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Sandrart, Joachim von: ICONOLOGIA DEORUM. Nürnberg, 1680.

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Der Venus Wagen ward von Schwanen
fortgezogen.

Cupido sorgt wie er die Streit-Zeit bring
herbey.

Auf seiner Achsel hing ein Köcher samt
dem Bogen/

Er weist der Mutter wie sein Köcher
schwanger sey/

und wincket/ daß sie soll verjagen alles Za-
gen.

Ein' andrer hat das Haar sehr prächtig
aufgeputzt

an der erhabnen Stirn/ die weiß vom
Schnee gestutzt.

Ein' andrer band aus Dienst die Klei-
der auf den Wagen.

Wann Apulejus die Venus von den Liebes-Kindern begleitet vorstellet/ machet er aus ihnen lauter weisse/ vom Himmel hernieder kommende/ oder aus dem Wasser empor steigende Knaben/ die an den Schultern mit Flügeln/ an der Seiten mit Pfeilen/ und in den Händen mit Fackeln versehen. Und an einem andern Orte schreibet er/ das Liebes-Volck begleite die Venus/ dieweil der Menschen Begierden unzehlig sind/ und die jenigen Dinge geliebt werden/ welche man durch die Begierden verlanget; dann unter viel tausenden nicht einer ist/ der bey sich erwäge/ ob er seine Liebe an diesem oder jenem Orte recht oder übel anwende/ sondern ein jeder siehet nur dahin/ wie er seine Lust büssen möge/ ob auch schon die Vernunfft ihm ein anders saget/ so achtet doch die Liebe/ wann sie sich den schändlichen Wollüsten Stricke der Liebe. ergeben/ solches alles nicht/ deßwegen sie uns in ihrer Gewalt zu halten geachtet wird/ welches durch die Stricke/ so ihr/ nemlich der Liebe/ zugeeignet werden/ angedeutet ist.

Damit wir uns aber mit der mannigfaltigen Liebe nicht länger aufhalten/ so wollen wir uns zu der einigen wenden/ und von dieser allein reden. Wann Plato in Symposio den Agathon/ wie er die Liebe herausstreichet/ und deroselben Natur erkläret/ einführet/ sagt Der Amor ist unter allen Göttern der Jüngste. er: Der Amor ist das schönste unter allen Dingen/ wie auch der Jüngste unter allen Göttern/ welches daher klärlich erhellet/ weil er vor dem Alter fleucht/ ob es schon das schnellste ist/ und ehe kommt/ als es uns wol offtmals nöthig zu seyn beduncket: Dieses wird von dem Amor durch einen gleichsam von Natur herrührenden Haß verfolget// und geflohen/ bey den Jungen aber lässet er sich allzeit finden/ und freuet sich mit ihnen umzugehen/ nach dem bekannten Sprichwort: Gleich und gleich gesellt sich gern.

Die Liebe ist zärtlich und weich. Daß aber der Amor jung/ weich und zärtlich seye/ kan auf diese Weise wahr seyn/ eben wie Homerus die Ate/ oder Elends-Göttin zart zu seyn beschreibet; dann ihre Füsse sind/ wie er saget/ zart und weich/ und füget [Spaltenumbruch] diese Ursach bey/ weil sie nemlich mit denselben niemals auf die Erde trette/ sondern auf der Menschen Nacken gehe: also können wir auch von dem Amor sagen/ er sey weich und zart; weil er nicht über Erde/ oder Steine/ nach etwas Hartes gehe/ sondern nur auf die weicheste Dinge sich niederzulassen/ und daselbsten allzeit zu bleiben pflege/ dieses sind der Menschen Gemüter/ obwol nicht alle/ dann wo er einen von harter Gemüts-Art antrifft/ weichet er zuruck; dafern er aber ein zärtlich Gemüt vor sich hat/ so machet er in demselben seine Wohnung und bleibende Statt. Ja er ist auch wie das Wasser flüssig und schlüpfferig/ weil er das gantze Gemüt nicht allenthalben begreiffen/ noch heimlich ein- oder ausfliessen könnte/ wann er hart oder rauh wäre.

Eines wolproportionirten und gemässigten Bildes gröster Beweisthum aber pflegt in zierlich und wol übereinstimmender Ordnung der Theile zu bestehen/ wormit der Amor aus allen Dingen ohne Zweiffel einig und allein begabet ist: dann die häßliche Ungestalt und Liebe in einem unaufhörlichen Kriege Amor unter den Blumen und Streit wider einander liegen. Daß aber dieser Liebes-GOtt sein Leben in den Blumen zubringet/ bedeutet die Schönheit der Farben: zumal auf das jenige/ so der Blüte ermangelt/ oder allbereit verblühet hat/ es sey ein Leib oder Gemüht/ oder sonst was es wolle/ pflegt sich der Amor nicht niederzulassen: wo er aber einen blühenden und wolriechenden Ort findet/ allda nimmt er seinen Sitz und Wohnplatz.

Von dieses Gottes Schönheit könnten noch viel Dinge beygebracht werden/ Plato aber machet allhier davon zu reden ein Ende; aus dessen Worten wir schliessen können/ daß nemlich der Liebes-GOtt jung/ zart/ weich/ artlich/ wolgestaltes Leibes/ und von sehr Wie Apulejus den Amor beschreibe. herrlicher schöner Farb sey. Noch scharffsinniger hat ihn Apulejus in der Fabel von der Psyche (oder Seelen) beschrieben/ wann er erzehlet/ daß selbige wider sein Verbott den Liebes-Gott beym Liechte beschauet/ allda sie ihn gesehen in güldnen lang-kraußen Haarlocken/ ganz zärtlich von wegen der Speise deß Himmelbrods/ als mit welchem er bestreuet anzusehen/ sein Nacken seye sehr weiß/ die Wangen purpurfarb/ das Haar krauß/ und auf mancherley Weis in einander geflochten gewesen/ ein Theil darvon seye über die Achsel herab gehangen/ ein Theil habe das Angesicht beschattet/ auch einen solchen Glantz von sich gestrahlet/ daß sie den Schein oder Kertzen verdunckelt; auf dessen Schultern seyen zween Flügel/ von frischem Thau benetzet/ gestanden/ deren Federn/ ob sie wol von der Stelle sich nicht reegten/ dannoch von einem sanfften Lüfftlein linde getrieben zu werden geschienen. Sein gantzer Leib seye mit einem Wort so schön und liecht gewesen/ daß die Venus sich seiner Geburt nicht schämen dürffen; auf der

[Spaltenumbruch]
Der Venus Wagen ward von Schwanen
fortgezogen.

Cupido sorgt wie er die Streit-Zeit bring
herbey.

Auf seiner Achsel hing ein Köcher samt
dem Bogen/

Er weist der Mutter wie sein Köcher
schwanger sey/

und wincket/ daß sie soll verjagen alles Za-
gen.

Ein’ andrer hat das Haar sehr prächtig
aufgeputzt

an der erhabnen Stirn/ die weiß vom
Schnee gestutzt.

Ein’ andrer band aus Dienst die Klei-
der auf den Wagen.

Wann Apulejus die Venus von den Liebes-Kindern begleitet vorstellet/ machet er aus ihnen lauter weisse/ vom Himmel hernieder kommende/ oder aus dem Wasser empor steigende Knaben/ die an den Schultern mit Flügeln/ an der Seiten mit Pfeilen/ und in den Händen mit Fackeln versehen. Und an einem andern Orte schreibet er/ das Liebes-Volck begleite die Venus/ dieweil der Menschen Begierden unzehlig sind/ und die jenigen Dinge geliebt werden/ welche man durch die Begierden verlanget; dann unter viel tausenden nicht einer ist/ der bey sich erwäge/ ob er seine Liebe an diesem oder jenem Orte recht oder übel anwende/ sondern ein jeder siehet nur dahin/ wie er seine Lust büssen möge/ ob auch schon die Vernunfft ihm ein anders saget/ so achtet doch die Liebe/ wann sie sich den schändlichen Wollüsten Stricke der Liebe. ergeben/ solches alles nicht/ deßwegen sie uns in ihrer Gewalt zu halten geachtet wird/ welches durch die Stricke/ so ihr/ nemlich der Liebe/ zugeeignet werden/ angedeutet ist.

Damit wir uns aber mit der mannigfaltigen Liebe nicht länger aufhalten/ so wollen wir uns zu der einigen wenden/ und von dieser allein reden. Wann Plato in Symposio den Agathon/ wie er die Liebe herausstreichet/ und deroselben Natur erkläret/ einführet/ sagt Der Amor ist unter allen Göttern der Jüngste. er: Der Amor ist das schönste unter allen Dingen/ wie auch der Jüngste unter allen Göttern/ welches daher klärlich erhellet/ weil er vor dem Alter fleucht/ ob es schon das schnellste ist/ und ehe kommt/ als es uns wol offtmals nöthig zu seyn beduncket: Dieses wird von dem Amor durch einen gleichsam von Natur herrührenden Haß verfolget// und geflohen/ bey den Jungen aber lässet er sich allzeit finden/ und freuet sich mit ihnen umzugehen/ nach dem bekannten Sprichwort: Gleich und gleich gesellt sich gern.

Die Liebe ist zärtlich und weich. Daß aber der Amor jung/ weich und zärtlich seye/ kan auf diese Weise wahr seyn/ eben wie Homerus die Ate/ oder Elends-Göttin zart zu seyn beschreibet; dann ihre Füsse sind/ wie er saget/ zart und weich/ und füget [Spaltenumbruch] diese Ursach bey/ weil sie nemlich mit denselben niemals auf die Erde trette/ sondern auf der Menschen Nacken gehe: also können wir auch von dem Amor sagen/ er sey weich und zart; weil er nicht über Erde/ oder Steine/ nach etwas Hartes gehe/ sondern nur auf die weicheste Dinge sich niederzulassen/ und daselbsten allzeit zu bleiben pflege/ dieses sind der Menschen Gemüter/ obwol nicht alle/ dann wo er einen von harter Gemüts-Art antrifft/ weichet er zuruck; dafern er aber ein zärtlich Gemüt vor sich hat/ so machet er in demselben seine Wohnung und bleibende Statt. Ja er ist auch wie das Wasser flüssig und schlüpfferig/ weil er das gantze Gemüt nicht allenthalben begreiffen/ noch heimlich ein- oder ausfliessen könnte/ wann er hart oder rauh wäre.

Eines wolproportionirten und gemässigten Bildes gröster Beweisthum aber pflegt in zierlich und wol übereinstimmender Ordnung der Theile zu bestehen/ wormit der Amor aus allen Dingen ohne Zweiffel einig und allein begabet ist: dann die häßliche Ungestalt und Liebe in einem unaufhörlichen Kriege Amor unter den Blumen und Streit wider einander liegen. Daß aber dieser Liebes-GOtt sein Leben in den Blumen zubringet/ bedeutet die Schönheit der Farben: zumal auf das jenige/ so der Blüte ermangelt/ oder allbereit verblühet hat/ es sey ein Leib oder Gemüht/ oder sonst was es wolle/ pflegt sich der Amor nicht niederzulassen: wo er aber einen blühenden und wolriechenden Ort findet/ allda nimmt er seinen Sitz und Wohnplatz.

Von dieses Gottes Schönheit könnten noch viel Dinge beygebracht werden/ Plato aber machet allhier davon zu reden ein Ende; aus dessen Worten wir schliessen können/ daß nemlich der Liebes-GOtt jung/ zart/ weich/ artlich/ wolgestaltes Leibes/ und von sehr Wie Apulejus den Amor beschreibe. herrlicher schöner Farb sey. Noch scharffsinniger hat ihn Apulejus in der Fabel von der Psyche (oder Seelen) beschrieben/ wann er erzehlet/ daß selbige wider sein Verbott den Liebes-Gott beym Liechte beschauet/ allda sie ihn gesehen in güldnen lang-kraußen Haarlocken/ ganz zärtlich von wegen der Speise deß Himmelbrods/ als mit welchem er bestreuet anzusehen/ sein Nacken seye sehr weiß/ die Wangen purpurfarb/ das Haar krauß/ und auf mancherley Weis in einander geflochten gewesen/ ein Theil darvon seye über die Achsel herab gehangen/ ein Theil habe das Angesicht beschattet/ auch einen solchen Glantz von sich gestrahlet/ daß sie den Schein oder Kertzen verdunckelt; auf dessen Schultern seyen zween Flügel/ von frischem Thau benetzet/ gestanden/ deren Federn/ ob sie wol von der Stelle sich nicht reegten/ dannoch von einem sanfften Lüfftlein linde getrieben zu werden geschienen. Sein gantzer Leib seye mit einem Wort so schön und liecht gewesen/ daß die Venus sich seiner Geburt nicht schämen dürffen; auf der

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Und an einem andern Orte schreibet er/ das Liebes-Volck begleite die Venus/ dieweil der Menschen Begierden unzehlig sind/ und die jenigen Dinge geliebt werden/ welche man durch die Begierden verlanget; dann unter viel tausenden nicht einer ist/ der bey sich erwäge/ ob er seine Liebe an diesem oder jenem Orte recht oder übel anwende/ sondern ein jeder siehet nur dahin/ wie er seine Lust büssen möge/ ob auch schon die Vernunfft ihm ein anders saget/ so achtet doch die Liebe/ wann sie sich den schändlichen Wollüsten ergeben/ solches alles nicht/ deßwegen sie uns in ihrer Gewalt zu halten geachtet wird/ welches durch die Stricke/ so ihr/ nemlich der Liebe/ zugeeignet werden/ angedeutet ist. Stricke der Liebe.Damit wir uns aber mit der mannigfaltigen Liebe nicht länger aufhalten/ so wollen wir uns zu der einigen wenden/ und von dieser allein reden. Wann Plato in Symposio den Agathon/ wie er die Liebe herausstreichet/ und deroselben Natur erkläret/ einführet/ sagt er: Der Amor ist das schönste unter allen Dingen/ wie auch der Jüngste unter allen Göttern/ welches daher klärlich erhellet/ weil er vor dem Alter fleucht/ ob es schon das schnellste ist/ und ehe kommt/ als es uns wol offtmals nöthig zu seyn beduncket: Dieses wird von dem Amor durch einen gleichsam von Natur herrührenden Haß verfolget// und geflohen/ bey den Jungen aber lässet er sich allzeit finden/ und freuet sich mit ihnen umzugehen/ nach dem bekannten Sprichwort: Gleich und gleich gesellt sich gern. Der Amor ist unter allen Göttern der Jüngste. Daß aber der Amor jung/ weich und zärtlich seye/ kan auf diese Weise wahr seyn/ eben wie Homerus die Ate/ oder Elends-Göttin zart zu seyn beschreibet; dann ihre Füsse sind/ wie er saget/ zart und weich/ und füget diese Ursach bey/ weil sie nemlich mit denselben niemals auf die Erde trette/ sondern auf der Menschen Nacken gehe: also können wir auch von dem Amor sagen/ er sey weich und zart; weil er nicht über Erde/ oder Steine/ nach etwas Hartes gehe/ sondern nur auf die weicheste Dinge sich niederzulassen/ und daselbsten allzeit zu bleiben pflege/ dieses sind der Menschen Gemüter/ obwol nicht alle/ dann wo er einen von harter Gemüts-Art antrifft/ weichet er zuruck; dafern er aber ein zärtlich Gemüt vor sich hat/ so machet er in demselben seine Wohnung und bleibende Statt. Ja er ist auch wie das Wasser flüssig und schlüpfferig/ weil er das gantze Gemüt nicht allenthalben begreiffen/ noch heimlich ein- oder ausfliessen könnte/ wann er hart oder rauh wäre. Die Liebe ist zärtlich und weich.Eines wolproportionirten und gemässigten Bildes gröster Beweisthum aber pflegt in zierlich und wol übereinstimmender Ordnung der Theile zu bestehen/ wormit der Amor aus allen Dingen ohne Zweiffel einig und allein begabet ist: dann die häßliche Ungestalt und Liebe in einem unaufhörlichen Kriege und Streit wider einander liegen. Daß aber dieser Liebes-GOtt sein Leben in den Blumen zubringet/ bedeutet die Schönheit der Farben: zumal auf das jenige/ so der Blüte ermangelt/ oder allbereit verblühet hat/ es sey ein Leib oder Gemüht/ oder sonst was es wolle/ pflegt sich der Amor nicht niederzulassen: wo er aber einen blühenden und wolriechenden Ort findet/ allda nimmt er seinen Sitz und Wohnplatz. Amor unter den BlumenVon dieses Gottes Schönheit könnten noch viel Dinge beygebracht werden/ Plato aber machet allhier davon zu reden ein Ende; aus dessen Worten wir schliessen können/ daß nemlich der Liebes-GOtt jung/ zart/ weich/ artlich/ wolgestaltes Leibes/ und von sehr herrlicher schöner Farb sey. Noch scharffsinniger hat ihn Apulejus in der Fabel von der Psyche (oder Seelen) beschrieben/ wann er erzehlet/ daß selbige wider sein Verbott den Liebes-Gott beym Liechte beschauet/ allda sie ihn gesehen in güldnen lang-kraußen Haarlocken/ ganz zärtlich von wegen der Speise deß Himmelbrods/ als mit welchem er bestreuet anzusehen/ sein Nacken seye sehr weiß/ die Wangen purpurfarb/ das Haar krauß/ und auf mancherley Weis in einander geflochten gewesen/ ein Theil darvon seye über die Achsel herab gehangen/ ein Theil habe das Angesicht beschattet/ auch einen solchen Glantz von sich gestrahlet/ daß sie den Schein oder Kertzen verdunckelt; auf dessen Schultern seyen zween Flügel/ von frischem Thau benetzet/ gestanden/ deren Federn/ ob sie wol von der Stelle sich nicht reegten/ dannoch von einem sanfften Lüfftlein linde getrieben zu werden geschienen. Sein gantzer Leib seye mit einem Wort so schön und liecht gewesen/ daß die Venus sich seiner Geburt nicht schämen dürffen; auf der Wie Apulejus den Amor beschreibe.

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Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: ICONOLOGIA DEORUM. Nürnberg, 1680, S. TA 1680, Iconologia Deorum, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_iconologia_1680/268>, abgerufen am 11.05.2024.