethalben wilſt ewig
verlohren werden/ indem ſie dich ſo wenig lieben/ ja kaum er-
warten koͤñen/ bis du die Augen zutruckeſt/ und ſie die gewuͤnſch-
te Erbſchafft erlangen koͤnnen? Nach dem der Jacob die zwey
Schweſtern/ nemlich die Lia und Rachel geheyrath/ und ſich
in dem Hauß des Schwigervatters ein geraume Zeit aufgehal-
ten/ da wolt er widerumb in ſein liebes Vatterland Chanaan
raiſen; voran aber beyde Weiber befragt/ ob ſie Luſt haͤtten mit
ihme zu gehen? worauf ſie alſobalden geantwortet/ ja gar ger-
ne; dann unſer Erbs Portion haben wir bereits ſchon empfan-
gen/ und kuͤnfftiger Zeit nichts mehr zu hoffen/ das uͤbrige faͤllt
alles auf unſere Bruͤder. Nunquid habemus reſidui aliquidGen. 31.
v.
14.

in hæreditate Patris noſtri! So/ hoͤre ich wol/ ihr Krotten/
unangeſehen euer Vatter und Mutter alt und betagt/ und bey
ſolcher Zeit euer Huͤlff und Beyſtand wol vonnoͤthen/ ſo verlaſt
ihr ſie dannoch; weil ihr nemlich von ihnen nichts mehr zu hof-
fen/ und das Eur geſchon bekommen? ſo ſihe ich wol/ daß ihr
eure Eltern nur lieb habt wegen der Erbſchafft? was dann:
das iſt gar nichts neues. Aber daß ein Vatter will der Kinder
halben zum Teuffel fahren/ das iſt etwas neues.

Gantz gemein iſt jene Geſchicht/ ſo ſich mit einem reichen
Wucherer zugetragen: wie diſer toͤdtlich erkrancket/ und bereits
kein Hoffnung mehr eines laͤngern Lebens/ da hat er alſobald/
und zwar gar ſorgfaͤltig ein Teſtament aufgericht/ worinn er
ſein Weib und Kinder zu Univerſal Erben eingeſetzt. Ein ver-
ſtaͤndiger Pater, ſo dazumal gegenwaͤrtig geweſt/ hat ihme mit

ernſt-
N n 3
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[285/0297] und gibt es ſeinem Weib/ und Kindern. der/ Vettern/ oder Befreundten/ als an eurer aignen Seel? liebet ſie in GOttes Namen/ diſem widerſprich ich nit/ aber lie- bet ſie ſolcher geſtalten/ daß ihrethalben euer Seel nit in Ver- lurft gehe: ſuchet dero zeitliches Heyl/ aber daß euer ewiges nit in die Gefahr komme. Aber hoͤre/ der du in frembden Gut ſteckeſt/ wie ein Zwifel in den Haͤuten/ und ein ſo hartẽ Magen haſt/ daß dich niemand advomitum kan bewegen/ damit nur deine Kinder wolſtehen/ warum liebeſtu ſie dergeſtalten daß du ihrethalben wilſt ewig verlohren werden/ indem ſie dich ſo wenig lieben/ ja kaum er- warten koͤñen/ bis du die Augen zutruckeſt/ und ſie die gewuͤnſch- te Erbſchafft erlangen koͤnnen? Nach dem der Jacob die zwey Schweſtern/ nemlich die Lia und Rachel geheyrath/ und ſich in dem Hauß des Schwigervatters ein geraume Zeit aufgehal- ten/ da wolt er widerumb in ſein liebes Vatterland Chanaan raiſen; voran aber beyde Weiber befragt/ ob ſie Luſt haͤtten mit ihme zu gehen? worauf ſie alſobalden geantwortet/ ja gar ger- ne; dann unſer Erbs Portion haben wir bereits ſchon empfan- gen/ und kuͤnfftiger Zeit nichts mehr zu hoffen/ das uͤbrige faͤllt alles auf unſere Bruͤder. Nunquid habemus reſidui aliquid in hæreditate Patris noſtri! So/ hoͤre ich wol/ ihr Krotten/ unangeſehen euer Vatter und Mutter alt und betagt/ und bey ſolcher Zeit euer Huͤlff und Beyſtand wol vonnoͤthen/ ſo verlaſt ihr ſie dannoch; weil ihr nemlich von ihnen nichts mehr zu hof- fen/ und das Eur geſchon bekommen? ſo ſihe ich wol/ daß ihr eure Eltern nur lieb habt wegen der Erbſchafft? was dann: das iſt gar nichts neues. Aber daß ein Vatter will der Kinder halben zum Teuffel fahren/ das iſt etwas neues. Gen. 31. v. 14. Gantz gemein iſt jene Geſchicht/ ſo ſich mit einem reichen Wucherer zugetragen: wie diſer toͤdtlich erkrancket/ und bereits kein Hoffnung mehr eines laͤngern Lebens/ da hat er alſobald/ und zwar gar ſorgfaͤltig ein Teſtament aufgericht/ worinn er ſein Weib und Kinder zu Univerſal Erben eingeſetzt. Ein ver- ſtaͤndiger Pater, ſo dazumal gegenwaͤrtig geweſt/ hat ihme mit ernſt- N n 3

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Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas04_1695/297>, abgerufen am 19.04.2024.