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Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 3. Salzburg, 1692.

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Judas Iscarioth/ wolte sein liederliches Ende nehmen
gegen aber sich um die Kleider der zwey Schächer gar nit
angenommen/ indeme doch vermuthlich dero Kleider bes-
ser gewest/ als des HErrn? dann sie manchen wackern
Reisenden biß auf das Hemmet ausgezogen/ und folg-
sam in dem Aufzug dem demühtigsten JESU weit
überlegen. Der Heil. Chrysostomus löset diesen Zweiffel
auf/ und spricht: daß besagte Soldaten gewust haben/
wie grosse Krafft in diesen Kleidern zuweilen sich gezeigt
habe. Sonderlich dazumalen/ wie die elende Tröpffin
mit dem Blut-Gang behafft/ durch das blosse Anrühren
der Saum dieser Kleider wunderbarlich die Gesundheit
erhalten. Derentwegen gedachten sie/ daß sie auch den
geringsten Faden können zu Geld machen: Ja etliche
fromme Weiber zu Hierusalem werden es ihnen zehen-
fach bezahlen/ wann sie nur solche Reliquien bekom-
men.

Ich muß euch Schelmen doch auch loben/ wie die vo-
rige Tanzerin/ loben muß ich euch deßwegen/ weil ihr
ebenfalls auf die Heiligthümer so viel haltet/ ob es doch
bey euch keiner Tugend zuzuschreiben. Freylich seynd die
heiligen Reliquien hoch zu schätzen. Deßwegen hat der
Welt-berühmte Kayser Carl der V. von Pavia aus/ kei-
nen bessern Schatz wollen mit sich nehmen nacher Prag/
als den Leib des H. Martyris Viti. Deßwegen hat Fride-
ricus
der I die vornehme Reichs-Stadt Cölln nit anderst
wollen beschencken/ als mit den Leibern der heiligen drey
Königen/ die er von Meyland dahin gebracht. Deßwe-
gen schätzet unser allergnädigster Kayser LEOPOLD 1.
den eisernen Nagel in seiner geistlichen Schatz-Cam-
mer/ wormit JEsus CHristus an den bitteren Creutzes-
Stamm gehefftet worden/ mehrer/ als alle seine Gold-
und Silber-Gruben.

Mich wundert doch/ daß etliche so angebrendt mö-
gen seyn/ und dergleichen heilige Reliquien so wenig

achten;

Judas Iſcarioth/ wolte ſein liederliches Ende nehmen
gegen aber ſich um die Kleider der zwey Schaͤcher gar nit
angenommen/ indeme doch vermuthlich dero Kleider beſ-
ſer geweſt/ als des HErrn? dann ſie manchen wackern
Reiſenden biß auf das Hemmet ausgezogen/ und folg-
ſam in dem Aufzug dem demuͤhtigſten JESU weit
uͤberlegen. Der Heil. Chryſoſtomus loͤſet dieſen Zweiffel
auf/ und ſpricht: daß beſagte Soldaten gewuſt haben/
wie groſſe Krafft in dieſen Kleidern zuweilen ſich gezeigt
habe. Sonderlich dazumalen/ wie die elende Troͤpffin
mit dem Blut-Gang behafft/ durch das bloſſe Anruͤhren
der Saum dieſer Kleider wunderbarlich die Geſundheit
erhalten. Derentwegen gedachten ſie/ daß ſie auch den
geringſten Faden koͤnnen zu Geld machen: Ja etliche
fromme Weiber zu Hieruſalem werden es ihnen zehen-
fach bezahlen/ wann ſie nur ſolche Reliquien bekom-
men.

Ich muß euch Schelmen doch auch loben/ wie die vo-
rige Tanzerin/ loben muß ich euch deßwegen/ weil ihr
ebenfalls auf die Heiligthuͤmer ſo viel haltet/ ob es doch
bey euch keiner Tugend zuzuſchreiben. Freylich ſeynd die
heiligen Reliquien hoch zu ſchaͤtzen. Deßwegen hat der
Welt-beruͤhmte Kayſer Carl der V. von Pavia aus/ kei-
nen beſſern Schatz wollen mit ſich nehmen nacher Prag/
als den Leib des H. Martyris Viti. Deßwegen hat Fride-
ricus
der I die vornehme Reichs-Stadt Coͤlln nit anderſt
wollen beſchencken/ als mit den Leibern der heiligen drey
Koͤnigen/ die er von Meyland dahin gebracht. Deßwe-
gen ſchaͤtzet unſer allergnaͤdigſter Kayſer LEOPOLD 1.
den eiſernen Nagel in ſeiner geiſtlichen Schatz-Cam-
mer/ wormit JEſus CHriſtus an den bitteren Creutzes-
Stamm gehefftet worden/ mehrer/ als alle ſeine Gold-
und Silber-Gruben.

Mich wundert doch/ daß etliche ſo angebrendt moͤ-
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achten;
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[480/0512] Judas Iſcarioth/ wolte ſein liederliches Ende nehmen gegen aber ſich um die Kleider der zwey Schaͤcher gar nit angenommen/ indeme doch vermuthlich dero Kleider beſ- ſer geweſt/ als des HErrn? dann ſie manchen wackern Reiſenden biß auf das Hemmet ausgezogen/ und folg- ſam in dem Aufzug dem demuͤhtigſten JESU weit uͤberlegen. Der Heil. Chryſoſtomus loͤſet dieſen Zweiffel auf/ und ſpricht: daß beſagte Soldaten gewuſt haben/ wie groſſe Krafft in dieſen Kleidern zuweilen ſich gezeigt habe. Sonderlich dazumalen/ wie die elende Troͤpffin mit dem Blut-Gang behafft/ durch das bloſſe Anruͤhren der Saum dieſer Kleider wunderbarlich die Geſundheit erhalten. Derentwegen gedachten ſie/ daß ſie auch den geringſten Faden koͤnnen zu Geld machen: Ja etliche fromme Weiber zu Hieruſalem werden es ihnen zehen- fach bezahlen/ wann ſie nur ſolche Reliquien bekom- men. Ich muß euch Schelmen doch auch loben/ wie die vo- rige Tanzerin/ loben muß ich euch deßwegen/ weil ihr ebenfalls auf die Heiligthuͤmer ſo viel haltet/ ob es doch bey euch keiner Tugend zuzuſchreiben. Freylich ſeynd die heiligen Reliquien hoch zu ſchaͤtzen. Deßwegen hat der Welt-beruͤhmte Kayſer Carl der V. von Pavia aus/ kei- nen beſſern Schatz wollen mit ſich nehmen nacher Prag/ als den Leib des H. Martyris Viti. Deßwegen hat Fride- ricus der I die vornehme Reichs-Stadt Coͤlln nit anderſt wollen beſchencken/ als mit den Leibern der heiligen drey Koͤnigen/ die er von Meyland dahin gebracht. Deßwe- gen ſchaͤtzet unſer allergnaͤdigſter Kayſer LEOPOLD 1. den eiſernen Nagel in ſeiner geiſtlichen Schatz-Cam- mer/ wormit JEſus CHriſtus an den bitteren Creutzes- Stamm gehefftet worden/ mehrer/ als alle ſeine Gold- und Silber-Gruben. Mich wundert doch/ daß etliche ſo angebrendt moͤ- gen ſeyn/ und dergleichen heilige Reliquien ſo wenig achten;

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Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 3. Salzburg, 1692, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas03_1692/512>, abgerufen am 19.05.2024.