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Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695.

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Judas der gewissenlosse Bößwicht
nen die Oberhand nit/ auch die allwenigste Zeit. O Pater! es
seynd fliegende Gedancken/ lächerliche Phantaseyen/ und nur
närrische Coppeyen/ man weiß es schon/ daß man die Original-
Stuck muß mit frieden lassen. Ein kleine Zeit/ ein kurtze Weil/
wird ihnen so bald die Feder nit lassen wachsen. Wer diser Mey-
nung ist/ dem wird nit um ein Haar besser gehen/ als dem Nino.
Wer denen bösen Gedancken nur eine kleine Herrschung erlaubt/
wann solcher schon nit umb das Haupt kommt/ so verlihrt er
doch ein Haupt-Sach/ nemblich/ die Gnad GOttes: massen
deß Menschen Willen auch von einem geringen Stoß gleich
Berg abfallt: und ist ihme gar leicht zu pfeiffen/ der ohne das
zum Tantzen geneigt.

Ein armes Häsel hat sich bey rauher Winter-Zeit einmal
in ein Loch eines holen Felsens reterirt/ damit es gleichwol un-
ter disem steinernen Dach eine linde Ruhe möchte geniessen. Es
stunde aber nit lang an/ da kame der Jgel/ deme ebenfalls das
grobe Wetter grosse Ungelegenheit gemacht/ und batte das Häsel
gar schön/ und höfflich umb ein Herberg. Mein Häsel sprach er/
es ist männiglich bekannt/ daß du nit allein grosse Ohren/ sondern
auch grosse Lieb gegen dem Nechsten tragest; weil mich dann das
harte/ und fast unerträgliche Wetter über fällen/ also vergonne
mir doch ein kleines Winckerl in deiner Wohnung/ solche Gnad
werd ich die Zeit meines Lebens nicht in Vergessenheit stellen:
ja künfftigen Herbst/ wills GOtt/ will ich mich mit einer But-
ten Aepffel danckbar einstellen/ und die empfangene Gutthat
in etwas erwideren. Das Häsel schaut sich hin und her/ und
vermerkt wol/ daß der Platz zimlich eng; gleichwol auf so freund-
liches Ersuchen und Anhalten/ hat es verwilliget. der Jgel
macht sich alsobald und ohne lange Verweilung in das Hasen-
Zimmert/ steht aber nicht lang an/ da fangt er nach und nach sei-
ne Spitz unb Stachel von sich zu breiten. Das einfältige
Häsel glaubtte erstlich/ es stechen ihne die Flöch/ wie der Jgel a-
ber mit völligem Gewalt alle seine Waffen ausstreckt/ da hat

weder

Judas der gewiſſenloſſe Boͤßwicht
nen die Oberhand nit/ auch die allwenigſte Zeit. O Pater! es
ſeynd fliegende Gedancken/ laͤcherliche Phantaſeyen/ und nur
naͤrriſche Coppeyen/ man weiß es ſchon/ daß man die Original-
Stuck muß mit frieden laſſen. Ein kleine Zeit/ ein kurtze Weil/
wird ihnen ſo bald die Feder nit laſſen wachſen. Wer diſer Mey-
nung iſt/ dem wird nit um ein Haar beſſer gehen/ als dem Nino.
Wer denen boͤſen Gedanckẽ nur eine kleine Herꝛſchung eꝛlaubt/
wann ſolcher ſchon nit umb das Haupt kommt/ ſo verlihrt er
doch ein Haupt-Sach/ nemblich/ die Gnad GOttes: maſſen
deß Menſchen Willen auch von einem geringen Stoß gleich
Berg abfallt: und iſt ihme gar leicht zu pfeiffen/ der ohne das
zum Tantzen geneigt.

Ein armes Haͤſel hat ſich bey rauher Winter-Zeit einmal
in ein Loch eines holen Felſens reterirt/ damit es gleichwol un-
ter diſem ſteinernen Dach eine linde Ruhe moͤchte genieſſen. Es
ſtunde aber nit lang an/ da kame der Jgel/ deme ebenfalls das
grobe Wetter gꝛoſſe Ungelegenheit gemacht/ uñ batte das Haͤſel
gar ſchoͤn/ und hoͤfflich umb ein Herberg. Mein Haͤſel ſprach er/
es iſt maͤnniglich bekañt/ daß du nit allein groſſe Ohren/ ſondern
auch groſſe Lieb gegen dem Nechſten tꝛageſt; weil mich dañ das
harte/ und faſt unertraͤgliche Wetter uͤber faͤllen/ alſo vergonne
mir doch ein kleines Winckeꝛl in deiner Wohnung/ ſolche Gnad
werd ich die Zeit meines Lebens nicht in Vergeſſenheit ſtellen:
ja kuͤnfftigen Herbſt/ wills GOtt/ will ich mich mit einer But-
ten Aepffel danckbar einſtellen/ und die empfangene Gutthat
in etwas erwideren. Das Haͤſel ſchaut ſich hin und her/ und
vermeꝛkt wol/ daß der Platz zimlich eng; gleichwol auf ſo freund-
liches Erſuchen und Anhalten/ hat es verwilliget. der Jgel
macht ſich alſobald und ohne lange Verweilung in das Haſen-
Zim̃ert/ ſteht aber nicht lang an/ da fangt er nach und nach ſei-
ne Spitz unb Stachel von ſich zu breiten. Das einfaͤltige
Haͤſel glaubtte erſtlich/ es ſtechen ihne die Floͤch/ wie der Jgel a-
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[226/0238] Judas der gewiſſenloſſe Boͤßwicht nen die Oberhand nit/ auch die allwenigſte Zeit. O Pater! es ſeynd fliegende Gedancken/ laͤcherliche Phantaſeyen/ und nur naͤrriſche Coppeyen/ man weiß es ſchon/ daß man die Original- Stuck muß mit frieden laſſen. Ein kleine Zeit/ ein kurtze Weil/ wird ihnen ſo bald die Feder nit laſſen wachſen. Wer diſer Mey- nung iſt/ dem wird nit um ein Haar beſſer gehen/ als dem Nino. Wer denen boͤſen Gedanckẽ nur eine kleine Herꝛſchung eꝛlaubt/ wann ſolcher ſchon nit umb das Haupt kommt/ ſo verlihrt er doch ein Haupt-Sach/ nemblich/ die Gnad GOttes: maſſen deß Menſchen Willen auch von einem geringen Stoß gleich Berg abfallt: und iſt ihme gar leicht zu pfeiffen/ der ohne das zum Tantzen geneigt. Ein armes Haͤſel hat ſich bey rauher Winter-Zeit einmal in ein Loch eines holen Felſens reterirt/ damit es gleichwol un- ter diſem ſteinernen Dach eine linde Ruhe moͤchte genieſſen. Es ſtunde aber nit lang an/ da kame der Jgel/ deme ebenfalls das grobe Wetter gꝛoſſe Ungelegenheit gemacht/ uñ batte das Haͤſel gar ſchoͤn/ und hoͤfflich umb ein Herberg. Mein Haͤſel ſprach er/ es iſt maͤnniglich bekañt/ daß du nit allein groſſe Ohren/ ſondern auch groſſe Lieb gegen dem Nechſten tꝛageſt; weil mich dañ das harte/ und faſt unertraͤgliche Wetter uͤber faͤllen/ alſo vergonne mir doch ein kleines Winckeꝛl in deiner Wohnung/ ſolche Gnad werd ich die Zeit meines Lebens nicht in Vergeſſenheit ſtellen: ja kuͤnfftigen Herbſt/ wills GOtt/ will ich mich mit einer But- ten Aepffel danckbar einſtellen/ und die empfangene Gutthat in etwas erwideren. Das Haͤſel ſchaut ſich hin und her/ und vermeꝛkt wol/ daß der Platz zimlich eng; gleichwol auf ſo freund- liches Erſuchen und Anhalten/ hat es verwilliget. der Jgel macht ſich alſobald und ohne lange Verweilung in das Haſen- Zim̃ert/ ſteht aber nicht lang an/ da fangt er nach und nach ſei- ne Spitz unb Stachel von ſich zu breiten. Das einfaͤltige Haͤſel glaubtte erſtlich/ es ſtechen ihne die Floͤch/ wie der Jgel a- ber mit voͤlligem Gewalt alle ſeine Waffen ausſtreckt/ da hat weder

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Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas04_1695/238>, abgerufen am 19.04.2024.