Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sandrart, Joachim von: ICONOLOGIA DEORUM. Nürnberg, 1680.

Bild:
<< vorherige Seite

[Spaltenumbruch] daß sie bloß und ohne Gürtel gemahlet werden/ wie sie Horatius beschrieben; dann gute Freunde sollen unter einander aufrichtige und einfältige Gemüther haben ohne Falsch und Betrug. Pausanias bekennet in Boeoticis, er wisse nicht/ wer am ersten die Gratien bloß gebildet habe/ die man doch vor Zeiten allenthalben mit Kleidern angethan gesehen; es seye ihm auch die Ursach unbekannt/ um welcher willen sie nachgehends von allen Mahlern und Bildhauern bloß vorgestellet worden. Eben derselbe schreibet/ es habe Eteocles/ ein Boeotier/ am ersten verordnet die Gratien zu verehren/ und deren drey eingeführet; jedoch sagt er dabey/ er wisse nicht/ wie er sie genennet Der Gratien Namen: Euphrosina/ Aglaia/ Thalia/ Pasithea. habe. Hesiodus aber hat sie also genennet; die eine Euphrosyna/ (Frölichkeit) die andre Aglaia/ (Hoheit und Lieblichkeit) die dritte Thalia/ (die blühende und lustige) die vierte hat Homerus Pasithea genennet/ welche Juno dem Somnus zum Weibe zu geben verheisset/ wann er machen würde/ daß Jupiter entschlieffe. Eben dieser Homerus nennet eine Gratia/ von welcher er saget/ sie seye des Vulcanus Weib/ und habe allezeit bey ihm gelebet. Solche beschreibet er/ wie sie so schöne Haar gehabt/ und der Thetis hinaus entgegen gangen seye/ da sie auf der Reis zu dem Vulcanus begriffen war/ ihn zu bitten/ daß er für ihren Sohn Achilles wollte Waffen verfertigen.

Wie sie von den Eleern gebildet worden. Die Eleer haben die Gratien also abgebildet: Eine trug in der Hand eine Rose/ die andere Würffel/ die dritte einen Myrtenzweig. Die Ursach ist/ weil die Rose und Myrten der Venus geheiliget sind/ darumb hat man sie ihnen gegeben/ als die gemeiniglich der Venus Gefertinnen sind. Der Würffel bedeutet der Jungfrauen Spiele/ dergleichen ehrlichen Matronen nicht geziemet. Bis hieher Pausanias. Andere sagen/ es werde durch die Rose derselben Lieblichkeit und Holdseligkeit angedeutet; durch den Würffel/ daß sie müssen stets miteinander zu thun haben; durch den Myrten-Zweig aber/ daß sie immerdar grünen sollen. Warum man ihren Tempel mitten auf der Gassen habe pflegen aufzubauen. Alexander Neapolitanus erzehlet/ als der es von dem Aristoteles in Ethicis entlehnet/ man habe vor Zeiten der Gratien ihren Tempel mitten auf der Gassen pflegen aufzubauen; damit nemlich die Leute angemahnet würden/ ihren Nebenmenschen mit willigen und freudigen Hertzen Gutes zu thun/ und die empfangene Wolthaten zu vergelten; denn sie hielten dafür/ dieses wäre der Gratien ihre Verrichtung: doch soll gleichwol dasselbe mit gutem Bedacht geschehen; denn wer einem Unwürdigen eine Wohlthat erweiset/ zumal einem solchen/ der es nicht vonnöthen hat/ derselbe ist so wol zu schelten/ als der jenige/ welcher einem hülffbedürfftigen Menschen seine Hülffe versaget/ fürnehmlich wann er es wehrt ist/ daß man ihm zu Hülffe komme. Solches wird uns auch durch das Bild der Gratien angedeutet/ bey welchem man zuweilen Mercurius ihren Führer siehet/[Spaltenumbruch] der ihnen Verstand und Klugheit zeiget/ damit sie dieselbe zu Führerin gebrauchen und wissen mögen/ wie/ wann/ und wem man solle Gutes thun/ auch jederzeit ihrem Vermögen nach sich befleissigen/ es dem gütigen GOTT nachzuthun/ der immerdar bereit ist uns guts zu thun. Dannenhero hat man/ nach Macrobius Meinung/ gedichtet/ wie Apollo mit der rechten Hand die Gratien trage/ mit der lincken aber einen Bogen und Pfeile/ dieweil GOTT zur Beförderung unserer Wolfarth weit fertiger ist/ als zu Vollziehung der verdienten Straffe.

Es gibt uns aber Seneca Lib. I. de Benef. und zwar nach dem Bildnus der Gratien/ eine schöne Lehre/ wie wir uns in Erweisung Warum drey Gratien seyen. der Wolthaten verhalten sollen; Es sind/ spricht er/ drey Gratiae/ dieweil/ wie etliche meinen/ eine seyn soll/ welche die Wolthat erweiset/ die andere/ die es empfängt/ die dritte/ die es vergilt. Nach anderer Meinung aber/ weil drey Arten der Wolthaten sind/ nemlich deren/ so sich wohl umb Einen verdienen; darnach deren/ so die Wolthat wieder vergelten/ und denn auch/ so sie empfangen und vergelten. Was bedeutet der Chor der Gratien/ so sich zusammen wenden/ und einander bey den Händen anfassen? Dieses bedeutet es/ daß die Ordnung der Gutthat/ so von einem zu dem andern kommt/ nichts destoweniger zu dem Geber wiederkehre; und wann sie nur im geringsten unterbrochen wird/ so verleuert sie die gantze Gestalt; hingegen aber ist sie gar herrlich und schön/ so sie aneinander hänget/ und eine Warum sie lächlen. Wolthat auf die andere folget. Sie lachen/ weil der Gutthäter Angesicht frölich sind/ wie zu seyn pflegen beedes derer die gutes thun/ Warum sie jung/ und als Jungfrauen gebildet werden. und die es empfangen. Sie sind noch jung/ weil man die empfangene Wolthat allezeit soll in frischer Gedächtnus behalten/ und den Danck nicht lassen veralten. Sie sind Jungfrauen/ weil die Wolthat rein und unverfälscht seyn/ und sich Niemand daran vergreiffen soll/ darbey auch keiner dem andern zu etwas Gewisses obligirt und verbunden seyn: Dahero tragen sie auch aufgelösete Röcke; durchsichtige aber/ weil die Wolthaten wollen gesehen werden.

Wir wollen aber diese Beschreibung der Gratien nunmehr beschliessen/ wann wir nur noch etwas Weniges/ und zwar unter andern ein schönes Epigramma werden hinzugesetzet haben/ welches zu Rom in dem Haus der Columnenser auf dem Bild der Gratien eingegraben stehet/ und also lautet:

Sunt nudae Charites niveo de marmore:
at illas

Diva Columna suis aedibus intus
habet.

Par tribus est facies, qualem decet
esse sororum:

Par tribus est aetas, par quoque
forma tribus.

[Spaltenumbruch] daß sie bloß und ohne Gürtel gemahlet werden/ wie sie Horatius beschrieben; dann gute Freunde sollen unter einander aufrichtige und einfältige Gemüther haben ohne Falsch und Betrug. Pausanias bekennet in Boeoticis, er wisse nicht/ wer am ersten die Gratien bloß gebildet habe/ die man doch vor Zeiten allenthalben mit Kleidern angethan gesehen; es seye ihm auch die Ursach unbekannt/ um welcher willen sie nachgehends von allen Mahlern und Bildhauern bloß vorgestellet worden. Eben derselbe schreibet/ es habe Eteocles/ ein Boeotier/ am ersten verordnet die Gratien zu verehren/ und deren drey eingeführet; jedoch sagt er dabey/ er wisse nicht/ wie er sie genennet Der Gratien Namen: Euphrosina/ Aglaia/ Thalia/ Pasithea. habe. Hesiodus aber hat sie also genennet; die eine Euphrosyna/ (Frölichkeit) die andre Aglaia/ (Hoheit und Lieblichkeit) die dritte Thalia/ (die blühende und lustige) die vierte hat Homerus Pasithea genennet/ welche Juno dem Somnus zum Weibe zu geben verheisset/ wann er machen würde/ daß Jupiter entschlieffe. Eben dieser Homerus nennet eine Gratia/ von welcher er saget/ sie seye des Vulcanus Weib/ und habe allezeit bey ihm gelebet. Solche beschreibet er/ wie sie so schöne Haar gehabt/ und der Thetis hinaus entgegen gangen seye/ da sie auf der Reis zu dem Vulcanus begriffen war/ ihn zu bitten/ daß er für ihren Sohn Achilles wollte Waffen verfertigen.

Wie sie von den Eleern gebildet worden. Die Eleer haben die Gratien also abgebildet: Eine trug in der Hand eine Rose/ die andere Würffel/ die dritte einen Myrtenzweig. Die Ursach ist/ weil die Rose und Myrten der Venus geheiliget sind/ darumb hat man sie ihnen gegeben/ als die gemeiniglich der Venus Gefertinnen sind. Der Würffel bedeutet der Jungfrauen Spiele/ dergleichen ehrlichen Matronen nicht geziemet. Bis hieher Pausanias. Andere sagen/ es werde durch die Rose derselben Lieblichkeit und Holdseligkeit angedeutet; durch den Würffel/ daß sie müssen stets miteinander zu thun haben; durch den Myrten-Zweig aber/ daß sie immerdar grünen sollen. Warum man ihren Tempel mitten auf der Gassen habe pflegen aufzubauen. Alexander Neapolitanus erzehlet/ als der es von dem Aristoteles in Ethicis entlehnet/ man habe vor Zeiten der Gratien ihren Tempel mitten auf der Gassen pflegen aufzubauen; damit nemlich die Leute angemahnet würden/ ihren Nebenmenschen mit willigen und freudigen Hertzen Gutes zu thun/ und die empfangene Wolthaten zu vergelten; denn sie hielten dafür/ dieses wäre der Gratien ihre Verrichtung: doch soll gleichwol dasselbe mit gutem Bedacht geschehen; denn wer einem Unwürdigen eine Wohlthat erweiset/ zumal einem solchen/ der es nicht vonnöthen hat/ derselbe ist so wol zu schelten/ als der jenige/ welcher einem hülffbedürfftigen Menschen seine Hülffe versaget/ fürnehmlich wann er es wehrt ist/ daß man ihm zu Hülffe komme. Solches wird uns auch durch das Bild der Gratien angedeutet/ bey welchem man zuweilen Mercurius ihren Führer siehet/[Spaltenumbruch] der ihnen Verstand und Klugheit zeiget/ damit sie dieselbe zu Führerin gebrauchen und wissen mögen/ wie/ wann/ und wem man solle Gutes thun/ auch jederzeit ihrem Vermögen nach sich befleissigen/ es dem gütigen GOTT nachzuthun/ der immerdar bereit ist uns guts zu thun. Dannenhero hat man/ nach Macrobius Meinung/ gedichtet/ wie Apollo mit der rechten Hand die Gratien trage/ mit der lincken aber einen Bogen und Pfeile/ dieweil GOTT zur Beförderung unserer Wolfarth weit fertiger ist/ als zu Vollziehung der verdienten Straffe.

Es gibt uns aber Seneca Lib. I. de Benef. und zwar nach dem Bildnus der Gratien/ eine schöne Lehre/ wie wir uns in Erweisung Warum drey Gratien seyen. der Wolthaten verhalten sollen; Es sind/ spricht er/ drey Gratiae/ dieweil/ wie etliche meinen/ eine seyn soll/ welche die Wolthat erweiset/ die andere/ die es empfängt/ die dritte/ die es vergilt. Nach anderer Meinung aber/ weil drey Arten der Wolthaten sind/ nemlich deren/ so sich wohl umb Einen verdienen; darnach deren/ so die Wolthat wieder vergelten/ und denn auch/ so sie empfangen und vergelten. Was bedeutet der Chor der Gratien/ so sich zusammen wenden/ und einander bey den Händen anfassen? Dieses bedeutet es/ daß die Ordnung der Gutthat/ so von einem zu dem andern kommt/ nichts destoweniger zu dem Geber wiederkehre; und wann sie nur im geringsten unterbrochen wird/ so verleuert sie die gantze Gestalt; hingegen aber ist sie gar herrlich und schön/ so sie aneinander hänget/ und eine Warum sie lächlen. Wolthat auf die andere folget. Sie lachen/ weil der Gutthäter Angesicht frölich sind/ wie zu seyn pflegen beedes derer die gutes thun/ Warum sie jung/ und als Jungfrauen gebildet werden. und die es empfangen. Sie sind noch jung/ weil man die empfangene Wolthat allezeit soll in frischer Gedächtnus behalten/ und den Danck nicht lassen veralten. Sie sind Jungfrauen/ weil die Wolthat rein und unverfälscht seyn/ und sich Niemand daran vergreiffen soll/ darbey auch keiner dem andern zu etwas Gewisses obligirt und verbunden seyn: Dahero tragen sie auch aufgelösete Röcke; durchsichtige aber/ weil die Wolthaten wollen gesehen werden.

Wir wollen aber diese Beschreibung der Gratien nunmehr beschliessen/ wann wir nur noch etwas Weniges/ und zwar unter andern ein schönes Epigramma werden hinzugesetzet haben/ welches zu Rom in dem Haus der Columnenser auf dem Bild der Gratien eingegraben stehet/ und also lautet:

Sunt nudae Charites niveo de marmore:
at illas

Diva Columna suis aedibus intus
habet.

Par tribus est facies, qualem decet
esse sororum:

Par tribus est aetas, par quoque
forma tribus.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div>
          <p><pb facs="#f0291" xml:id="pb-1561" n="TA 1680, Iconologia Deorum, S. 193"/><cb/>
daß sie bloß und ohne Gürtel gemahlet werden/ wie sie <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1275 http://d-nb.info/gnd/118553569 http://viaf.org/viaf/100227522">Horatius</persName> beschrieben; dann gute Freunde sollen unter einander aufrichtige und einfältige Gemüther haben ohne Falsch und Betrug. <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-331 http://d-nb.info/gnd/118592246 http://viaf.org/viaf/100176033">Pausanias</persName> bekennet in <hi rendition="#aq">Boeoticis,</hi> er wisse nicht/ wer am ersten die <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1052 http://d-nb.info/gnd/11863934X http://viaf.org/viaf/15562925">Gratien</persName> bloß gebildet habe/ die man doch vor Zeiten allenthalben mit Kleidern angethan gesehen; es seye ihm auch die Ursach unbekannt/ um welcher willen sie nachgehends von allen Mahlern und Bildhauern bloß vorgestellet worden. Eben derselbe schreibet/ es habe <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-3525">Eteocles</persName>/ ein Boeotier/ am ersten verordnet die <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1052 http://d-nb.info/gnd/11863934X http://viaf.org/viaf/15562925">Gratien</persName> zu verehren/ und deren drey eingeführet; jedoch sagt er dabey/ er wisse nicht/ wie er sie genennet <note xml:id="n1561.1" place="right">Der <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1052 http://d-nb.info/gnd/11863934X http://viaf.org/viaf/15562925">Gratien</persName> Namen: <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1196">Euphrosina</persName>/ <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1197">Aglaia</persName>/ <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-4784">Thalia</persName>/ <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-3764">Pasithea</persName>.</note> habe. <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1273 http://d-nb.info/gnd/118550292 http://viaf.org/viaf/122220717">Hesiodus</persName> aber hat sie also genennet; die eine <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1196">Euphrosyna</persName>/ (Frölichkeit) die andre <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1197">Aglaia</persName>/ (Hoheit und Lieblichkeit) die dritte <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-4784">Thalia</persName>/ (die blühende und lustige) die vierte hat <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-109 http://d-nb.info/gnd/11855333X http://viaf.org/viaf/63292865">Homerus</persName> <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-3764">Pasithea</persName> genennet/ welche <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-100 http://d-nb.info/gnd/118800574 http://viaf.org/viaf/47558229">Juno</persName> dem <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-3652 http://d-nb.info/gnd/118817108 http://viaf.org/viaf/25399150">Somnus</persName> zum Weibe zu geben verheisset/ wann er machen würde/ daß <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-99 http://d-nb.info/gnd/118558897 http://viaf.org/viaf/22933410">Jupiter</persName> entschlieffe. Eben dieser <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-109 http://d-nb.info/gnd/11855333X http://viaf.org/viaf/63292865">Homerus</persName> nennet eine <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-661">Gratia</persName>/ von welcher er saget/ sie seye <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-661">des Vulcanus Weib</persName>/ und habe allezeit bey ihm gelebet. Solche beschreibet er/ wie sie so schöne Haar gehabt/ und der <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1908 http://d-nb.info/gnd/119070731 http://viaf.org/viaf/35258385">Thetis</persName> hinaus entgegen gangen seye/ da sie auf der Reis zu dem <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-143 http://d-nb.info/gnd/118770462 http://viaf.org/viaf/42633769">Vulcanus</persName> begriffen war/ ihn zu bitten/ daß er für ihren Sohn <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-110 http://d-nb.info/gnd/118500384 http://viaf.org/viaf/76551205">Achilles</persName> wollte Waffen verfertigen.</p>
          <p xml:id="p1561.1"><note place="right">Wie sie von den Eleern gebildet worden.</note> Die Eleer haben die <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1052 http://d-nb.info/gnd/11863934X http://viaf.org/viaf/15562925">Gratien</persName> also abgebildet: Eine trug in der Hand eine Rose/ die andere Würffel/ die dritte einen Myrtenzweig. Die Ursach ist/ weil die Rose und Myrten der <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-126 http://d-nb.info/gnd/11876800X http://viaf.org/viaf/30332680">Venus</persName> geheiliget sind/ darumb hat man sie ihnen gegeben/ als die gemeiniglich der <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-126 http://d-nb.info/gnd/11876800X http://viaf.org/viaf/30332680">Venus</persName> Gefertinnen sind. Der Würffel bedeutet der Jungfrauen Spiele/ dergleichen ehrlichen Matronen nicht geziemet. Bis hieher <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-331 http://d-nb.info/gnd/118592246 http://viaf.org/viaf/100176033">Pausanias</persName>. Andere sagen/ es werde durch die Rose derselben Lieblichkeit und Holdseligkeit angedeutet; durch den Würffel/ daß sie müssen stets miteinander zu thun haben; durch den Myrten-Zweig aber/ daß sie immerdar grünen sollen. <note xml:id="n1561.2" place="right">Warum man ihren Tempel mitten auf der Gassen habe pflegen aufzubauen.</note> <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-2938 http://d-nb.info/gnd/100007724 http://viaf.org/viaf/2353541">Alexander Neapolitanus</persName> erzehlet/ als der es von dem <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-112 http://d-nb.info/gnd/118650130 http://viaf.org/viaf/7524651">Aristoteles</persName> <hi rendition="#aq">in Ethicis</hi> entlehnet/ man habe vor Zeiten der <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1052 http://d-nb.info/gnd/11863934X http://viaf.org/viaf/15562925">Gratien</persName> ihren Tempel mitten auf der Gassen pflegen aufzubauen; damit nemlich die Leute angemahnet würden/ ihren Nebenmenschen mit willigen und freudigen Hertzen Gutes zu thun/ und die empfangene Wolthaten zu vergelten; denn sie hielten dafür/ dieses wäre der <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1052 http://d-nb.info/gnd/11863934X http://viaf.org/viaf/15562925">Gratien</persName> ihre Verrichtung: doch soll gleichwol dasselbe mit gutem Bedacht geschehen; denn wer einem Unwürdigen eine Wohlthat erweiset/ zumal einem solchen/ der es nicht vonnöthen hat/ derselbe ist so wol zu schelten/ als der jenige/ welcher einem hülffbedürfftigen Menschen seine Hülffe versaget/ fürnehmlich wann er es wehrt ist/ daß man ihm zu Hülffe komme. Solches wird uns auch durch das Bild der <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1052 http://d-nb.info/gnd/11863934X http://viaf.org/viaf/15562925">Gratien</persName> angedeutet/ bey welchem man zuweilen <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-342 http://d-nb.info/gnd/118641077 http://viaf.org/viaf/102459012">Mercurius</persName> ihren Führer siehet/<cb/>
der ihnen Verstand und Klugheit zeiget/ damit sie dieselbe zu Führerin gebrauchen und wissen mögen/ wie/ wann/ und wem man solle Gutes thun/ auch jederzeit ihrem Vermögen nach sich befleissigen/ es dem gütigen <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-204">GOTT</persName> nachzuthun/ der immerdar bereit ist uns guts zu thun. Dannenhero hat man/ nach <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-2400 http://d-nb.info/gnd/118640763 http://viaf.org/viaf/39387062">Macrobius</persName> Meinung/ gedichtet/ wie <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-59 http://d-nb.info/gnd/118503642 http://viaf.org/viaf/3261638">Apollo</persName> mit der rechten Hand die <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1052 http://d-nb.info/gnd/11863934X http://viaf.org/viaf/15562925">Gratien</persName> trage/ mit der lincken aber einen Bogen und Pfeile/ dieweil <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-204">GOTT</persName> zur Beförderung unserer Wolfarth weit fertiger ist/ als zu Vollziehung der verdienten Straffe.</p>
          <p>Es gibt uns aber <bibl><ref target="http://ta.sandrart.net/-bibliography-2460"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-842 http://d-nb.info/gnd/118613200 http://viaf.org/viaf/90637919">Seneca</persName><hi rendition="#aq">Lib. I. de Benef.</hi></ref></bibl> und zwar nach dem Bildnus der <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1052 http://d-nb.info/gnd/11863934X http://viaf.org/viaf/15562925">Gratien</persName>/ eine schöne Lehre/ wie wir uns in Erweisung <note xml:id="n1561.3" place="right">Warum drey <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1052 http://d-nb.info/gnd/11863934X http://viaf.org/viaf/15562925">Gratien</persName> seyen.</note> der Wolthaten verhalten sollen; Es sind/ spricht er/ drey <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1052 http://d-nb.info/gnd/11863934X http://viaf.org/viaf/15562925">Gratiae</persName>/ dieweil/ wie etliche meinen/ eine seyn soll/ welche die Wolthat erweiset/ die andere/ die es empfängt/ die dritte/ die es vergilt. Nach anderer Meinung aber/ weil drey Arten der Wolthaten sind/ nemlich deren/ so sich wohl umb Einen verdienen; darnach deren/ so die Wolthat wieder vergelten/ und denn auch/ so sie empfangen und vergelten. Was bedeutet der Chor der <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1052 http://d-nb.info/gnd/11863934X http://viaf.org/viaf/15562925">Gratien</persName>/ so sich zusammen wenden/ und einander bey den Händen anfassen? Dieses bedeutet es/ daß die Ordnung der Gutthat/ so von einem zu dem andern kommt/ nichts destoweniger zu dem Geber wiederkehre; und wann sie nur im geringsten unterbrochen wird/ so verleuert sie die gantze Gestalt; hingegen aber ist sie gar herrlich und schön/ so sie aneinander hänget/ und eine <note xml:id="n1561.4" place="right">Warum sie lächlen.</note> Wolthat auf die andere folget. Sie lachen/ weil der Gutthäter Angesicht frölich sind/ wie zu seyn pflegen beedes derer die gutes thun/ <note xml:id="n1561.5" place="right">Warum sie jung/ und als Jungfrauen gebildet werden.</note> und die es empfangen. Sie sind noch jung/ weil man die empfangene Wolthat allezeit soll in frischer Gedächtnus behalten/ und den Danck nicht lassen veralten. Sie sind Jungfrauen/ weil die Wolthat rein und unverfälscht seyn/ und sich Niemand daran vergreiffen soll/ darbey auch keiner dem andern zu etwas Gewisses obligirt und verbunden seyn: Dahero tragen sie auch aufgelösete Röcke; durchsichtige aber/ weil die Wolthaten wollen gesehen werden.</p>
          <p><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-836">Wir</persName> wollen aber diese Beschreibung der <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1052 http://d-nb.info/gnd/11863934X http://viaf.org/viaf/15562925">Gratien</persName> nunmehr beschliessen/ wann <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-836">wir</persName> nur noch etwas Weniges/ und zwar unter andern ein schönes <hi rendition="#aq">Epigramma</hi> werden hinzugesetzet haben/ welches zu <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-6 http://www.geonames.org/3169070/ http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&amp;place=&amp;nation=&amp;subjectid=7000874">Rom</placeName> in dem <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-2231">Haus der Columnenser</placeName> auf dem Bild der <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1052 http://d-nb.info/gnd/11863934X http://viaf.org/viaf/15562925">Gratien</persName> eingegraben stehet/ und also lautet:</p>
          <lg rendition="#aq" xml:lang="la">
            <l>Sunt nudae <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1052 http://d-nb.info/gnd/11863934X http://viaf.org/viaf/15562925">Charites</persName> niveo de marmore:<lb/>
at illas</l><lb/>
            <l><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-5632">Diva Columna</persName> suis aedibus intus<lb/>
habet.</l><lb/>
            <l>Par tribus est facies, qualem decet<lb/>
esse sororum:</l><lb/>
            <l>Par tribus est aetas, par quoque<lb/>
forma tribus.</l><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[TA 1680, Iconologia Deorum, S. 193/0291] daß sie bloß und ohne Gürtel gemahlet werden/ wie sie Horatius beschrieben; dann gute Freunde sollen unter einander aufrichtige und einfältige Gemüther haben ohne Falsch und Betrug. Pausanias bekennet in Boeoticis, er wisse nicht/ wer am ersten die Gratien bloß gebildet habe/ die man doch vor Zeiten allenthalben mit Kleidern angethan gesehen; es seye ihm auch die Ursach unbekannt/ um welcher willen sie nachgehends von allen Mahlern und Bildhauern bloß vorgestellet worden. Eben derselbe schreibet/ es habe Eteocles/ ein Boeotier/ am ersten verordnet die Gratien zu verehren/ und deren drey eingeführet; jedoch sagt er dabey/ er wisse nicht/ wie er sie genennet habe. Hesiodus aber hat sie also genennet; die eine Euphrosyna/ (Frölichkeit) die andre Aglaia/ (Hoheit und Lieblichkeit) die dritte Thalia/ (die blühende und lustige) die vierte hat Homerus Pasithea genennet/ welche Juno dem Somnus zum Weibe zu geben verheisset/ wann er machen würde/ daß Jupiter entschlieffe. Eben dieser Homerus nennet eine Gratia/ von welcher er saget/ sie seye des Vulcanus Weib/ und habe allezeit bey ihm gelebet. Solche beschreibet er/ wie sie so schöne Haar gehabt/ und der Thetis hinaus entgegen gangen seye/ da sie auf der Reis zu dem Vulcanus begriffen war/ ihn zu bitten/ daß er für ihren Sohn Achilles wollte Waffen verfertigen. Der Gratien Namen: Euphrosina/ Aglaia/ Thalia/ Pasithea. Die Eleer haben die Gratien also abgebildet: Eine trug in der Hand eine Rose/ die andere Würffel/ die dritte einen Myrtenzweig. Die Ursach ist/ weil die Rose und Myrten der Venus geheiliget sind/ darumb hat man sie ihnen gegeben/ als die gemeiniglich der Venus Gefertinnen sind. Der Würffel bedeutet der Jungfrauen Spiele/ dergleichen ehrlichen Matronen nicht geziemet. Bis hieher Pausanias. Andere sagen/ es werde durch die Rose derselben Lieblichkeit und Holdseligkeit angedeutet; durch den Würffel/ daß sie müssen stets miteinander zu thun haben; durch den Myrten-Zweig aber/ daß sie immerdar grünen sollen. Alexander Neapolitanus erzehlet/ als der es von dem Aristoteles in Ethicis entlehnet/ man habe vor Zeiten der Gratien ihren Tempel mitten auf der Gassen pflegen aufzubauen; damit nemlich die Leute angemahnet würden/ ihren Nebenmenschen mit willigen und freudigen Hertzen Gutes zu thun/ und die empfangene Wolthaten zu vergelten; denn sie hielten dafür/ dieses wäre der Gratien ihre Verrichtung: doch soll gleichwol dasselbe mit gutem Bedacht geschehen; denn wer einem Unwürdigen eine Wohlthat erweiset/ zumal einem solchen/ der es nicht vonnöthen hat/ derselbe ist so wol zu schelten/ als der jenige/ welcher einem hülffbedürfftigen Menschen seine Hülffe versaget/ fürnehmlich wann er es wehrt ist/ daß man ihm zu Hülffe komme. Solches wird uns auch durch das Bild der Gratien angedeutet/ bey welchem man zuweilen Mercurius ihren Führer siehet/ der ihnen Verstand und Klugheit zeiget/ damit sie dieselbe zu Führerin gebrauchen und wissen mögen/ wie/ wann/ und wem man solle Gutes thun/ auch jederzeit ihrem Vermögen nach sich befleissigen/ es dem gütigen GOTT nachzuthun/ der immerdar bereit ist uns guts zu thun. Dannenhero hat man/ nach Macrobius Meinung/ gedichtet/ wie Apollo mit der rechten Hand die Gratien trage/ mit der lincken aber einen Bogen und Pfeile/ dieweil GOTT zur Beförderung unserer Wolfarth weit fertiger ist/ als zu Vollziehung der verdienten Straffe. Wie sie von den Eleern gebildet worden. Warum man ihren Tempel mitten auf der Gassen habe pflegen aufzubauen.Es gibt uns aber Seneca Lib. I. de Benef. und zwar nach dem Bildnus der Gratien/ eine schöne Lehre/ wie wir uns in Erweisung der Wolthaten verhalten sollen; Es sind/ spricht er/ drey Gratiae/ dieweil/ wie etliche meinen/ eine seyn soll/ welche die Wolthat erweiset/ die andere/ die es empfängt/ die dritte/ die es vergilt. Nach anderer Meinung aber/ weil drey Arten der Wolthaten sind/ nemlich deren/ so sich wohl umb Einen verdienen; darnach deren/ so die Wolthat wieder vergelten/ und denn auch/ so sie empfangen und vergelten. Was bedeutet der Chor der Gratien/ so sich zusammen wenden/ und einander bey den Händen anfassen? Dieses bedeutet es/ daß die Ordnung der Gutthat/ so von einem zu dem andern kommt/ nichts destoweniger zu dem Geber wiederkehre; und wann sie nur im geringsten unterbrochen wird/ so verleuert sie die gantze Gestalt; hingegen aber ist sie gar herrlich und schön/ so sie aneinander hänget/ und eine Wolthat auf die andere folget. Sie lachen/ weil der Gutthäter Angesicht frölich sind/ wie zu seyn pflegen beedes derer die gutes thun/ und die es empfangen. Sie sind noch jung/ weil man die empfangene Wolthat allezeit soll in frischer Gedächtnus behalten/ und den Danck nicht lassen veralten. Sie sind Jungfrauen/ weil die Wolthat rein und unverfälscht seyn/ und sich Niemand daran vergreiffen soll/ darbey auch keiner dem andern zu etwas Gewisses obligirt und verbunden seyn: Dahero tragen sie auch aufgelösete Röcke; durchsichtige aber/ weil die Wolthaten wollen gesehen werden. Warum drey Gratien seyen. Warum sie lächlen. Warum sie jung/ und als Jungfrauen gebildet werden.Wir wollen aber diese Beschreibung der Gratien nunmehr beschliessen/ wann wir nur noch etwas Weniges/ und zwar unter andern ein schönes Epigramma werden hinzugesetzet haben/ welches zu Rom in dem Haus der Columnenser auf dem Bild der Gratien eingegraben stehet/ und also lautet: Sunt nudae Charites niveo de marmore: at illas Diva Columna suis aedibus intus habet. Par tribus est facies, qualem decet esse sororum: Par tribus est aetas, par quoque forma tribus.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sandrart.net: Bereitstellung der Texttranskription in XML/TEI. (2014-06-24T13:18:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus sandrart.net entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2014-06-24T13:18:31Z)
Benjamin Fiechter: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2014-06-24T13:18:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Bei Worttrennungen am Spalten- oder Seitenumbruch, steht das gesamte Wort auf der vorhergehenden Spalte bzw. Seite.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_iconologia_1680
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_iconologia_1680/291
Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: ICONOLOGIA DEORUM. Nürnberg, 1680, S. TA 1680, Iconologia Deorum, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_iconologia_1680/291>, abgerufen am 27.11.2024.