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Sandrart, Joachim von: ICONOLOGIA DEORUM. Nürnberg, 1680.

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Es habe wer da will die Lieb gemahlt
hierinnen/

so ist es doch gewiß/ daß er ein Künstler
sey.

Der sah' am ersten/ daß Verliebte ohne
Sinnen/

und ihre kleine Sorg ihr grosses Gut
zerstreu.

Er hat ihr nicht umsonst ein Flügelpaar
umgeben/

damit sie/ als ein Gott/ mit Menschen-
Hertzen flieg:

Dann ob wir heut allhier und morgen
dorten leben/

so zieht doch Amor mit/ und wär es auch
in Krieg.

Gar recht in seiner Hand die starcken Pfeile
stehen/

und auf dem Rucken hängt der volle
Köcher ab:

Dann fornen trifft er uns/ wann wir uns
nicht versehen/

und diese Wunde trägt man auch mit in
das Grab.

Es erzehlt Pausanias in Corint, daß die Bildnus deß Cupido oder Liebes-Gottes/ als ein Werck deß künstlichen Meisters Pausiae/ auch in deß Aesculapius Tempel zu sehen gewesen/ wie er nemlich seinen Bogen und Pfeile von sich geworffen/ und eine Harffen in der Hand Cupido mit der Fortun. gehalten. Eben dieser schreibt auch in Achaicis/ er habe zu Aegira/ in einem Kirchlein/ den Cupido neben der Fortun stehen sehen: welches dahin zielet/ daß wir daraus erkennen sollen/ wieviel diese/ verstehe die Fortun/ in Liebshändeln vermöge; wiewol man auch ins gemein davor hält/ daß der Cupido durch Cupido hat grosse Krafft unsere Nachlässigkeit grosse Kräffte zu überkommen pflege. Diese unermässliche Kräfften deß Amors soll/ wie man davor hält/ Acusilaus abgebildet haben/ welcher/ wie Plinius lib. XXXVI erzehlt/ eine marmelsteinerne Löwin gebildet/ und neben dieselbe einige mit Flügeln begabte spielende Cupidines/ von deren etlichen sie gebunden gehalten/ von andern aber aus einem Horn zu trincken gezwungen/ und von noch andern mit Strümpffen versehen wurde/ und diß alles war aus einem Steine gemacht. Unter allen Thieren ist ausser allen Streit der Löw das allergrimmigste und wildeste; jedoch übertrifft die Löwin in Grimmigkeit den Löwen sehr weit: nichts destoweniger sagt man/ daß sie den Kräfften der Liebe weiche. Weil dann/ nach der Menschen thörichter Einbildung/ die Liebe so gar mächtig ist/ hat man daher zu rühmen pflegen:

Omnia vincit Amor.

Versichre dich/ daß ich nicht lüg:
Die Lieb hat überall den Sieg.
[Spaltenumbruch]

Diesem nach haben die Poeten/ als sehr verschmitzte Lügen-meister/ gedichtet/ es sey der Pan von dem Liebes-Gott überwunden worden/ da doch jener diesen ausgefordert. Wann wir nun dieses auf natürliche Dinge appliciren/ kan es füglich die Natur aller Dinge bedeuten/ als welche Pan mit seinem Namen vorstellet/ dieselbe/ als sie vom Anfange zu wircken begonne/ hat sich auch gleich über ihre Wercke zu freuen angefangen. Dahero sie durch diese ihre selbsteigene Belustigung verblendet/ den Liebes-Gott gleichsam ausgefordert/ der ihme dann selbige mit seinen Kräfften dergestalt unterthänig gemacht/ daß sie ferner ohne ihn eines und anders zu verrichten sich niemals unterfangen darff; daher dann unter den Elementen eine zwiespaltige Einigkeit entstehet/ welche/ vermittelst einer wunderbaren Einstimmung/ zu aller Dinge Zusammensetzung sich vereinigen.

Die Platonici sind ebenmässig dieser Meinung/ daß sie darfür halten/ es kommen unsere Seelen vom Himmel in diese irrdische Leiber/ weil sie zu denselben einige Liebe tragen/ und kehren/ wann sie dieselben verlassen/ wieder nach dem Himmel/ weil sie alsdann von der Liebe aller irdischen Dinge befreyet/ sich allein nach der Himmlischen Liebe unverhindert wenden können. Etliche haben auch behauptet/ es seyen zwo Thüren in Himmel/ durch deren eine die Seelen von oben herab kämen/ durch die andere hingegen aus diesen Unter-Oertern hinaufstiegen; diese eigneten sie den Göttern/ jene denen Menschen zu. Orpheus ware in der Meinung/ es seyen beyde Schlüssel zu diesen Thüren dem Amor anvertrauet/ also daß ohne seinen Willen niemand aus einen in den andern Ort zu gehen erlaubt wäre/ deßwegen der Liebes-Gott nicht unbillig zween Schlüssel in der Hand habend gemahlt werden könnte; Wiewol die Poeten nicht allzeit den Liebes-Gott Cupido wird bisweilen von den Poeten gebunden aufgeführet. als einen Bezwinger aller Dinge rühmen/ sondern ihn unterweilen auch gebunden aufführen/ wie Ausonius in einem sehr schönen Gedichte meldet/ daß er einsten an einem Myrtenbaum/ gleich als am Galgen gehangen/ und seiner Boßheit halber wol gezüchtiget worden sey. Bemeldtes Gedicht ist dieses Innhalts:

Y Aeris in campis,memorat quos Mu-
sa Maronis,

Myrteus amentes ubi lucus opacat
amantes:

Orgia ducebant Heroides, & sua
quaeque,

Ut quondam occiderant, lethi ar-
gumenta gerebant,

Errantes silva in magna, & sub lu-
ce maligna

[Spaltenumbruch]
Es habe wer da will die Lieb gemahlt
hierinnen/

so ist es doch gewiß/ daß er ein Künstler
sey.

Der sah’ am ersten/ daß Verliebte ohne
Sinnen/

und ihre kleine Sorg ihr grosses Gut
zerstreu.

Er hat ihr nicht umsonst ein Flügelpaar
umgeben/

damit sie/ als ein Gott/ mit Menschen-
Hertzen flieg:

Dann ob wir heut allhier und morgen
dorten leben/

so zieht doch Amor mit/ und wär es auch
in Krieg.

Gar recht in seiner Hand die starcken Pfeile
stehen/

und auf dem Rucken hängt der volle
Köcher ab:

Dann fornen trifft er uns/ wann wir uns
nicht versehen/

und diese Wunde trägt man auch mit in
das Grab.

Es erzehlt Pausanias in Corint, daß die Bildnus deß Cupido oder Liebes-Gottes/ als ein Werck deß künstlichen Meisters Pausiae/ auch in deß Aesculapius Tempel zu sehen gewesen/ wie er nemlich seinen Bogen und Pfeile von sich geworffen/ und eine Harffen in der Hand Cupido mit der Fortun. gehalten. Eben dieser schreibt auch in Achaicis/ er habe zu Aegira/ in einem Kirchlein/ den Cupido neben der Fortun stehen sehen: welches dahin zielet/ daß wir daraus erkennen sollen/ wieviel diese/ verstehe die Fortun/ in Liebshändeln vermöge; wiewol man auch ins gemein davor hält/ daß der Cupido durch Cupido hat grosse Krafft unsere Nachlässigkeit grosse Kräffte zu überkommen pflege. Diese unermässliche Kräfften deß Amors soll/ wie man davor hält/ Acusilaus abgebildet haben/ welcher/ wie Plinius lib. XXXVI erzehlt/ eine marmelsteinerne Löwin gebildet/ und neben dieselbe einige mit Flügeln begabte spielende Cupidines/ von deren etlichen sie gebunden gehalten/ von andern aber aus einem Horn zu trincken gezwungen/ und von noch andern mit Strümpffen versehen wurde/ und diß alles war aus einem Steine gemacht. Unter allen Thieren ist ausser allen Streit der Löw das allergrimmigste und wildeste; jedoch übertrifft die Löwin in Grimmigkeit den Löwen sehr weit: nichts destoweniger sagt man/ daß sie den Kräfften der Liebe weiche. Weil dann/ nach der Menschen thörichter Einbildung/ die Liebe so gar mächtig ist/ hat man daher zu rühmen pflegen:

Omnia vincit Amor.

Versichre dich/ daß ich nicht lüg:
Die Lieb hat überall den Sieg.
[Spaltenumbruch]

Diesem nach haben die Poeten/ als sehr verschmitzte Lügen-meister/ gedichtet/ es sey der Pan von dem Liebes-Gott überwunden worden/ da doch jener diesen ausgefordert. Wann wir nun dieses auf natürliche Dinge appliciren/ kan es füglich die Natur aller Dinge bedeuten/ als welche Pan mit seinem Namen vorstellet/ dieselbe/ als sie vom Anfange zu wircken begonne/ hat sich auch gleich über ihre Wercke zu freuen angefangen. Dahero sie durch diese ihre selbsteigene Belustigung verblendet/ den Liebes-Gott gleichsam ausgefordert/ der ihme dann selbige mit seinen Kräfften dergestalt unterthänig gemacht/ daß sie ferner ohne ihn eines und anders zu verrichten sich niemals unterfangen darff; daher dann unter den Elementen eine zwiespaltige Einigkeit entstehet/ welche/ vermittelst einer wunderbaren Einstimmung/ zu aller Dinge Zusammensetzung sich vereinigen.

Die Platonici sind ebenmässig dieser Meinung/ daß sie darfür halten/ es kommen unsere Seelen vom Himmel in diese irrdische Leiber/ weil sie zu denselben einige Liebe tragen/ und kehren/ wann sie dieselben verlassen/ wieder nach dem Himmel/ weil sie alsdann von der Liebe aller irdischen Dinge befreyet/ sich allein nach der Himmlischen Liebe unverhindert wenden können. Etliche haben auch behauptet/ es seyen zwo Thüren in Himmel/ durch deren eine die Seelen von oben herab kämen/ durch die andere hingegen aus diesen Unter-Oertern hinaufstiegen; diese eigneten sie den Göttern/ jene denen Menschen zu. Orpheus ware in der Meinung/ es seyen beyde Schlüssel zu diesen Thüren dem Amor anvertrauet/ also daß ohne seinen Willen niemand aus einen in den andern Ort zu gehen erlaubt wäre/ deßwegen der Liebes-Gott nicht unbillig zween Schlüssel in der Hand habend gemahlt werden könnte; Wiewol die Poeten nicht allzeit den Liebes-Gott Cupido wird bisweilen von den Poeten gebunden aufgeführet. als einen Bezwinger aller Dinge rühmen/ sondern ihn unterweilen auch gebunden aufführen/ wie Ausonius in einem sehr schönen Gedichte meldet/ daß er einsten an einem Myrtenbaum/ gleich als am Galgen gehangen/ und seiner Boßheit halber wol gezüchtiget worden sey. Bemeldtes Gedicht ist dieses Innhalts:

Y Aeris in campis,memorat quos Mu-
sa Maronis,

Myrteus amentes ubi lucus opacat
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gumenta gerebant,

Errantes silva in magna, & sub lu-
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[TA 1680, Iconologia Deorum, S. 180/0272] Es habe wer da will die Lieb gemahlt hierinnen/ so ist es doch gewiß/ daß er ein Künstler sey. Der sah’ am ersten/ daß Verliebte ohne Sinnen/ und ihre kleine Sorg ihr grosses Gut zerstreu. Er hat ihr nicht umsonst ein Flügelpaar umgeben/ damit sie/ als ein Gott/ mit Menschen- Hertzen flieg: Dann ob wir heut allhier und morgen dorten leben/ so zieht doch Amor mit/ und wär es auch in Krieg. Gar recht in seiner Hand die starcken Pfeile stehen/ und auf dem Rucken hängt der volle Köcher ab: Dann fornen trifft er uns/ wann wir uns nicht versehen/ und diese Wunde trägt man auch mit in das Grab. Es erzehlt Pausanias in Corint, daß die Bildnus deß Cupido oder Liebes-Gottes/ als ein Werck deß künstlichen Meisters Pausiae/ auch in deß Aesculapius Tempel zu sehen gewesen/ wie er nemlich seinen Bogen und Pfeile von sich geworffen/ und eine Harffen in der Hand gehalten. Eben dieser schreibt auch in Achaicis/ er habe zu Aegira/ in einem Kirchlein/ den Cupido neben der Fortun stehen sehen: welches dahin zielet/ daß wir daraus erkennen sollen/ wieviel diese/ verstehe die Fortun/ in Liebshändeln vermöge; wiewol man auch ins gemein davor hält/ daß der Cupido durch unsere Nachlässigkeit grosse Kräffte zu überkommen pflege. Diese unermässliche Kräfften deß Amors soll/ wie man davor hält/ Acusilaus abgebildet haben/ welcher/ wie Plinius lib. XXXVI erzehlt/ eine marmelsteinerne Löwin gebildet/ und neben dieselbe einige mit Flügeln begabte spielende Cupidines/ von deren etlichen sie gebunden gehalten/ von andern aber aus einem Horn zu trincken gezwungen/ und von noch andern mit Strümpffen versehen wurde/ und diß alles war aus einem Steine gemacht. Unter allen Thieren ist ausser allen Streit der Löw das allergrimmigste und wildeste; jedoch übertrifft die Löwin in Grimmigkeit den Löwen sehr weit: nichts destoweniger sagt man/ daß sie den Kräfften der Liebe weiche. Weil dann/ nach der Menschen thörichter Einbildung/ die Liebe so gar mächtig ist/ hat man daher zu rühmen pflegen: Cupido mit der Fortun. Cupido hat grosse KrafftOmnia vincit Amor. Versichre dich/ daß ich nicht lüg: Die Lieb hat überall den Sieg. Diesem nach haben die Poeten/ als sehr verschmitzte Lügen-meister/ gedichtet/ es sey der Pan von dem Liebes-Gott überwunden worden/ da doch jener diesen ausgefordert. Wann wir nun dieses auf natürliche Dinge appliciren/ kan es füglich die Natur aller Dinge bedeuten/ als welche Pan mit seinem Namen vorstellet/ dieselbe/ als sie vom Anfange zu wircken begonne/ hat sich auch gleich über ihre Wercke zu freuen angefangen. Dahero sie durch diese ihre selbsteigene Belustigung verblendet/ den Liebes-Gott gleichsam ausgefordert/ der ihme dann selbige mit seinen Kräfften dergestalt unterthänig gemacht/ daß sie ferner ohne ihn eines und anders zu verrichten sich niemals unterfangen darff; daher dann unter den Elementen eine zwiespaltige Einigkeit entstehet/ welche/ vermittelst einer wunderbaren Einstimmung/ zu aller Dinge Zusammensetzung sich vereinigen. Die Platonici sind ebenmässig dieser Meinung/ daß sie darfür halten/ es kommen unsere Seelen vom Himmel in diese irrdische Leiber/ weil sie zu denselben einige Liebe tragen/ und kehren/ wann sie dieselben verlassen/ wieder nach dem Himmel/ weil sie alsdann von der Liebe aller irdischen Dinge befreyet/ sich allein nach der Himmlischen Liebe unverhindert wenden können. Etliche haben auch behauptet/ es seyen zwo Thüren in Himmel/ durch deren eine die Seelen von oben herab kämen/ durch die andere hingegen aus diesen Unter-Oertern hinaufstiegen; diese eigneten sie den Göttern/ jene denen Menschen zu. Orpheus ware in der Meinung/ es seyen beyde Schlüssel zu diesen Thüren dem Amor anvertrauet/ also daß ohne seinen Willen niemand aus einen in den andern Ort zu gehen erlaubt wäre/ deßwegen der Liebes-Gott nicht unbillig zween Schlüssel in der Hand habend gemahlt werden könnte; Wiewol die Poeten nicht allzeit den Liebes-Gott als einen Bezwinger aller Dinge rühmen/ sondern ihn unterweilen auch gebunden aufführen/ wie Ausonius in einem sehr schönen Gedichte meldet/ daß er einsten an einem Myrtenbaum/ gleich als am Galgen gehangen/ und seiner Boßheit halber wol gezüchtiget worden sey. Bemeldtes Gedicht ist dieses Innhalts: Cupido wird bisweilen von den Poeten gebunden aufgeführet. Aeris in campis,memorat quos Mu- sa Maronis, Myrteus amentes ubi lucus opacat amantes: Orgia ducebant Heroides, & sua quaeque, Ut quondam occiderant, lethi ar- gumenta gerebant, Errantes silva in magna, & sub lu- ce maligna

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Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2014-06-24T13:18:31Z)
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Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: ICONOLOGIA DEORUM. Nürnberg, 1680, S. TA 1680, Iconologia Deorum, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_iconologia_1680/272>, abgerufen am 24.11.2024.