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Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 1. Salzburg, 1686.

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Judas allzeit ein Dieb/
Evangelisten Joan. c. 8. Ego sum Lux Mundi. Ich
bin ein Liecht der Welt.
Man mag das Wörtlein
Lux Lateinisch oder Teutsch verstehen/ so schickt sich doch
beedes auff vnsern HErrn/ massen er ein Liecht/ so alles
durchleucht/ vnd ein Lux so alles durchsicht/ zumahlen
wegen schärpffe der Augen von disem Thier gesagt wird/
es könnte durch ein Mauer sehen. Das Wörtlein Lux
hat jener Fuchs erst in seinen hohem Alter erfahren/ daß
GOtt habe gesehen/ was er gestifft in jungen Jahren.
In Oesterreich hat ein Schneider-Bürschl seinem Maister
50. fl. entfrembt/ mit solcher Beut hat er das Hauß ge-
meydt/ vnd in andere Länder gewandert/ biß er auch ist
Maister worden/ welcher zwar schon zuvor maisterlich zu
siehlen wuste. Nachdem 50. Jahr von disem begangenen
Diebstall verflossen/ so hat GOtt auch wollen die 50. fl.
wunderbarlich offenbahren. Dann als einmahl erstgedach-
ter Maister/ ein bereits alter Greiß/ auff dem Marckt spa-
tzieren gangen/ allwo die vnruhige Gassen-Bueben mit
Kreiden vnderschidliche Däntlerey verübten an einem Fen-
ster-Laden. So hat sich diser alte Geck auch vnder die Kin-
der gemischt/ vnd ebenfalls mit der Kreiden wollen schrei-
ben. Wie es aber GOtt so wunderlich geschickt: diser
hatte sein Lebenlang niemahlens schreiben/ noch lesen ge-
lehrnet. In dem er dann vermaint/ mit der Kreiden nur
krumpe/ vnd grade Strich zu machen/ so hat er aber gantz
deutlich dise Wort auff das Brett verzaichnet. Ich bin
ein Dieb.
Wie solches die ohne das muthwillige Bue-
ben gelesen/ fangen sie alsbald an mit lauter Stimm disen
saubern Titul zu reintoniren. Der ist ein Dieb/ der
ist ein Dieb.
Die Sach gelangt vor den Magistrat,
welcher disen alten Schneider hierüber zur strengen Frag

gezo-
K k k

Judas allzeit ein Dieb/
Evangeliſten Joan. c. 8. Ego ſum Lux Mundi. Ich
bin ein Liecht der Welt.
Man mag das Woͤrtlein
Lux Lateiniſch oder Teutſch verſtehen/ ſo ſchickt ſich doch
beedes auff vnſern HErꝛn/ maſſen er ein Liecht/ ſo alles
durchleucht/ vnd ein Lux ſo alles durchſicht/ zumahlen
wegen ſchaͤrpffe der Augen von diſem Thier geſagt wird/
es koͤnnte durch ein Mauer ſehen. Das Woͤrtlein Lux
hat jener Fuchs erſt in ſeinen hohem Alter erfahren/ daß
GOtt habe geſehen/ was er geſtifft in jungen Jahren.
In Oeſterreich hat ein Schneider-Buͤrſchl ſeinem Maiſter
50. fl. entfrembt/ mit ſolcher Beut hat er das Hauß ge-
meydt/ vnd in andere Laͤnder gewandert/ biß er auch iſt
Maiſter worden/ welcher zwar ſchon zuvor maiſterlich zu
ſiehlen wuſte. Nachdem 50. Jahr von diſem begangenen
Diebſtall verfloſſen/ ſo hat GOtt auch wollen die 50. fl.
wunderbarlich offenbahren. Dann als einmahl erſtgedach-
ter Maiſter/ ein bereits alter Greiß/ auff dem Marckt ſpa-
tzieren gangen/ allwo die vnruhige Gaſſen-Bueben mit
Kreiden vnderſchidliche Daͤntlerey veruͤbten an einem Fen-
ſter-Laden. So hat ſich diſer alte Geck auch vnder die Kin-
der gemiſcht/ vnd ebenfalls mit der Kreiden wollen ſchrei-
ben. Wie es aber GOtt ſo wunderlich geſchickt: diſer
hatte ſein Lebenlang niemahlens ſchreiben/ noch leſen ge-
lehrnet. In dem er dann vermaint/ mit der Kreiden nur
krumpe/ vnd grade Strich zu machen/ ſo hat er aber gantz
deutlich diſe Wort auff das Brett verzaichnet. Ich bin
ein Dieb.
Wie ſolches die ohne das muthwillige Bue-
ben geleſen/ fangen ſie alsbald an mit lauter Stimm diſen
ſaubern Titul zu reintoniren. Der iſt ein Dieb/ der
iſt ein Dieb.
Die Sach gelangt vor den Magiſtrat,
welcher diſen alten Schneider hieruͤber zur ſtrengen Frag

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[441/0477] Judas allzeit ein Dieb/ Evangeliſten Joan. c. 8. Ego ſum Lux Mundi. Ich bin ein Liecht der Welt. Man mag das Woͤrtlein Lux Lateiniſch oder Teutſch verſtehen/ ſo ſchickt ſich doch beedes auff vnſern HErꝛn/ maſſen er ein Liecht/ ſo alles durchleucht/ vnd ein Lux ſo alles durchſicht/ zumahlen wegen ſchaͤrpffe der Augen von diſem Thier geſagt wird/ es koͤnnte durch ein Mauer ſehen. Das Woͤrtlein Lux hat jener Fuchs erſt in ſeinen hohem Alter erfahren/ daß GOtt habe geſehen/ was er geſtifft in jungen Jahren. In Oeſterreich hat ein Schneider-Buͤrſchl ſeinem Maiſter 50. fl. entfrembt/ mit ſolcher Beut hat er das Hauß ge- meydt/ vnd in andere Laͤnder gewandert/ biß er auch iſt Maiſter worden/ welcher zwar ſchon zuvor maiſterlich zu ſiehlen wuſte. Nachdem 50. Jahr von diſem begangenen Diebſtall verfloſſen/ ſo hat GOtt auch wollen die 50. fl. wunderbarlich offenbahren. Dann als einmahl erſtgedach- ter Maiſter/ ein bereits alter Greiß/ auff dem Marckt ſpa- tzieren gangen/ allwo die vnruhige Gaſſen-Bueben mit Kreiden vnderſchidliche Daͤntlerey veruͤbten an einem Fen- ſter-Laden. So hat ſich diſer alte Geck auch vnder die Kin- der gemiſcht/ vnd ebenfalls mit der Kreiden wollen ſchrei- ben. Wie es aber GOtt ſo wunderlich geſchickt: diſer hatte ſein Lebenlang niemahlens ſchreiben/ noch leſen ge- lehrnet. In dem er dann vermaint/ mit der Kreiden nur krumpe/ vnd grade Strich zu machen/ ſo hat er aber gantz deutlich diſe Wort auff das Brett verzaichnet. Ich bin ein Dieb. Wie ſolches die ohne das muthwillige Bue- ben geleſen/ fangen ſie alsbald an mit lauter Stimm diſen ſaubern Titul zu reintoniren. Der iſt ein Dieb/ der iſt ein Dieb. Die Sach gelangt vor den Magiſtrat, welcher diſen alten Schneider hieruͤber zur ſtrengen Frag gezo- K k k

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Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 1. Salzburg, 1686, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas01_1686/477>, abgerufen am 22.11.2024.