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Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695.

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Der Gottlose Gesell
dich du junger Grindschüppel/ die du so saure Gesichter machest
gegen der alten Schwieger-Mutter/ und ihr alle Stund die letz-
te wünschest/ auch wol mit altem Hexen-Titl und Gabl-Praedi-
cat
entunehrest/ etc.

O! wie vielen Alten begegnet das jenige/ was dem Poeten
AEschylo
wiederfahren. Der Adler naschet über alle massen
gern die Schildkrotten; weil ihm aber zum solche Aufbeissen gar
zu hart/ also ergreiffet er diesen Fund: er führ dieselbige mit sei-
nen Klauen in alle Höhe/ und stürtzet sie nachgehends auf einen
harten Felsen herunter/ worvon sie zerschmettern/ und folgsam
dem Krottenfresser zu Theil werden. Obgedachter AEschylus
suchte einsmahls ein wenige Ruhe in dem Graß/ worinnen er
seinen abgematten Leib niedergelegt; weil aber gleich dazumahl
ein Adler mit solchem Raub in der Höhe schwebte/ und auf dem
alten Glatz Kopff/ der Meynung es seye ein Stein/ die Schild-
Krott herab geworffen/ also hat er hiervon müssen sterben/ und
elendiglich das Leben lassen. O wie offt wird ein Alter von ei-
ner Krott umbgebracht!

Ein alter Vatter übergibt zuweilen dem Sohn die gantze
Haabschafft und Wirthschafft/ dieser heyrath ein junges Mägdl/
die noch nit weiß den Unterschied zwischen einer Brühe und Sup-
pen/ die nichts kan als eine Spitz klecklen/ so mehrgleich einem
Fischer-Netz; die einen Faden spinnet/ den ein starcke Spickna-
del kaum durch ein Leinwath ziehet/ etc. Dieser ist der alte Rotzer
(so ist ihr Sprichwort) gäntzlich zu wider/ den grüsset sie wie ein
Spannier den Frantzosen/ den tractirt sie wie ein Ketten Hund
einen Bettler/ dem wünscht sie/ was ein Jud der Speckschwar-
ten/ etc. Solches nimbt ihm mehrmahl der gute alte Tätl zu
Hertzen/ entrüstet sich dessenthalben im Gemüth/ daß er hier-
über erkrancket und stirbt. Wer hat ihn umbgebracht? wer?
ein Schildkrott/ oder besser geredt ein Scheltkrott/ diese jun
ge Krott/ diese nichtsnutzige Krott/ diese neidische und unver-
schambte Krott/ die nit weiß/ noch will das Alter verehren/ die

hat

Der Gottloſe Geſell
dich du junger Grindſchuͤppel/ die du ſo ſaure Geſichter macheſt
gegen der alten Schwieger-Mutter/ und ihr alle Stund die letz-
te wuͤnſcheſt/ auch wol mit altem Hexen-Titl und Gabl-Prædi-
cat
entunehreſt/ ꝛc.

O! wie vielen Alten begegnet das jenige/ was dem Poëten
Æſchylo
wiederfahren. Der Adler naſchet uͤber alle maſſen
gern dıe Schildkrotten; weil ıhm aber zum ſolche Aufbeiſſen gar
zu hart/ alſo ergreıffet er dieſen Fund: er fuͤhr dieſelbige mit ſei-
nen Klauen in alle Hoͤhe/ und ſtuͤrtzet ſie nachgehends auf einen
harten Felſen herunter/ worvon ſie zerſchmettern/ und folgſam
dem Krottenfreſſer zu Theil werden. Obgedachter Æſchylus
ſuchte einsmahls ein wenige Ruhe in dem Graß/ worinnen er
ſeinen abgematten Leib niedergelegt; weil aber gleich dazumahl
ein Adler mit ſolchem Raub in der Hoͤhe ſchwebte/ und auf dem
alten Glatz Kopff/ der Meynung es ſeye ein Stein/ die Schild-
Krott herab geworffen/ alſo hat er hiervon muͤſſen ſterben/ und
elendiglich das Leben laſſen. O wie offt wird ein Alter von ei-
ner Krott umbgebracht!

Ein alter Vatter uͤbergibt zuweilen dem Sohn die gantze
Haabſchafft und Wirthſchafft/ dieſer heyrath ein junges Maͤgdl/
die noch nit weiß den Unterſchied zwiſchẽ einer Bruͤhe und Sup-
pen/ die nichts kan als eine Spitz klecklen/ ſo mehrgleich einem
Fiſcher-Netz; die einen Faden ſpinnet/ den ein ſtarcke Spickna-
del kaum durch ein Leinwath ziehet/ ꝛc. Dieſer iſt der alte Rotzer
(ſo iſt ihr Sprichwort) gaͤntzlich zu wider/ den gruͤſſet ſie wie ein
Spannier den Frantzoſen/ den tractirt ſie wie ein Ketten Hund
einen Bettler/ dem wuͤnſcht ſie/ was ein Jud der Speckſchwar-
ten/ ꝛc. Solches nimbt ihm mehrmahl der gute alte Taͤtl zu
Hertzen/ entruͤſtet ſich deſſenthalben im Gemuͤth/ daß er hier-
uͤber erkrancket und ſtirbt. Wer hat ihn umbgebracht? wer?
ein Schildkrott/ oder beſſer geredt ein Scheltkrott/ dieſe jun
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ſchambte Krott/ die nit weiß/ noch will das Alter verehren/ die

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Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas04_1695/280>, abgerufen am 24.04.2024.