Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 3. Salzburg, 1692.Judas Iscarioth/ wolte sein liederliches Ende nehmen Kopff sicht aus/ wie ein gebutzter Kalb-Schedel; die Füßso hübsch völlig/ wie ein Besenstiel/ der gantze Leib ein le- bendiges Bein-Hauß. Ich konte nach vielen und langen Nachsinnen nit finden/ wer dieses alte Beltzquartier seye/ frag ich endlich/ wer er seye? wie er heist? Ich/ mummelt Er/ mit halb gebrochenen Worten/ ich bin der Hilarion von Freuden Egg/ botztausend? das ist ein grosser Unter- schied von deinen jungen Jahren/ vor diesen ist keine Bi- bliothec gewest/ wo du nit gestudirt hast. Kein Spiel- Mann gewest/ der dir nit pfiffen hat: kein Tantzboden ge- west/ der dich nit tragen hat: Keine Mahlzeit gewest/ die dich nit gesehen hat: kein Gespaß gewest/ den du nit ver- mehret hast; Vor diesen auf allen Wiesen ist mein Hi- larion gewest; vor Zeiten bey allen Freuden ist mein Hi- larion gewest; Vor Jahren bey allen Schaaren ist mein Hilarion gewest. Aber sag her/ wo alles dieses hinkom- men? alles/ alles/ alles ist gewest/ und ist nit mehr. O Vanitas! Dem Faß ist der Boden ausgangen. O Vani- tas! Die Saiten seynd auf der Geigen abgesprungen. O Vanitas! der Blaßbalg hat ein Loch bekommen. O Va- nitas! Der Wein ist zu Essig worden. O Vanitas! Das Geschirr ist zu Trümmer gangen. O Vanitas! Der Bach ist ausgetrucknet. O Vanitas! Die Sonne ist untergan- gen. O Vanitas! Das Kraut hat sich angebrennt. O Vanitas! Die Lauber seynd abgefallen. O Vanitas! Der Degen ist verrost. O Vanitas! Alles ist hin/ ist hin/ ist hin/ das ist der Welt Gewinn. O Vanitas! Es seynd alle Wollüsten nit anderst/ als wie ein ein
Judas Iſcarioth/ wolte ſein liederliches Ende nehmen Kopff ſicht aus/ wie ein gebutzter Kalb-Schedel; die Fuͤßſo huͤbſch voͤllig/ wie ein Beſenſtiel/ der gantze Leib ein le- bendiges Bein-Hauß. Ich konte nach vielen und langen Nachſinnen nit finden/ wer dieſes alte Beltzquartier ſeye/ frag ich endlich/ wer er ſeye? wie er heiſt? Ich/ mummelt Er/ mit halb gebrochenen Worten/ ich bin der Hilarion von Freuden Egg/ botztauſend? das iſt ein groſſer Unter- ſchied von deinen jungen Jahren/ vor dieſen iſt keine Bi- bliothec geweſt/ wo du nit geſtudirt haſt. Kein Spiel- Mann geweſt/ der dir nit pfiffen hat: kein Tantzboden ge- weſt/ der dich nit tragen hat: Keine Mahlzeit geweſt/ die dich nit geſehen hat: kein Geſpaß geweſt/ den du nit ver- mehret haſt; Vor dieſen auf allen Wieſen iſt mein Hi- larion geweſt; vor Zeiten bey allen Freuden iſt mein Hi- larion geweſt; Vor Jahren bey allen Schaaren iſt mein Hilarion geweſt. Aber ſag her/ wo alles dieſes hinkom- men? alles/ alles/ alles iſt geweſt/ und iſt nit mehr. O Vanitas! Dem Faß iſt der Boden ausgangen. O Vani- tas! Die Saiten ſeynd auf der Geigen abgeſprungen. O Vanitas! der Blaßbalg hat ein Loch bekommen. O Va- nitas! Der Wein iſt zu Eſſig worden. O Vanitas! Das Geſchirr iſt zu Truͤmmer gangen. O Vanitas! Der Bach iſt ausgetrucknet. O Vanitas! Die Sonne iſt untergan- gen. O Vanitas! Das Kraut hat ſich angebrennt. O Vanitas! Die Lauber ſeynd abgefallen. O Vanitas! Der Degen iſt verroſt. O Vanitas! Alles iſt hin/ iſt hin/ iſt hin/ das iſt der Welt Gewinn. O Vanitas! Es ſeynd alle Wolluͤſten nit anderſt/ als wie ein ein
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0564" n="532"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">Judas Iſcarioth/ wolte ſein liederliches Ende nehmen</hi></fw><lb/> Kopff ſicht aus/ wie ein gebutzter Kalb-Schedel; die Fuͤß<lb/> ſo huͤbſch voͤllig/ wie ein Beſenſtiel/ der gantze Leib ein le-<lb/> bendiges Bein-Hauß. Ich konte nach vielen und langen<lb/> Nachſinnen nit finden/ wer dieſes alte Beltzquartier ſeye/<lb/> frag ich endlich/ wer er ſeye? wie er heiſt? Ich/ mummelt<lb/> Er/ mit halb gebrochenen Worten/ ich bin der <hi rendition="#aq">Hilarion</hi><lb/> von Freuden Egg/ botztauſend? das iſt ein groſſer Unter-<lb/> ſchied von deinen jungen Jahren/ vor dieſen iſt keine <hi rendition="#aq">Bi-<lb/> bliothec</hi> geweſt/ wo du nit geſtudirt haſt. Kein Spiel-<lb/> Mann geweſt/ der dir nit pfiffen hat: kein Tantzboden ge-<lb/> weſt/ der dich nit tragen hat: Keine Mahlzeit geweſt/ die<lb/> dich nit geſehen hat: kein Geſpaß geweſt/ den du nit ver-<lb/> mehret haſt; Vor dieſen auf allen Wieſen iſt mein <hi rendition="#aq">Hi-<lb/> larion</hi> geweſt; vor Zeiten bey allen Freuden iſt mein <hi rendition="#aq">Hi-<lb/> larion</hi> geweſt; Vor Jahren bey allen Schaaren iſt mein<lb/><hi rendition="#aq">Hilarion</hi> geweſt. Aber ſag her/ wo alles dieſes hinkom-<lb/> men? alles/ alles/ alles iſt geweſt/ und iſt nit mehr. <hi rendition="#aq">O<lb/> Vanitas!</hi> Dem Faß iſt der Boden ausgangen. <hi rendition="#aq">O Vani-<lb/> tas!</hi> Die Saiten ſeynd auf der Geigen abgeſprungen. <hi rendition="#aq">O<lb/> Vanitas!</hi> der Blaßbalg hat ein Loch bekommen. <hi rendition="#aq">O Va-<lb/> nitas!</hi> Der Wein iſt zu Eſſig worden. <hi rendition="#aq">O Vanitas!</hi> Das<lb/> Geſchirr iſt zu Truͤmmer gangen. <hi rendition="#aq">O Vanitas!</hi> Der Bach<lb/> iſt ausgetrucknet. <hi rendition="#aq">O Vanitas!</hi> Die Sonne iſt untergan-<lb/> gen. <hi rendition="#aq">O Vanitas!</hi> Das Kraut hat ſich angebrennt. <hi rendition="#aq">O<lb/> Vanitas!</hi> Die Lauber ſeynd abgefallen. <hi rendition="#aq">O Vanitas!</hi> Der<lb/> Degen iſt verroſt. <hi rendition="#aq">O Vanitas!</hi> Alles iſt hin/ iſt hin/ iſt hin/<lb/> das iſt der Welt Gewinn. <hi rendition="#aq">O Vanitas!</hi></p><lb/> <p>Es ſeynd alle Wolluͤſten nit anderſt/ als wie ein<lb/> Traum/ <hi rendition="#aq">Somnia omnia.</hi> Ein Stall-<hi rendition="#aq">Miſticus</hi> legt ſich<lb/> bey naͤchtlicher Weil nit weit von ſeinen Roſſen/ ob ſchon<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ein</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [532/0564]
Judas Iſcarioth/ wolte ſein liederliches Ende nehmen
Kopff ſicht aus/ wie ein gebutzter Kalb-Schedel; die Fuͤß
ſo huͤbſch voͤllig/ wie ein Beſenſtiel/ der gantze Leib ein le-
bendiges Bein-Hauß. Ich konte nach vielen und langen
Nachſinnen nit finden/ wer dieſes alte Beltzquartier ſeye/
frag ich endlich/ wer er ſeye? wie er heiſt? Ich/ mummelt
Er/ mit halb gebrochenen Worten/ ich bin der Hilarion
von Freuden Egg/ botztauſend? das iſt ein groſſer Unter-
ſchied von deinen jungen Jahren/ vor dieſen iſt keine Bi-
bliothec geweſt/ wo du nit geſtudirt haſt. Kein Spiel-
Mann geweſt/ der dir nit pfiffen hat: kein Tantzboden ge-
weſt/ der dich nit tragen hat: Keine Mahlzeit geweſt/ die
dich nit geſehen hat: kein Geſpaß geweſt/ den du nit ver-
mehret haſt; Vor dieſen auf allen Wieſen iſt mein Hi-
larion geweſt; vor Zeiten bey allen Freuden iſt mein Hi-
larion geweſt; Vor Jahren bey allen Schaaren iſt mein
Hilarion geweſt. Aber ſag her/ wo alles dieſes hinkom-
men? alles/ alles/ alles iſt geweſt/ und iſt nit mehr. O
Vanitas! Dem Faß iſt der Boden ausgangen. O Vani-
tas! Die Saiten ſeynd auf der Geigen abgeſprungen. O
Vanitas! der Blaßbalg hat ein Loch bekommen. O Va-
nitas! Der Wein iſt zu Eſſig worden. O Vanitas! Das
Geſchirr iſt zu Truͤmmer gangen. O Vanitas! Der Bach
iſt ausgetrucknet. O Vanitas! Die Sonne iſt untergan-
gen. O Vanitas! Das Kraut hat ſich angebrennt. O
Vanitas! Die Lauber ſeynd abgefallen. O Vanitas! Der
Degen iſt verroſt. O Vanitas! Alles iſt hin/ iſt hin/ iſt hin/
das iſt der Welt Gewinn. O Vanitas!
Es ſeynd alle Wolluͤſten nit anderſt/ als wie ein
Traum/ Somnia omnia. Ein Stall-Miſticus legt ſich
bey naͤchtlicher Weil nit weit von ſeinen Roſſen/ ob ſchon
ein
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |