Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 3. Salzburg, 1692.

Bild:
<< vorherige Seite

Judas Iscarioth/ wolte sein liederliches Ende nehmen/
Thor hinaus getragen/ denselben unter die Erden zu be-
graben; solche wohl-besonnene und reiffe Erinnerung
des Todes hat mir gleich ein Grausen verursacht der zeit-
lichen Wollüsten/ hat mich neben der Gnade Gottes/ so
das meiste darbey gethan/ zu einem bessern und andern
Lebens-Wandel angesporet: daß ich nachmals meinem
JESU zu seinen heiligen Füssen gefallen/ und ihme sol-
che mit Buß-Thränen gewaschen. Dahero pflegt man
fast allezeit diese heilige Büsserin mit einem Todten-
Kopff abzumahlen. O was thut nit die Gedächtnuß des
Todes.

Daß täglich/ daß stündlich die Sünden bey den un-
bedachtsamen Adams-Kindern wachsen/ ist die mehri-
ste Ursach die so seltene Erinnerung des Todes. Ein jeder
meint/ er werde länger leben. Abstemius bringt eine Fa-
bel vor: daß auf eine Zeit ein Knecht seye in aller Frühe
im Stall gangen/ allwo er die Ochsen in vollen Freuden
und Jubel angetroffen/ der konte sich nit genug verwun-
dern über das Allegro, dieser Ochsen-Köpff/ fragt end-
lich die muthwillige Kerl/ wessen[t]halben sie so lustig und
guter Dinge seyn? er habe sie eine lange Zeit nit so auf-
geraumt gefunden/ worauf sie geantwortet/ es habe ih-
nen getraumt/ heunt Nacht/ daß sie heunt werden auf
die gute grüne faiste Wayd getrieben werden/ Ho! Ho!
sagt der Knecht/ und mir hats getraumt/ ihr wird heunt
auf den Acker draussen den Pflug ziehen: Nun ist der
Menschen ihr Traum weit sicherer als der Thier.

O wie viel gibt es Menschen dieses Gliffters/ die sich
auch mit leerer Hoffnung speisen/ wie mancher meint/
er seye noch bey den besten Leibs-Kräfften/ und werde
noch eine ziemliche Zeit leben/ und auf der faisten Wayd
der zeitlichen Lustbarkeit sein Contento geniessen/ aber
glaubt mir/ dieses ist nur ein Viehischer Traum bey euch:
GOtt der Allerhöchste hat es weit anderst beschlossen/ und

zwar

Judas Iſcarioth/ wolte ſein liederliches Ende nehmen/
Thor hinaus getragen/ denſelben unter die Erden zu be-
graben; ſolche wohl-beſonnene und reiffe Erinnerung
des Todes hat mir gleich ein Grauſen verurſacht der zeit-
lichen Wolluͤſten/ hat mich neben der Gnade Gottes/ ſo
das meiſte darbey gethan/ zu einem beſſern und andern
Lebens-Wandel angeſporet: daß ich nachmals meinem
JESU zu ſeinen heiligen Fuͤſſen gefallen/ und ihme ſol-
che mit Buß-Thraͤnen gewaſchen. Dahero pflegt man
faſt allezeit dieſe heilige Buͤſſerin mit einem Todten-
Kopff abzumahlen. O was thut nit die Gedaͤchtnuß des
Todes.

Daß taͤglich/ daß ſtuͤndlich die Suͤnden bey den un-
bedachtſamen Adams-Kindern wachſen/ iſt die mehri-
ſte Urſach die ſo ſeltene Erinnerung des Todes. Ein jeder
meint/ er werde laͤnger leben. Abſtemius bringt eine Fa-
bel vor: daß auf eine Zeit ein Knecht ſeye in aller Fruͤhe
im Stall gangen/ allwo er die Ochſen in vollen Freuden
und Jubel angetroffen/ der konte ſich nit genug verwun-
dern uͤber das Allegro, dieſer Ochſen-Koͤpff/ fragt end-
lich die muthwillige Kerl/ weſſen[t]halben ſie ſo luſtig und
guter Dinge ſeyn? er habe ſie eine lange Zeit nit ſo auf-
geraumt gefunden/ worauf ſie geantwortet/ es habe ih-
nen getraumt/ heunt Nacht/ daß ſie heunt werden auf
die gute gruͤne faiſte Wayd getrieben werden/ Ho! Ho!
ſagt der Knecht/ und mir hats getraumt/ ihr wird heunt
auf den Acker drauſſen den Pflug ziehen: Nun iſt der
Menſchen ihr Traum weit ſicherer als der Thier.

O wie viel gibt es Menſchen dieſes Gliffters/ die ſich
auch mit leerer Hoffnung ſpeiſen/ wie mancher meint/
er ſeye noch bey den beſten Leibs-Kraͤfften/ und werde
noch eine ziemliche Zeit leben/ und auf der faiſten Wayd
der zeitlichen Luſtbarkeit ſein Contento genieſſen/ aber
glaubt mir/ dieſes iſt nur ein Viehiſcher Traum bey euch:
GOtt der Allerhoͤchſte hat es weit anderſt beſchloſſen/ und

zwar
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0530" n="498"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">Judas I&#x017F;carioth/ wolte &#x017F;ein liederliches Ende nehmen/</hi></fw><lb/>
Thor hinaus getragen/ den&#x017F;elben unter die Erden zu be-<lb/>
graben; &#x017F;olche wohl-be&#x017F;onnene und reiffe Erinnerung<lb/>
des Todes hat mir gleich ein Grau&#x017F;en verur&#x017F;acht der zeit-<lb/>
lichen Wollu&#x0364;&#x017F;ten/ hat mich neben der Gnade Gottes/ &#x017F;o<lb/>
das mei&#x017F;te darbey gethan/ zu einem be&#x017F;&#x017F;ern und andern<lb/>
Lebens-Wandel ange&#x017F;poret: daß ich nachmals meinem<lb/>
JESU zu &#x017F;einen heiligen Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en gefallen/ und ihme &#x017F;ol-<lb/>
che mit Buß-Thra&#x0364;nen gewa&#x017F;chen. Dahero pflegt man<lb/>
fa&#x017F;t allezeit die&#x017F;e heilige Bu&#x0364;&#x017F;&#x017F;erin mit einem Todten-<lb/>
Kopff abzumahlen. O was thut nit die Geda&#x0364;chtnuß des<lb/>
Todes.</p><lb/>
        <p>Daß ta&#x0364;glich/ daß &#x017F;tu&#x0364;ndlich die Su&#x0364;nden bey den un-<lb/>
bedacht&#x017F;amen Adams-Kindern wach&#x017F;en/ i&#x017F;t die mehri-<lb/>
&#x017F;te Ur&#x017F;ach die &#x017F;o &#x017F;eltene Erinnerung des Todes. Ein jeder<lb/>
meint/ er werde la&#x0364;nger leben. <hi rendition="#aq">Ab&#x017F;temius</hi> bringt eine Fa-<lb/>
bel vor: daß auf eine Zeit ein Knecht &#x017F;eye in aller Fru&#x0364;he<lb/>
im Stall gangen/ allwo er die Och&#x017F;en in vollen Freuden<lb/>
und Jubel angetroffen/ der konte &#x017F;ich nit genug verwun-<lb/>
dern u&#x0364;ber das <hi rendition="#aq">Allegro,</hi> die&#x017F;er Och&#x017F;en-Ko&#x0364;pff/ fragt end-<lb/>
lich die muthwillige Kerl/ we&#x017F;&#x017F;en<supplied>t</supplied>halben &#x017F;ie &#x017F;o lu&#x017F;tig und<lb/>
guter Dinge &#x017F;eyn? er habe &#x017F;ie eine lange Zeit nit &#x017F;o auf-<lb/>
geraumt gefunden/ worauf &#x017F;ie geantwortet/ es habe ih-<lb/>
nen getraumt/ heunt Nacht/ daß &#x017F;ie heunt werden auf<lb/>
die gute gru&#x0364;ne fai&#x017F;te Wayd getrieben werden/ Ho! Ho!<lb/>
&#x017F;agt der Knecht/ und mir hats getraumt/ ihr wird heunt<lb/>
auf den Acker drau&#x017F;&#x017F;en den Pflug ziehen: Nun i&#x017F;t der<lb/>
Men&#x017F;chen ihr Traum weit &#x017F;icherer als der Thier.</p><lb/>
        <p>O wie viel gibt es Men&#x017F;chen die&#x017F;es Gliffters/ die &#x017F;ich<lb/>
auch mit leerer Hoffnung &#x017F;pei&#x017F;en/ wie mancher meint/<lb/>
er &#x017F;eye noch bey den be&#x017F;ten Leibs-Kra&#x0364;fften/ und werde<lb/>
noch eine ziemliche Zeit leben/ und auf der fai&#x017F;ten Wayd<lb/>
der zeitlichen Lu&#x017F;tbarkeit &#x017F;ein <hi rendition="#aq">Contento</hi> genie&#x017F;&#x017F;en/ aber<lb/>
glaubt mir/ die&#x017F;es i&#x017F;t nur ein Viehi&#x017F;cher Traum bey euch:<lb/>
GOtt der Allerho&#x0364;ch&#x017F;te hat es weit ander&#x017F;t be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en/ und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zwar</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[498/0530] Judas Iſcarioth/ wolte ſein liederliches Ende nehmen/ Thor hinaus getragen/ denſelben unter die Erden zu be- graben; ſolche wohl-beſonnene und reiffe Erinnerung des Todes hat mir gleich ein Grauſen verurſacht der zeit- lichen Wolluͤſten/ hat mich neben der Gnade Gottes/ ſo das meiſte darbey gethan/ zu einem beſſern und andern Lebens-Wandel angeſporet: daß ich nachmals meinem JESU zu ſeinen heiligen Fuͤſſen gefallen/ und ihme ſol- che mit Buß-Thraͤnen gewaſchen. Dahero pflegt man faſt allezeit dieſe heilige Buͤſſerin mit einem Todten- Kopff abzumahlen. O was thut nit die Gedaͤchtnuß des Todes. Daß taͤglich/ daß ſtuͤndlich die Suͤnden bey den un- bedachtſamen Adams-Kindern wachſen/ iſt die mehri- ſte Urſach die ſo ſeltene Erinnerung des Todes. Ein jeder meint/ er werde laͤnger leben. Abſtemius bringt eine Fa- bel vor: daß auf eine Zeit ein Knecht ſeye in aller Fruͤhe im Stall gangen/ allwo er die Ochſen in vollen Freuden und Jubel angetroffen/ der konte ſich nit genug verwun- dern uͤber das Allegro, dieſer Ochſen-Koͤpff/ fragt end- lich die muthwillige Kerl/ weſſenthalben ſie ſo luſtig und guter Dinge ſeyn? er habe ſie eine lange Zeit nit ſo auf- geraumt gefunden/ worauf ſie geantwortet/ es habe ih- nen getraumt/ heunt Nacht/ daß ſie heunt werden auf die gute gruͤne faiſte Wayd getrieben werden/ Ho! Ho! ſagt der Knecht/ und mir hats getraumt/ ihr wird heunt auf den Acker drauſſen den Pflug ziehen: Nun iſt der Menſchen ihr Traum weit ſicherer als der Thier. O wie viel gibt es Menſchen dieſes Gliffters/ die ſich auch mit leerer Hoffnung ſpeiſen/ wie mancher meint/ er ſeye noch bey den beſten Leibs-Kraͤfften/ und werde noch eine ziemliche Zeit leben/ und auf der faiſten Wayd der zeitlichen Luſtbarkeit ſein Contento genieſſen/ aber glaubt mir/ dieſes iſt nur ein Viehiſcher Traum bey euch: GOtt der Allerhoͤchſte hat es weit anderſt beſchloſſen/ und zwar

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas03_1692
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas03_1692/530
Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 3. Salzburg, 1692, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas03_1692/530>, abgerufen am 19.05.2024.