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Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 3. Salzburg, 1692.

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verrathet JEsum mit einem Kuß.
dig mit einer eisernen Seel verstärckt/ das verdroß mich
schon/ wie ich wahrgenommen/ daß fast alles nur auf
den eusserlichen Schein gemacht seye. Weil aber dazu-
mahlen der Priester etliche fromme und eiferige Chri-
sten communicirt/ wolt ich noch den Seegen des höchsten
Gutes erwarten/ dessen ich auch/ dem Himmel seye ge-
danckt/ theilhafftig worden/ und anbey mich zugleich ver-
wundert/ über das wunderschöne mit Gold-gestickte
Röckl des Ciborii, konte mich derenthalben nicht enthal-
ten/ daß ich den Mößner gar zu bescheiden angeredet/ und
gefragt/ was selbiges doch möchte kosten? der mir aber
zur geschwinden Antwort gesagt/ wie daß solches nur
falsches Gold/ nur Leonisch/ und folgsam nit im grossen
Werth; dieses hat mich dergestalten bestürzt gemacht/
daß ich fast über den Opferstock gefallen/ ich machte mir
kein andere Hofnung/ als daß ich allenthalben werde lau-
ter Falschheit/ und nirgends die Redlichkeit antreffen/
weilen man auch bey dieser verkehrten Welt das höchste
Gut selbsten mit falschem Gold kleidet/ hab mich dem-
nach ohne weiterer Saumung aus der Kirchen begeben;
im Ausgang daselbsten/ hab ich mich nit wenig verwun-
dert über das stattliche Portal/ und hätte ich mit einem
weiß nit was gewettet/ es wäre von Saltzburg mit
grossem Unkosten dahin gebracht worden/ mir aber hat
gleich ein altes Bettelweib alldar die Meynung versal-
zen/ indem sie mit ihrem Afftermaul mich einer Irr-
thumb beschuldiget/ sprechend/ es seye dieses grosse Thür-
gestell ganz und gar nit aus Marmor/ sondern nur von
Gips Arbeit/ und auf Marmor-Arth also pallirt/ Ey
pallier dich du alte der Pokkränzky! gedachte ich ganz
ungedultig bey mir/ so kommt mir dann nichts redliches/
sondern lauter Falschheit vor die Augen/ hab mich so
dann abgewendet von dieser baufälligen Redstuben/ und
unweit derselben einen armen mühseeligen Bettelmaun

ange-
L l 3

verrathet JEſum mit einem Kuß.
dig mit einer eiſernen Seel verſtaͤrckt/ das verdroß mich
ſchon/ wie ich wahrgenommen/ daß faſt alles nur auf
den euſſerlichen Schein gemacht ſeye. Weil aber dazu-
mahlen der Prieſter etliche fromme und eiferige Chri-
ſten communicirt/ wolt ich noch den Seegen des hoͤchſten
Gutes erwarten/ deſſen ich auch/ dem Himmel ſeye ge-
danckt/ theilhafftig worden/ und anbey mich zugleich ver-
wundert/ uͤber das wunderſchoͤne mit Gold-geſtickte
Roͤckl des Ciborii, konte mich derenthalben nicht enthal-
ten/ daß ich den Moͤßner gar zu beſcheiden angeredet/ und
gefragt/ was ſelbiges doch moͤchte koſten? der mir aber
zur geſchwinden Antwort geſagt/ wie daß ſolches nur
falſches Gold/ nur Leoniſch/ und folgſam nit im groſſen
Werth; dieſes hat mich dergeſtalten beſtuͤrzt gemacht/
daß ich faſt uͤber den Opferſtock gefallen/ ich machte mir
kein andere Hofnung/ als daß ich allenthalben werde lau-
ter Falſchheit/ und nirgends die Redlichkeit antreffen/
weilen man auch bey dieſer verkehrten Welt das hoͤchſte
Gut ſelbſten mit falſchem Gold kleidet/ hab mich dem-
nach ohne weiterer Saumung aus der Kirchen begeben;
im Ausgang daſelbſten/ hab ich mich nit wenig verwun-
dert uͤber das ſtattliche Portal/ und haͤtte ich mit einem
weiß nit was gewettet/ es waͤre von Saltzburg mit
groſſem Unkoſten dahin gebracht worden/ mir aber hat
gleich ein altes Bettelweib alldar die Meynung verſal-
zen/ indem ſie mit ihrem Afftermaul mich einer Irr-
thumb beſchuldiget/ ſprechend/ es ſeye dieſes groſſe Thuͤr-
geſtell ganz und gar nit aus Marmor/ ſondern nur von
Gips Arbeit/ und auf Marmor-Arth alſo pallirt/ Ey
pallier dich du alte der Pokkraͤnzky! gedachte ich ganz
ungedultig bey mir/ ſo kommt mir dann nichts redliches/
ſondern lauter Falſchheit vor die Augen/ hab mich ſo
dann abgewendet von dieſer baufaͤlligen Redſtuben/ und
unweit derſelben einen armen muͤhſeeligen Bettelmaũ

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[269/0301] verrathet JEſum mit einem Kuß. dig mit einer eiſernen Seel verſtaͤrckt/ das verdroß mich ſchon/ wie ich wahrgenommen/ daß faſt alles nur auf den euſſerlichen Schein gemacht ſeye. Weil aber dazu- mahlen der Prieſter etliche fromme und eiferige Chri- ſten communicirt/ wolt ich noch den Seegen des hoͤchſten Gutes erwarten/ deſſen ich auch/ dem Himmel ſeye ge- danckt/ theilhafftig worden/ und anbey mich zugleich ver- wundert/ uͤber das wunderſchoͤne mit Gold-geſtickte Roͤckl des Ciborii, konte mich derenthalben nicht enthal- ten/ daß ich den Moͤßner gar zu beſcheiden angeredet/ und gefragt/ was ſelbiges doch moͤchte koſten? der mir aber zur geſchwinden Antwort geſagt/ wie daß ſolches nur falſches Gold/ nur Leoniſch/ und folgſam nit im groſſen Werth; dieſes hat mich dergeſtalten beſtuͤrzt gemacht/ daß ich faſt uͤber den Opferſtock gefallen/ ich machte mir kein andere Hofnung/ als daß ich allenthalben werde lau- ter Falſchheit/ und nirgends die Redlichkeit antreffen/ weilen man auch bey dieſer verkehrten Welt das hoͤchſte Gut ſelbſten mit falſchem Gold kleidet/ hab mich dem- nach ohne weiterer Saumung aus der Kirchen begeben; im Ausgang daſelbſten/ hab ich mich nit wenig verwun- dert uͤber das ſtattliche Portal/ und haͤtte ich mit einem weiß nit was gewettet/ es waͤre von Saltzburg mit groſſem Unkoſten dahin gebracht worden/ mir aber hat gleich ein altes Bettelweib alldar die Meynung verſal- zen/ indem ſie mit ihrem Afftermaul mich einer Irr- thumb beſchuldiget/ ſprechend/ es ſeye dieſes groſſe Thuͤr- geſtell ganz und gar nit aus Marmor/ ſondern nur von Gips Arbeit/ und auf Marmor-Arth alſo pallirt/ Ey pallier dich du alte der Pokkraͤnzky! gedachte ich ganz ungedultig bey mir/ ſo kommt mir dann nichts redliches/ ſondern lauter Falſchheit vor die Augen/ hab mich ſo dann abgewendet von dieſer baufaͤlligen Redſtuben/ und unweit derſelben einen armen muͤhſeeligen Bettelmaũ ange- L l 3

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Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 3. Salzburg, 1692, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas03_1692/301>, abgerufen am 12.05.2024.