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Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695.

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verehrt das Alter nit.

Wie der Job bereits hundert Jahr erreicht/ und also schon
unter das alte Eisen gehört/ da hat er von freyen Stucken sein
Leben verglichen mit einen Schiff: Meine Tage/ sprach er/ seynd
schneller vorbey geloffen/ als ein reitender Both/ sie seynd vorü-
ber gerunnen/ wie ein Schiff auf dem Wasser. Warumb aber/
daß der gute Alte sich einem Schiff vergleichet? Jch glaube/
es sey kein andere Ursach als diese; gleichwie ein Schiff viel
tragen muß/ also müsse ein alter Mann viel übertragen: Nit al-
lein allerley Kranckheiten/ Schwachheiten/ Gebrechlichkeiten/
sondern auch allerley Spott und Schimpff von der unbe-
dachtsamen Jugend; dann Juventus und Juvencus seynd Na-
mens halber etwas befreund/ und seynd beyde muthwillig. Das
hat erfahren der H. Jacobus Nissibenus Bischoff/ welcher auf
ein Zeit etliche junge Menschen bey einem Bach angetroffen/ so
daselbst sich in dem frischen Wasser abgekühlet und allerley
Muthwillen getrieben/ unter andern auch den H. alten Mann
mit frechen Augen angesehen/ in unterschiedliche Schertzwort
ausgebrochen/ und sich unverschambt verlauten lassen/ wann er
nit ein so alter Geck wäre/ so wolten sie nit umbsonst bey ihme
anschantzen: den alten Tätl thäte solcher Muthwillen zu einem
billigen Raach veranlassen/ hebt demnach seine Augen zu Gott/
und bittet umb eine verdiente Straff/ so da alsobald erfolget;
massen die junge/ schöne/ frische und wolgestalte Töchter also-
bald in uhralte (hätte bald gesagt Huralte) Weiber verkehrt
worden: Die schöne gelbe Haar/ und dem Gold ähnliche Haar
in ein alte Schimmel-Paroquen verwandlet/ die Stirn wie ein
Hackbredel zerruntzlet/ die Wangen wie ein altes Cameel-Le-
der verdorren und das gantze Gesicht einer baufälligen Wasser-
Crotta gleich worden. Da solt jemand gehört haben das Seuff-
tzen diser siebentzig jährigen alten Weiber: indem sie über Wil-
len den Alt musten singen/ sie kunten sich nit genug verwundern/
daß ihnen ohne gehabten Sorgen die graue Haar gewachsen/
sie wolten sich vor niemand sehen lassen/ umb weil sie in so blü-

hender
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verehrt das Alter nit.

Wie der Job bereits hundert Jahr erreicht/ und alſo ſchon
unter das alte Eiſen gehoͤrt/ da hat er von freyen Stucken ſein
Leben verglichen mit einẽ Schiff: Meine Tage/ ſprach er/ ſeynd
ſchneller vorbey geloffen/ als ein reitender Both/ ſie ſeynd voruͤ-
ber gerunnen/ wie ein Schiff auf dem Waſſer. Warumb aber/
daß der gute Alte ſich einem Schiff vergleichet? Jch glaube/
es ſey kein andere Urſach als dieſe; gleichwie ein Schiff viel
tragen muß/ alſo muͤſſe ein alter Mañ viel uͤbertragen: Nit al-
lein allerley Kranckheiten/ Schwachheiten/ Gebꝛechlichkeiten/
ſondern auch allerley Spott und Schimpff von der unbe-
dachtſamen Jugend; dañ Juventus und Juvencus ſeynd Na-
mens halber etwas befreund/ uñ ſeynd beyde muthwillig. Das
hat erfahren der H. Jacobus Niſſibenus Biſchoff/ welcher auf
ein Zeit etliche junge Menſchen bey einem Bach angetroffen/ ſo
daſelbſt ſich in dem friſchen Waſſer abgekuͤhlet und allerley
Muthwillen getrieben/ unter andern auch den H. alten Mann
mit frechen Augen angeſehen/ in unterſchiedliche Schertzwort
ausgebrochen/ und ſich unverſchambt verlauten laſſen/ wañ er
nit ein ſo alter Geck waͤre/ ſo wolten ſie nit umbſonſt bey ihme
anſchantzen: den alten Taͤtl thaͤte ſolcher Muthwillen zu einem
billigẽ Raach veranlaſſen/ hebt demnach ſeine Augen zu Gott/
und bittet umb eine verdiente Straff/ ſo da alſobald erfolget;
maſſen die junge/ ſchoͤne/ friſche und wolgeſtalte Toͤchter alſo-
bald in uhralte (haͤtte bald geſagt Huralte) Weiber verkehrt
worden: Die ſchoͤne gelbe Haar/ und dem Gold aͤhnliche Haar
in ein alte Schim̃el-Paroquen verwandlet/ die Stirn wie ein
Hackbredel zerruntzlet/ die Wangen wie ein altes Cameel-Le-
der verdorren und das gantze Geſicht einer baufaͤlligẽ Waſſer-
Crotta gleich woꝛden. Da ſolt jemand gehoͤrt haben das Seuff-
tzen diſer ſiebentzig jaͤhrigen alten Weiber: indem ſie uͤber Wil-
len den Alt muſten ſingen/ ſie kunten ſich nit genug veꝛwundern/
daß ihnen ohne gehabten Sorgen die graue Haar gewachſen/
ſie wolten ſich vor niemand ſehen laſſen/ umb weil ſie in ſo bluͤ-

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[277/0289] verehrt das Alter nit. Wie der Job bereits hundert Jahr erreicht/ und alſo ſchon unter das alte Eiſen gehoͤrt/ da hat er von freyen Stucken ſein Leben verglichen mit einẽ Schiff: Meine Tage/ ſprach er/ ſeynd ſchneller vorbey geloffen/ als ein reitender Both/ ſie ſeynd voruͤ- ber gerunnen/ wie ein Schiff auf dem Waſſer. Warumb aber/ daß der gute Alte ſich einem Schiff vergleichet? Jch glaube/ es ſey kein andere Urſach als dieſe; gleichwie ein Schiff viel tragen muß/ alſo muͤſſe ein alter Mañ viel uͤbertragen: Nit al- lein allerley Kranckheiten/ Schwachheiten/ Gebꝛechlichkeiten/ ſondern auch allerley Spott und Schimpff von der unbe- dachtſamen Jugend; dañ Juventus und Juvencus ſeynd Na- mens halber etwas befreund/ uñ ſeynd beyde muthwillig. Das hat erfahren der H. Jacobus Niſſibenus Biſchoff/ welcher auf ein Zeit etliche junge Menſchen bey einem Bach angetroffen/ ſo daſelbſt ſich in dem friſchen Waſſer abgekuͤhlet und allerley Muthwillen getrieben/ unter andern auch den H. alten Mann mit frechen Augen angeſehen/ in unterſchiedliche Schertzwort ausgebrochen/ und ſich unverſchambt verlauten laſſen/ wañ er nit ein ſo alter Geck waͤre/ ſo wolten ſie nit umbſonſt bey ihme anſchantzen: den alten Taͤtl thaͤte ſolcher Muthwillen zu einem billigẽ Raach veranlaſſen/ hebt demnach ſeine Augen zu Gott/ und bittet umb eine verdiente Straff/ ſo da alſobald erfolget; maſſen die junge/ ſchoͤne/ friſche und wolgeſtalte Toͤchter alſo- bald in uhralte (haͤtte bald geſagt Huralte) Weiber verkehrt worden: Die ſchoͤne gelbe Haar/ und dem Gold aͤhnliche Haar in ein alte Schim̃el-Paroquen verwandlet/ die Stirn wie ein Hackbredel zerruntzlet/ die Wangen wie ein altes Cameel-Le- der verdorren und das gantze Geſicht einer baufaͤlligẽ Waſſer- Crotta gleich woꝛden. Da ſolt jemand gehoͤrt haben das Seuff- tzen diſer ſiebentzig jaͤhrigen alten Weiber: indem ſie uͤber Wil- len den Alt muſten ſingen/ ſie kunten ſich nit genug veꝛwundern/ daß ihnen ohne gehabten Sorgen die graue Haar gewachſen/ ſie wolten ſich vor niemand ſehen laſſen/ umb weil ſie in ſo bluͤ- hender M m 3

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Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas04_1695/289>, abgerufen am 24.04.2024.